Der Anschluss Sardiniens an das Gross-Schweizer-Reich ist ja quasi schon beschlossene Sache. Grund genug, sich den neuen Lebensraum im Südwesten mal genauer anzuschauen: Lohnt sich der 27. Kanton überhaupt? Oder sollten wir doch besser den Spiess umdrehen und uns die deutsche Luxus-Insel Sylt einverleiben?
Müssen wir gar Korsika bitten, heim in den reichen Eidgenossen-Kreis zu kommen? watson spielt Schweizermacher und durchleuchtet den Neuen im Team Helvetia in einem knallharten Schnellcheck. Was hat der Einbürgerungskandidat zu bieten?
Sicher, in einem heissen Sommer bietet die Aare Abkühlung. Klar, mit dem Lago Maggiore haben wir bereits ein italienisch klingendes Gewässer und der Rheinfall zieht einen auch nicht runter. Doch was fehlt, ist eine richtige Küste! Mehr Meer, lautet also die Devise: Sardinien bringt satte 1848,6 Kilometer Strand mit in die Ehe. Würden Sie dieser Braut das Jawort verwehren? Wenn ja, dann sicherlich erst nach ausgedehnten Ferien in der Sonne.
Heute ist die Schweiz für eine Luftwaffe berühmt, die sich an Bürozeiten hält. Doch, Sie werden staunen, das war vor einigen Jahrhunderten nicht so: Damals waren Söldner der nationale Exportschlager. Passt ja auch zum Klischee des hartnäckigen Helvetier, der eigentlich niemandes Knecht sein will, selbst wenn er sich als Landsknecht verdingt.
Die Sarden sind eigentlich keine Reisläufer – so nannte man früher die Schweizer Soldaten –, aber sie lassen sich ungern vereinnahmen. Selbstverständlich kann man weder hüben noch drüben alle über einen Kamm scheren, doch die Einwohner des potenziellen Neulands machen bei Wikipedia einen recht renitenten Eindruck: «Erst 1946 erhielt die Insel Autonomie, doch bis 1982 gab es vereinzelte, zum Teil bewaffnete Rebellionen, die häufig auch mit Entführungen verbunden waren.»
«Jeder dritte Menschenraub in Italien ereignete sich auf Sardinien», berichtet der Spiegel – 1980. «Anders als Siziliens Mafia, kämpften die sardischen Banditen lange Zeit gegen das Establishment: Der Gesetzlose ging in die Berge und lebte von Raub und Erpressung.» Mit etwas gutem Willen kann man hier Parallelen zwischen der Eidgenossenschaft vor 400 Jahren und den Insel-Rebellen (vor 40 Jahren) ausmachen. Wenn man nicht will, soll man es bleiben lassen.
Die neuen im «Team Natur»: Sardischer Scheibenzüngler, Gefleckter Walzenskink und Italienische Erzschleiche. Gewöhnen Sie sich schon mal dran!
Walzenskink hin, Scheibenzüngler her: Wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, hört der Naturspass natürlich auf! Und wenn es um die Eisen-, Gold- und Silbervorkommen im Süden der Insel geht, dann wollen wir von den schmierigen Kriechtieren keine Widerworte hören. Damit das mal klar ist, oder basta, wie man jetzt wohl sagen muss.
Natürlich wird das Eiland bei einem grossflächigen Rohstoff-Raub einige Kollateralschäden davontragen. Vor allem Chemikalien, die bei der Förderung zum Einsatz kommen könnten, lassen den einen oder anderen Einheimischen sicher die Nase rümpfen. Hier gilt es, die zukünftigen Mit-Helvetier mit solidem Handwerk zu überzeugen. Das Brachwasser fliesst ja von den Bergen durch die Flüsse ins Mittelmeer und somit aus Augen wie Sinn. Der Name des Konzepts: nach mir die Sintflut.
So ein «Platz an der Sonne» wie Sardinien verändert selbstredend das Gewicht der Schweiz in der Weltgemeinschaft. Wie einst Wilhelm II. muss Bern ein Flotten-Programm auflegen, um die Kolonie, pardon, den 27. Kanton schützen und die Seewege freihalten zu können. Das würde ein paar Franken mehr kosten als das Strahlflugzeug Gripen, das Ueli Maurer anschaffen will.
Gut ist wiederum, dass der schwedische Vogel auf dem sardischen Militärflugplatz Decimomannu ein neues Nest fände. Die deutsche Luftwaffe, die dort eine Ausbildungsstaffel stationiert hat, dürfte natürlich nur bleiben, wenn Konzessionen im Streit um lärmende Anflüge auf den Flughafen Zürich gemacht werden – ein neuer Trumpf im Verhandlungspoker mit Berlin!
Ausserdem bekommt die Militärmacht Schweiz das Testgelände Salto di Quirra für Raketen dazu. Hier hat helvetische Technik schon Tradition: Im Bild unten sehen Sie einen Raketen-Prototypen, der in der Schweiz mitentwickelt wurde und 1966 auf Sardinien erprobt wurde. Voilà.
Licht und Schatten wechseln sich auch in der sardischen Küche ab. Erst schrieb mir meine Kollegin Simone Meier, die deutlich kultivierter ist als ich:
«Die Schweiz wird zum Gourmetland! Grossartige Genussgranaten kommen aus Sardinien: Zum Beispiel Bottarga! Gesalzener, gepresster und getrockneter Fischrogen – die Sarden nehmen am liebsten Thunfisch. Kann man fein geschnitten oder als Pulver über Pasta und Risottos geben. Heisst auch ‹Kaviar Sardiniens›. Oder Mirto: ein Likör aus den Beeren der sardischen Myrte. Der Mirto rosso ist süss, der Mirto bianco trocken. Macht sofort süchtig.»
Das mutet appetitlich an, doch die weitere Recherche liess einem das Risotto im Rachen stecken bleiben. Um im kulinarischen Bild zu bleiben: Fischeier und Schnaps sind nur die feine Glasur, unter der sich eine faulige Götterspeise verbirgt. Die Rede ist von Cazu Marzu. Das ist ein Schafskäse, der von Maden verfeinert wird.
Aus Wikipedia: «Käsefliegen der Art Piophila casei legen bei der Herstellung ihre Eier auf dem Käse ab. Die Maden dringen in den Käse ein und wandeln ihn durch Verdauung um, so dass er eine cremige Konsistenz und ein kräftiges Aroma bekommt und eine Flüssigkeit absondert, die lagrima (Träne) genannt wird. Beim Verzehr befinden sich lebende Maden im Käse. Diese werden mitgegessen.»
Und das bei uns, den Käse-Königen ...
Als der König von Aragón und Navarra in der Schlacht von Alcoraz im Jahre 1096 die Mauren besiegte, liess Peter I. angeblich vier schwarze Könige köpfen. Das fand Peter III. knapp 200 Jahre später so gut, dass er die vier Häupter – mit weissen Augenbinden – zusammen mit einem roten St.-Georgs-Kreuz als Wappen einführte. Wenn das Wort «Negerkuss» heute nicht mehr opportun ist, könnten die so genannten Sardischen Mohren der Insel bei der Aufnahme in die Schweiz zum Nachteil gereichen.
Die Aufnahme Sardiens in die Eidgenossenschaft ist uneingeschränkt zu empfehlen. Trotz Casu Marzu. Wenn die Rohstoffe des Eilands, die Edelmetalle und das Menschenmaterial in vollem Umfang dem Ziel untergeordnet werden, dass der Gripen auch nach 18 Uhr die Schweizer Aussengrenze am Mittelmeer verteidigt, steht der Berner Weltherrschaft eigentlich nichts mehr im Wege.