Im Oblast Saporischschja tobten am Freitag heftige Kämpfe. Ukrainische Verbände versuchten, Schwachstellen in der russischen Defensive auszumachen und in Richtung Asowsches Meer vorzustossen. Die Lage ist momentan unübersichtlich, da die Nachrichten aufgrund der ukrainischen Informationssperre hauptsächlich aus russischen Quellen kommen.
Sicher scheint aber: Die ukrainische Gegenoffensive ist in eine neue Phase eingetreten. Denn an der Front wurden amerikanische Bradley-Panzer und deutsche Leopard-2-Panzer gesehen. Die neu vom Westen ausgerüsteten und trainierten Truppen beteiligen sich nun also auch am ukrainischen Rückeroberungsversuch.
2000 Kilometer westlich der Gefechte waren die Leopard-2-Panzer am Freitag ebenfalls Thema. Allerdings nicht im staubigen Schützengraben, sondern im sicheren Studio 8 des SRF Fernsehstudios. Zum Thema Neutralität und Waffenlieferungen hatte Moderator Mario Grossniklaus folgende Gäste in die «Arena» geladen:
Wie weit die Schweiz mit ihrer Unterstützung für die Ukraine gehen soll, ist ein umstrittenes Thema. Deshalb hat ein kürzlich gefällter Entscheid des Bundesrates für viele Diskussionen gesorgt. Und zwar unterstützt die Landesregierung die Rückgabe von 25 Leopard-2-Panzern an Deutschland.
Thomas Matter findet an diesem Entscheid gar keinen Gefallen. «Der Bundesrat hat zusammen mit dem Parlament beschlossen, dass wir die Verteidigungskraft und Kampfkraft der Armee erhöhen müssen. Und was machen wir? Wir verkaufen 25 Panzer. Das kann ja wohl nicht wahr sein!», schimpfte der SVP-Nationalrat am Freitagabend in der «Arena».
Der Markt für Kriegsmaterial sei momentan ausgetrocknet, in den nächsten zehn Jahren sei es «unmöglich» diese 25 Panzer zurückzukaufen, so Matter. «Es ist staatspolitisch grob fahrlässig, wenn wir in einer solchen Situation Panzer verkaufen an Deutschland, obwohl wir selbst drei Brigaden haben und nur eineinhalb davon mit Panzer besetzen können.»
Die Schweiz sei so indirekt an einer Waffenlieferung an die Ukraine beteiligt, so Matter. «Wir geben es den Deutschen, die haben ihre 25 Panzer bereits der Ukraine gegeben und nun wollen sie ihren eigenen Bestand wieder auffüllen. Das ist ein Buebetrickli, bei dem wir als Schweiz nicht mitmachen dürfen.»
Dass es dabei um ein «Buebetrickli» handelt, wollte Priska Seiler-Graf nicht in Abrede stellen. Stattdessen betonte sie, wie wichtig das «Signal» sei, das die Schweiz mit dem Rückverkauf gebe. «Staatspolitisch fahrlässig wäre es, wenn wir Deutschland diese 25 Panzer nicht geben würden. Das würde uns in unserem Ansehen schwächen», sagte die SP-Frau.
«Es ist wichtig, dass wir ein Signal senden und sagen: Wir machen mit, wir unterstützen euch.» Es sei eine gemeinsame und europäische Aufgabe, der Ukraine zu helfen, so Seiler-Graf. Die 25 Leopard-Panzer brauche die Schweiz gar nicht, das sage sogar die Schweizer Armee selber.
Matter wollte Seiler-Grafs Äusserungen nicht stehen lassen und konterte: «Der Krieg wird wegen dieser 25 Panzer nicht schneller beendet sein und es wird damit keinen Beitrag zum Frieden geleistet. Dabei müssen wir Schweizer doch einen Beitrag zum Frieden leisten und nicht noch indirekt Waffen liefern.»
Auch die Grüne Partei Schweiz tut sich schwer mit den indirekten Waffenlieferungen. Der Freiburger Grüne-Nationalrat will der Ukraine auf anderen Wegen helfen. Etwa mit humanitärer Hilfe und finanziellen Mitteln für den Wiederaufbau. Zu seinem Missfallen lehnte der Nationalrat diese Woche jedoch ein 5-Milliarden-Hilfspaket ab.
«Wir sind in einer anspruchsvollen Zeit, einen Beitrag zur Sicherheit und zum Wohlergehen der Menschen in Europa wird es nicht gratis geben», verteidigte Andrey das 5-Milliarden-Hilfspaket. Man habe den Vorstoss gemacht, da er pragmatisch sei und man damit wirklich etwas bewirken könne.
Der Grüne ärgerte sich über Josef Dittli und die FDP, die dem Hilfspaket ablehnend gegenüber stehen. Die Schweiz müsse sich finanziell viel substantieller engagieren, forderte Andrey, aber es gebe dabei ein Problem. «Denn von Josef Dittli höre ich, dass er zuerst genau wissen will, wie die Situation ist. Bitte sehr, die Situation ist glasklar.»
Dieser Angriff liess der Urner nicht auf sich sitzen. «Das ist eine totale Fantasiezahl, die Sie hier bringen», entgegnete Dittli. «Das ist total unseriöse Finanzpolitik.» Wenn man eine Autobahn- oder Zugstrecke finanzieren wolle, müsse man diese sauber projektieren, dann komme es in den Finanzplan und dann in ein Budget. «Und hier wollen wir einfach mal 5 Milliarden geben. Im Wahljahr ist das natürlich attraktiv.» Er sei auch dafür, dass man sich der Ukraine gegenüber erkenntlich zeige, so Dittli weiter. «Aber alles muss sauber erfasst, geplant und abgesprochen werden. Alles andere ist unseriös, Herr Andrey.»
Matter hatte weitere Einwände gegen die Finanzhilfen für den Wiederaufbau der Ukraine. Der SVP-Nationalrat sagte: «Wir wissen noch gar nicht, wie lange dieser Krieg noch dauert. Was machen wir, wenn die Russen den Krieg gewinnen? Zahlen wir dann den Russen diese Milliarden? Darum ist es absolut der falsche Zeitpunkt, darüber zu diskutieren.»
Der Freiburger blieb jedoch standhaft und brachte sogar eine Erhöhung der Steuern ins Spiel, damit die Schweiz die Ukraine finanziell unterstützen kann. «Wir können auch mal darüber reden, dass wir auch mehr einnehmen könnten. Über das sprechen wir ja nur sehr selten. Wir sind in der grössten Krise unserer Zeit. Wenn man jetzt sagt, das gebe es gratis, dann streut man den Leuten Sand ins Auge.» Die bürgerlichen Diskussionsteilnehmer lachten über diesen Vorschlag und rollten die Augen.
Dittli versuchte in der Folge Andrey zu beruhigen und meinte, dass er auch dafür sei, dass mehr für den Aufbau Ukraine gemacht werden solle. Aber das müsse alles in geordneten Bahnen laufen. «Der Bundesrat ist da übrigens gut unterwegs und braucht nicht noch das Parlament, das die ganze Welt verrückt macht.»
Ob auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zufrieden ist mit der Unterstützung der Schweiz, wird sich am kommenden Donnerstag zeigen, wenn er per Videoschalte zum Parlament spricht. Wahrscheinlich würde er zu einem weiteren «Buebetrickli» nicht Nein sagen.
Hält die Ukraine stand, ist das gut für Europa und für uns. Wir können nicht neutral sein. Wir sind Partei!