Schweiz
Religion

Jüdische Gäste in Davos: Neuer Massnahmenkatalog für Integration

Davos verfasst Massnahmen-Plan für Integration von jüdischen Gästen

Eine extra einberufene Task-Force hat in Davos einen Massnahmenkatalog für den Umgang mit jüdischen Gästen erarbeitet. Das soll die Verständigung zwischen der Davoser Bevölkerung und internationalen Gästen fördern und gegenseitigen Respekt gewährleisten.
04.07.2024, 12:33
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Die Massnahmen seien eine Reaktion auf «Missverständnisse» zwischen den Bevölkerungsgruppen, schrieb die Task Force mit dem Namen «Verständigungsprozess in Davos» am Donnerstag in einer Mitteilung.

Zuletzt kam es im vergangenen Winter zu einem Eklat, als ein Bergrestaurant in Davos jüdischen Gästen keine Schneesportgeräte mehr vermieten wollte. Verschiedene «ärgerliche Vorfälle» hätten zum Vermietstopp geführt, hiess es damals in einem Schreiben in hebräischer Sprache, das beim Gasthaus aufgehängt war.

Die Reaktion des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) war scharf. Generalsekretär Jonathan Kreutner sprach von einem neuen «Level an Dreistigkeit» und kündigte rechtliche Schritte an.

Der SIG hatte auch andere Akteure in Davos kritisiert. So würden Hotels, Restaurants und Läden jüdische Gäste nicht willkommen heissen. Die lokale Tourismusorganisation habe gar ein gemeinsames Dialogprojekt auf Eis gelegt.

Neuer Anlauf

Nun sassen sich der SIG und die lokalen Vertreter erneut gegenüber. Die von einer externen Verhandlungsberatung geleitete Task Force einigte sich nun auf zehn Punkte, die die Integration jüdischer Gäste in Davos wieder garantieren sollen:

Während des Sommers wird eine Anlaufstelle für jüdische Gäste geschaffen, bei der Informationen und andere Dienstleistungen erhältlich sind. Die Stelle soll auch bei Konflikten vermitteln.

  • Rabbiner werden eingesetzt, um im Hintergrund eine beratende Rolle einzunehmen.
  • Ein Präventionsprojekt des SIG «Likrat Public» wird in Davos ausgebaut. Dabei gehen Vermittler aktiv auf Gäste und Einheimische zu.
  • Die Informationsmaterialien für Verhaltensregeln werden überarbeitet.
  • Bereits vor der Anreise sollen ausländische Gäste über die Regeln in der Schweiz informiert werden.
  • Mit historischen Arbeiten soll die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte vor Ort vertieft werden.
  • Der einheimischen Bevölkerung sollen mittels Anlässen unter anderem die Grenzen des Antisemitismus aufgezeigt werden.
  • Um Besucherüberlastungen vorzubeugen, wird ein Lenkungssystem erarbeitet und in den nächsten Jahren umgesetzt.
  • Die Tourismusbetriebe werden mittels neuen Leitlinien dazu angehalten, alle Gäste gleichzubehandeln.
  • Die Davos Destinations-Organisation übernimmt neu die Funktion einer Ombudsstelle.

Der Dialog zählt

Mögliche Konflikte sollen künftig mittels Dialog sofort gelöst werden, bevor sie ausarten, sagte der ehemalige Direktor der Destination Davos Klosters, Reto Branschi, im Gespräch mit Keystone-SDA.

Als Beispiel nannte er dazu Kleidervorschriften für verschiedene Aktivitäten. So könne statt eines Vermietstopps eine Bedingung ausgesprochen werden, die dann nicht diskriminierend wirkt.

Bei der Ausarbeitung der Massnahmen habe man zwar einige «harte aber auch konstruktive Diskussionen» geführt und sei nun sehr zuversichtlich, dass mit den Leitlinien künftigen Problemen vorgebeugt werden könne. Auch beim SIG sei man optimistisch, was die Wirkung der Massnahmen angehe, sagte Generalsekretär Jonathan Kreutner auf Anfrage.

Die Massnahmen werden nun im Sinne eines Pilotprojekts für die laufende Sommersaison umgesetzt. Dies sei auch die Zeit, in der erfahrungsgemäss Bedarf danach entsteht. Auch sei es denkbar, dass Erfahrungen aus dem Sommer auch in anderen Jahreszeiten hilfreich seien, sagte der Davoser Landammann Philipp Wilhelm zu Keystone-SDA. (sda)

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MacB
04.07.2024 15:07registriert Oktober 2015
Mit "normalen" Juden hat niemand ein Problem, das sind wunderbar angenehme Menschen und Touristen wie alle anderen auch. Kritisch sind Ultraorthodoxe. Hardliner, die (wie in allen Religionen am extremen Rand üblich) Andersgläubige oder Nichtgläubige als minderwertig betrachten. Dass sie sich dann entsprechend aufführen, ist selbsterklärend. Die Frage ist eher, wo darf Toleranz aufhören?
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tobianalogue
04.07.2024 13:29registriert Mai 2021
Ist ja alles gut und interessant, aber m.E. erfährt man zu wenig, was *konkret* denn zu Problemen geführt hat; d.h. welche Verhaltensweisen der Juden der lokalen Bevölkerung gegenüber und umgekehrt, oder welche Moralvorstellungen, etc.

Ich habe auch schon eher unangenehme Erfahrungen mit ultraordoxen Juden gemacht, wobei man aber schon sehen muss, dass diese innerhalb des Judentums eine sehr kleine Gruppierung darstellen.
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Latvietis1101
04.07.2024 15:59registriert Oktober 2023
Ein Gast muss sich grundsätzlich anpassen an die lokalen Gepflogenheiten oder hat das heutzutage keine Gültigkeit mehr?
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