Schweiz
Review

SRF-Arena: Badran und Keller-Sutter geraten aneinander

SRF-Arena
Gerieten in der SRF-«Arena» aneinander: Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Nationalrätin Jacqueline Badran. Bild: screenshot srf
Review

Badrans Argumente lassen siegessichere Keller-Sutter kalt – «Arena» zur OECD-Mindeststeuer

Hitzig wurde in der «Abstimmungs-Arena» zur Mindeststeuer für Grosskonzerne diskutiert, wie es bei einem Nein weitergehen würde. Besonders Bundesrätin Karin Keller-Sutter und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran gerieten aneinander.
03.06.2023, 03:1503.06.2023, 13:10
Folge mir
Mehr «Schweiz»

«Profitiert die ganze Schweiz oder geht ein Grossteil leer aus?»

Eine treffende Frage, die SRF-Moderator Sandro Brotz zu Beginn der «Abstimmungs-Arena» über die OECD-Mindeststeuer stellte.

Es war das Streitthema in der Diskussionsrunde: die Auswirkungen der Mindestbesteuerung von Grosskonzernen. Während die Befürworter nur von Mehreinnahmen in Milliardenhöhe sprechen wollten, ging es bei den Gegnern vor allem um die für sie ungerechte Verteilung dieses Geldes.

Im Pro-Lager debattierten

  • Karin Keller-Sutter, FDP-Bundesrätin und Finanzministerin, St. Gallen
  • Jürg Grossen, GLP-Präsident und Nationalrat, Bern
  • Urs Martin, SVP-Regierungsrat, Thurgau

Und im Kontra-Lager

  • Jacqueline Badran, SP-Vizepräsidentin und Nationalrätin, Zürich
  • Daniel Lampart, Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)
  • Andreas Missbach, Geschäftsleiter Hilfswerk Alliance Sud

Umstrittene Auswirkungen

Die Auswirkung der OECD-Mindeststeuer für Grosskonzerne ist umstritten, das weiss auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter, als sie zu Sendebeginn im Kreuzverhör durch Moderator Sandro Brotz landet.

Er weist sie auf eine Studie des Forschungsbüros BSS im Auftrag der SP hin, welches zeigt, wie unterschiedlich die Kantone durch die OECD-Mindeststeuer profitieren. Der Bund rechne mit Mehreinnahmen von bis zu 2,5 Milliarden Franken – wovon 25 Prozent an den Bund gehen sollen und 75 Prozent an die Kantone. Einen genauen Verteilerschlüssel für die Kantone lieferte das Finanzdepartement (EFD) nicht.

Keller-Sutter: «Nicht die beste Hand»

Video: srf/Arena

Das EFD habe nicht immer das beste Händchen gehabt für Steuerschätzungen, erklärt die Finanzministerin darauf. Die gewünschten Zahlen könne man nicht liefern. Klar sei einzig, dass es Mehreinnahmen gebe.

Später betont Keller-Sutter, dass sich verschiedene Kantone von der BSS-Studie distanziert hätten. Und zum Verteilerschlüssel findet sie, es sei «müssig» darüber zu reden, wer genau wie viel bekomme.

Das ruft Jacqueline Badran auf den Plan, die zum Rundumschlag gegen die Finanzministerin ausholt. Sie bemängelt, dass es die Bundesverwaltung und die Kantonsverwaltungen nicht schaffen würden, eigene Zahlen zu liefern. Sie fände es zudem nicht müssig, sondern sehr berechtigt zu fragen: «Wie die Milliarden Franken an Mehreinnahmen im Land genau verteilt werden?»

Badran: «Bundesverwaltung kompensieren»

Video: srf/arena

Müssig sei für Badran, ob ein Zuger 1800 oder 1900 Franken pro Person erhalte, während ein Glarner 3 oder 7 Franken erhalte. «Das sind 180 Mal mehr in Zug als in Glarus, Thurgau oder in deinem St. Gallen», sagt sie in Richtung Karin Keller-Sutter.

«Wenn wir die Starken schwach machen, dann werden wir alle schwächer.»
Karin Keller-Sutter

Die Bundesrätin greift später in der Sendung nochmals das Thema auf und verteidigt die Mehreinnahmen einzelner Kantone mit dem Beispiel Basel-Stadt. Dieser Kanton stehe in internationaler Konkurrenz und müsse die «Möglichkeit» haben, die Mittel (Mehreinnahmen) für eine Verbesserung des Standortes einzusetzen.

Was sie daraufhin sagte, zeigt, weshalb sich Keller-Sutter aktuell keine Diskussion um eine andere Verteilung wünscht: «Wenn wir die starken (Kantone) schwach machen, dann werden wir alle schwächer. Wenn wir den starken (Kantonen) Möglichkeiten geben, profitieren wir alle davon.» Sofort betont sie danach aber noch, dass sie ebenfalls nicht für einen «Steuerwettbewerb» ohne Limite sei. «Dafür haben wir den Finanzausgleich». Ein Argument, das jedoch auch schon mehrfach infrage gestellt wurde.

Die OECD-Mindeststeuer erklärt in 100 Sekunden

Video: watson/Corsin Manser, Emily Engkent

Was bei einem Nein passiert

Ein Kanton, der laut BSS ebenfalls zu den Verlierern der OECD-Mindeststeuer gehören würde, ist das Thurgau. Von dort ins Leutschenbach gereist ist SVP-Regierungsrat und Finanzdirektor Urs Martin, der sich für ein Ja zur Vorlage einsetzt.

Martin erklärt, dass es zu unsicher sei, Berechnungen für einen Kanton zu präsentieren. Für ihn sei es zentral, dass das Gesetz zuerst überhaupt angenommen werde, bevor man über anderes spreche. Bei einem Nein gebe es ganz andere Herausforderungen.

«Wenn wir per 1. Januar 2024 kein Gesetz beschlossen haben, ist die Rechtsunsicherheit für Unternehmen viel schlimmer und Firmen könnten sich überlegen, sich ein anderes Land zu suchen», sagt der Thurgauer Finanzdirektor in Anspielung auf eine rückwirkende Gesetzesgebung.

Badran: «Völliger Quatsch»

Video: srf/Arena

SP-Nationalrätin Badran schüttelt nur den Kopf und sagt, es sei «grotesk», was sie sich schon wieder anhören müsse. Das Argument mit der Rechtsunsicherheit sei «völliger Quatsch». Für Badran ist klar: «Bei einem Nein kommt die Vorlage im September ins Parlament und im März können wir erneut darüber abstimmen, mit einer besseren Verteilung – damit auch Ihr Kanton Thurgau profitiert.» Dann werde es auch ein Ja geben.

Ein Volksnein werde man respektieren müssen, sagt Karin Keller-Sutter. Doch die Bundesrätin hält es für ein «ambitioniertes Ziel», bis im September etwas zu entscheiden. Im Notfall würde «ein Jahr verloren gehen» (in welchem das Ausland die Grossunternehmen auf die 15 Prozent besteuern kann). Sie selbst sehe es nicht ein, weshalb das so weit kommen solle. Denn die Verteilung (der Mehreinnahmen) sei bei einem Ja zur Vorlage nicht in der Verfassung festgeschrieben, weshalb diese zu einem späteren Zeitpunkt noch diskutiert werden könne.

Dieses Argument zieht jedoch bei Badran nicht. Sie habe realisiert, dass bei einem Ja zur Vorlage keine nachträgliche Änderung mehr passieren würde. Die Verteilung werde gleich bleiben. Denn, erklärt die SP-Vizepräsidentin: «Dann werden die Gegner wieder sagen, das Volk will es so, weil es Ja gestimmt hat.»

Länder des Südens vernachlässigt

Ein Nein zur Vorlage erhofft sich Andreas Missbach, Geschäftsleiter des Hilfswerks Alliance Sud, eine Vereinigung von NGOs wie Swissaid, Caritas oder Heks. Er möchte, dass die Länder des Südens von den Mehreinnahmen stärker profitieren. Diese Länder sind Teil der Debatte um die OECD-Mindeststeuer, da viele Grosskonzerne etwa in Afrika wirtschaften, aber in der Schweiz die Gewinne versteuern.

Video: srf/Arena

Dass sein Sitznachbar «Geld den Kantonen wegnehmen und nach Afrika schicken wolle», kann SVP-Regierungsrat Urs Martin nicht verstehen. Doch Missbach kontert: «Es geht nicht nur um den Kantonsteil, sondern auch den Bundesanteil.»

Zu Hilfe kommt ihm Jacqueline Badran, die das Thema beendet mit einer Klarstellung. «Es sind rund 200 Milliarden Dollar, die jedes Jahr aus Afrika als Steuersubstrat Richtung Norden abfliesst. Wer wem Geld wegnimmt, ist ein anderes Thema.»

Bonusmaterial: Warum die SP gegen die OECD-Vorlage ist

Alle, die trotzdem noch nicht verstanden haben, weshalb die SP gegen die OECD-Vorlage wirbt, für die hat Jacqueline Badran versucht, Klarheit zu schaffen. So auch bei SRF-Dompteur Sandro Brotz, der die SP-Vizepräsidentin fragte, ob die Partei im Wahljahr ihren Kompass verloren habe.

Badran erklärt, dass die «Unterbesteuerung von Konzernen die Überbesteuerung von natürlichen Personen» darstelle. Das sei eine Sauerei, so die Nationalrätin.

Warum SP für ein Nein ist

Video: srf/Arena

«Jetzt wollte man endlich sicherstellen, dass das Geld von den Konzernen wieder zurück zu normalen Leuten fliessen kann.» Stattdessen fliesse es nach Zug und werde dort für Vermögenssteuersenkungen gebraucht. «Also nicht mal in Zug ist es für die normalen Leute. Weshalb soll ich das gut finden?», so Badran.

Es war eine schwierige Aufgabe für Jacqueline Badran zu erklären, warum ihre Partei gegen diese Umsetzung einer Mindeststeuer für Grosskonzerne wirbt, obwohl sie generell für die Mindeststeuer für Grosskonzerne ist.

Auch nach der Sendung verweilte sie deshalb noch etwas bei den Studiozuschauern, um mit ihnen zu diskutieren.

Nicht so Bundesrätin Karin Keller-Sutter: Sie verliess das Leutschenbach im Eiltempo – und siegessicher.

Wie stimmst du zur OECD-Mindeststeuer ab?
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die OECD-Mindeststeuer erklärt in 100 Sekunden
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
162 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Foxtrott
03.06.2023 07:48registriert Oktober 2019
Ein absolutes No-Go. Das 75/25 Splitting ist ein Hohn. Die Bundeskasse braucht Geld z.B für die AHV. Somit ist für mich klar.
Es müssen mind. 50% der (Mehr) Einnahmen zweckgebunden an den Bund. Das ist mit der heutigen Vorlage nicht gewährleistet. Basel Stadt ist der 5.teuerste Steuerkanton für Arbeitnehmer.
Die werden davon nicht profitieren.
Also ablehnen und mit neuem Verteilschlüssel erneut vors Volk
16533
Melden
Zum Kommentar
avatar
Massalia
03.06.2023 08:28registriert Juni 2021
Typisch KKS/Bürgerliche. Kein Geld für die AHV aber dann fleissig Steuergeschenke für Unternehmen und Reiche verteilen.
5410
Melden
Zum Kommentar
avatar
[o.O]BOOMBOX ..
03.06.2023 08:54registriert Februar 2021
Als student der vollzeitstudiert, nebenbei noch 40% arbeitet seit 2 jahren kein freies wochenende mehr hatte und dessen einkommen nach der miete und Krankenkasse so gut wie aufgebraucht ist, bin aber schon wahnsinnig froh setzt sich die fdp für die armen leute im kanton zug ein. Die allianz aus fdp und svp mit dem offenen ziel die bürger auszunehmen und geld denn reichen zuzustecken, radikaliesiert mich langsam aber sicher.
5512
Melden
Zum Kommentar
162
Untersuchung entlastet UNRWA: Verändert sich so alles? Ein Überblick
Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA sei von Hamas-Terroristen infiltriert, behauptete Israel im Januar. Viele Staaten, auch die Schweiz, setzten ihre Hilfszahlungen daraufhin aus. Nun hat eine unabhängige Untersuchung keine Belege für Israels Anschuldigungen finden können. Was bedeutet dieses Resultat? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Anfang Jahr forderte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass die Vereinten Nationen (UN) das Mandat des Palästinenserhilfswerks UNRWA beendet. Gemäss Israel sei die Organisation von Hamas-Terroristen unterwandert. Ihr Geheimdienst habe Belege, die beweisen würden, dass zwölf UNRWA-Mitarbeitenden sich aktiv am terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt zu haben.

Zur Story