In Baden riecht es nach Holz und Schweiss. Wer in den letzten Tagen durch die Stadt flanierte, dem kann kaum entgangen sein, dass da etwas Grosses im Busch ist. Links und rechts wird gehämmert, geschliffen und gepinselt, was das Zeug hält.
Am Freitag fällt der Startschuss für das 100-jährige Jubiläum der Badenfahrt. Das Stadtfest, welches normalerweise im Fünfjahres-Rhythmus von grosser zu kleiner Ausgabe rotiert, soll dieses Jahr noch spektakulärer werden als jemals zuvor. Und wer schon einmal an der Badenfahrt war, der weiss: Mit Pavillon und Bierstand hat es sich hier noch lange nicht (sorry, Zürifäscht). Die Badener bauen ihre Stadt zu diesem Anlass nämlich regelrecht um – mit eindrücklichen Konstruktionen aus Holz und Metall, kreativen Umnutzungen und jeder Menge Herzblut.
Weil wir wissen wollten, wie es so kurz vor dem Start aussieht, haben wir zwei lokale Vereine auf ihren Baustellen besucht.
Direkt unter der grossen Hochbrücke, die über die Limmat nach Wettingen führt, im ersten Bogen hat Lokalkultur.ch – wie gewünscht – den Standort. Vor Ort sprechen wir mit dem Vize-Vereinspräsidenten und Medienverantwortlichen Nicola Dubied. Mit seinem Verein organisiert er seit zwei Jahren verschiedene Event-Formate. Unter der Hochbrücke ist ganz schön was los an diesem Montagmorgen. «Das etwas kühlere Wetter letzte Woche war angenehmer», kommentiert Dubied die vorherrschenden 30 Grad Lufttemperatur.
Mit dem effektiven Aufstellen haben er und acht bis zehn Helferinnen und Helfer pro Tag am Montag vor einer Woche begonnen. Seither wird jeden Tag fleissig angepackt. Viele der Freiwilligen haben dafür extra freigenommen, die restlichen kommen nach Arbeitsschluss gegen 17 Uhr.
Dass sie ihren absoluten Wunschplatz ergattern konnten, kommt nicht von irgendwo: «Direkt nach unserer letzten Party im Sommer 22 haben wir uns hingesetzt und ein dreissigseitiges Konzept erstellt.» Um einen guten Eindruck zu machen, wurde dies ganz vorbildlich am erstmöglichen Tag, als man es einreichen konnte, dem Organisationskomitee der Badenfahrt übergeben. Gut drei Monate lang tüftelte man an einem Konzept, das die Besucher hoffentlich aus den Socken haut. Dafür war man auf die Fähigkeiten der Mitglieder angewiesen: Vereinspräsident Merlin Pyrochta entwarf beispielsweise die Pläne. «Das Wichtigste ist, dass jeder machen kann, was ihm oder ihr liegt.» Gerade, wenn es um so viel Arbeit gehe, müsse die Leidenschaft einen antreiben.
Das Motto der diesjährigen Badenfahrt lautet «Neo». «Es vereint Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.» Das Motto ermögliche Neuinterpretationen, Anknüpfungen und zeige die Wandelbarkeit des Festes, heisst es auf der offiziellen Webseite weiter. Eine Voraussetzung für den Standort unter der Hochbrücke war ein Bauwerk, das sich über zwei Stockwerke erstreckt. Dabei liessen sie sich vom zum Motto passenden Baustil «Eco Brutalismus» inspirieren: der Kombination aus Beton, Holz und Pflanzen. Palmen und Efeu sorgen für das nötige Grün und lokale Graffiti-Künstler bringen zusätzlich Farbe in den Club auf Zeit.
Alles, was vom verbauten Material wiederverwendet werden kann, wird weitergegeben nach der Badenfahrt. Wie genau, weiss Dubied noch nicht. «Aber wir haben schon ein paar Ideen.»
Wenn man ein Gerüst, Böden, Treppen und alles nur Erdenkliche selbst aufstellen muss, braucht es aber auch Menschen, die mit ihren Händen arbeiten können. «Glücklicherweise besteht unser Freundeskreis aus vielen Handwerkerinnen und Handwerkern.» 21 Personen zählt der Verein Lokalkultur.ch. Unterstützung erhalten sie von einem weiteren Badener Eventveranstalter, der Techno-Partys organisiert: Bassrhythmus. Unter der Leitung von Claudio Dalla Zuana hat Bassrhythmus das Line-up auf die Beine gestellt und sorgt dafür, dass es an der Bar vorwärtsgeht.
Alles in allem haben Lokalkultur.ch und Bassrhythmus ungefähr 110'000 Franken investiert. Der Standplatz alleine kostet bereits über 10'000 Franken, dann kommen noch Abgaben für Strom und Wasser dazu. Das Ziel sei es natürlich, Gewinn zu erwirtschaften, um diesen dann wieder in den Verein und künftige Projekte fliessen zu lassen. «Wenn wir schon die Möglichkeit haben, drei Bars gleichzeitig zu betreiben, wollen wir das bestmöglich ausnutzen.»
Die Besuchenden von Momentum dürfen sich freuen auf Live-Musik von Rockbands, Rap-Performances (etwa von Jule X) und DJs, die Techno und Tech-House live spielen. An den beiden Sonntagen findet zudem jeweils ein kleiner «Kulturflohmi» statt, mit Ware von Badenern für Badener.
Unten an der Limmat, wenn man von Baden in Richtung Bäderquartier und Ennetbaden läuft, gibt's eine Badi, in der nie jemand planscht. Auf dem Grundstück der Rehaklinik Baden liegt ein Pool, der seit Jahren abgedeckt ist, und rundherum ein Garten, der nicht genutzt wird. Diesem möchte der Verein Paradogma während der Badenfahrt wieder Leben einhauchen. Wobei hauchen ein falsches Bild vermitteln könnte: Auf der Badhalde geht es zurzeit ziemlich laut zu und her.
Severin Piller arbeitet bereits den ganzen Morgen auf der Baustelle. Das Schuften in der prallen Sonne scheint seine Stimmung nicht im Geringsten zu drücken – bestens gelaunt führt er mich über das Gelände. Er ist verantwortlich für die Koordination der verschiedenen Ressorts und versteht sich selbst als Bindeglied innerhalb der Vereinsstruktur.
«Paradogma wurde von acht Freunden ins Leben gerufen, um für die Badenfahrt 2017 etwas aufzubauen», erklärt er. Mittlerweile ist der Verein auf 22 Mitglieder angewachsen und «deutlich besser organisiert». Letzten Sommer begann die intensive Planungsphase, man teilte sich in Ressorts ein, hielt Sitzungen ab und verdichtete die kreativen Gedanken immer weiter bis hin zu einem Konzept. In der Badhalde soll ein Rückzugsort entstehen für jene, denen der Trubel in der Stadt oben zu viel wird. Die Musik wird auch hier punktuell laut und es soll getanzt werden: zu Reggae, Hiphop und Techno – tagsüber aber soll man oftmals sitzen, plaudern und geniessen können. Während viele andere Veranstalter auf ein Rund-um-die-Uhr-Musikprogramm setzen, kann man in der Badhalde einem Jassturnier beiwohnen oder eine Zaubershow bestaunen.
Das gefiel auch der Besitzerin des Grundstücks: der Rehaklinik. Diese wollte ihre Patienten nämlich nicht zu hohen Lärmpegeln aussetzen. «Es war ein vorsichtiges Herantasten», erzählt Piller. Man habe lange darüber gesprochen, wie laut es sein darf und um welche Uhrzeit Zapfenstreich sein soll. Im Laufe des Prozesses wurden die Konditionen nochmals etwas gelockert, da die Reha von allen Seiten mit Lärm der angrenzenden Lokale zu rechnen hat.
Seit rund drei Wochen sind die Badenerinnen und Badener von Paradogma tagtäglich auf der Badhalde. Den Garten rund um den Pool bearbeiten sie aber schon seit vier Monaten – da musste man ordentlich roden und umstrukturieren. Wie Piller erzählt, habe man sich dafür einmal im Monat einen Tag lang getroffen. Das Thema Badi habe den Verein immer schon interessiert. «Es ist doch absurd, dass wir hier in Baden keinen sonderlich attraktiven Ort haben, um zu baden – wie beispielsweise das Marzili oder den Letten.»
Die Vereinsmitglieder von Paradogma stammen aus allen nur erdenklichen beruflichen Ecken: Von der Architektin über den Ingenieur bis hin zum Gastronomen hat es alles dabei – davon profitiert man bei der Eventplanung sehr. Ohnehin hat man aus der letzten Badenfahrt gelernt. Beispielsweise, dass eine exakte Planung vieles einfacher macht. Und wenn man Severin Piller so zuhört, scheint auch eine gewisse Gelassenheit mit wachsender Erfahrung einherzugehen. Schiefgehen tue nämlich immer noch viel, sagt er. «Es kommt schlussendlich nie so, wie man es sich am Anfang ausgedacht hat.» Die Treppe im Pool zum Beispiel hat man so geplant, dass man darauf tanzen kann. Weil es aber nicht funktionieren wollte mit den grossen Tritten, wird nun halt im und um den Pool getanzt.
Sein Badenfahrt-Projekt kostet den Verein insgesamt ungefähr 130'000 Franken. Wo immer es möglich war, wurde gespart. Die Eternitplatten für die Badhalde wurden gratis von der ETH zur Verfügung gestellt. Das Holz stammt von einem alten Schopf aus der Region, der abgerissen wurde. «Wir sind gut vernetzt, irgendjemand kennt immer jemanden, der jemanden kennen könnte», witzelt er. Der hoffentlich erwirtschaftete Gewinn soll wieder in die Vereinskasse fliessen, damit diese wieder gleich voll ist wie vor der Badenfahrt. Zudem werden laut Statuten ungefähr 1000 Franken pro Jahr an eine gemeinnützige Organisation gespendet.
Innerhalb einer Woche nach Ende des Anlasses muss die Stadt wieder geräumt sein. «Es wird stressig. Besonders, weil ab einem gewissen Punkt halt einfach die Luft draussen ist.» Piller bemerkt schon jetzt die Folgen des Schlafmangels der letzten Wochen. «Dann ist die Badenfahrt, man geht feiern – und wenn sie vorbei ist am Sonntag, muss man am Montagmorgen wieder auf der Matte stehen.» Tausende von Stunden Arbeit sind in die Badhalde geflossen. Aber die seien es wert, findet der Koordinations-Verantwortliche. «Es ist eindrücklich, wie sich die Stadt in so kurzer Zeit verwandelt.» Und es sei schön, einen ungenutzten Ort wie die Badhalde in etwas zu verwandeln, das die Menschen gerne besuchen. Am meisten aber schätzt Piller die Zusammenarbeit innerhalb des Vereins: «Mit guten Freunden so viel Zeit verbringen und gemeinsam etwas erschaffen zu dürfen, ist ein riesiges Geschenk.»
Nei spässli gä. Kommt in Scharen aber bleibt bisschen chillig. Es ist 10 Tage kompletter Steilgang hier...