Die Schweizer Politik hatte soeben drei spannende Wochen hinter sich: Nationalrätinnen und Ständeräte trafen sich im Bundeshaus, das ganze Land diskutierte über mögliche Lockerungen bei den Corona-Massnahmen. Und ja, es wurden auch andere wichtige Themen angegangen: Die AHV-Reform.
«Arena»-Moderator Sandro Brotz wagte sich deshalb an einen Versuch: Warum nicht beide Schwerpunkte in eine Sendung packen und daraus eine Präsidentinnen- und Präsidentenrunde machen? Das Experiment klappte zumindest in den Grundzügen: Alle Gäste kamen ins Studio beim Zürcher Leutschenbach. Teilweise mit Koffern beladen, weil sie nach der «Arena» das vertraute Heim nach mehrtägigen Parlamentssitzungstagen sehen konnten – oder in die wohlverdienten Ferien gehen wollten.
Gehen wir kurz durch die Gästeliste, um uns wieder daran zu erinnern, wer die Chefinnen und Chefs der Parteien sind:
Brotz' Team organisierte die Debatte in zwei Blöcken. Zuerst wurden die jüngsten Bundesratsentscheide zur Corona-Pandemie analysiert. Der Moderator stellte jedem einzelnen Gast eine Suggestivfrage, was er oder sie nun von dieser Lockerungs-Warterei halte. Die Antworten dazu zeigten auf, wie einfach berechenbar die Schweizer Politik wieder geworden ist.
Vor einem Jahr überraschten die Parteichefs mit Einigkeit. In der gestrigen «Arena» verfielen sie aber wieder in ihre alten Muster. Beispielhaft war dafür das erste Gespräch zwischen Brotz und dem SVP-Präsidenten: «Marco Chiesa, in der Regel findet die SVP selten etwas gut, was der Bundesrat in Sachen Corona publiziert. Finden Sie heute ausnahmsweise etwas gut?» Chiesa fand nicht's gut.
Im gleichen Schema lief es zwischen Brotz und der SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer ab. «Mattea Meyer, Sie finden meistens gut, was der Bundesrat in Sachen Corona kommuniziert. Vor allem, wenn es um Gesundheitsminister Alain Berset geht. Ist das heute ein guter Tag?» Nein, war es nicht. Auch sie hätte sich Lockerungen gewünscht und sei «müde». Aber es gehe wegen den epidemiologischen Daten nicht anders.
FDP-Chefin Petra Gössi beschwerte sich darüber, dass der Bundesrat nichts von der FDP-Ausstiegsstrategie wissen wollte. «Mitte»-Präsident Gerhard Pfister betonte, dass man in einer Pandemie nie zufrieden sein könne. Balthasar Glättli machte Hoffnungen auf einen tollen Sommer, wenn man sich jetzt noch ein bisschen länger einschränkt.
Spannend waren einzig Jürg Grossens (GLP) Ausführungen, der einen Erklärungsansatz für die heute verbreitete Frustration lieferte: «Wir haben es selbstverschuldet. In den letzten Wochen wurde viel Lärm gemacht um Öffnungen, in der Bevölkerung wurde Unmut geschürt. Das führte dazu, dass die Massnahmen nicht mehr sehr akzeptiert werden»
Nachdem Einigkeiten, Uneinigkeiten und Vorwürfe ausgetauscht wurden, wurde der leidigen «Diktatur»-Kampagne der SVP wieder Sendezeit geboten. Brotz zeigte einen Ausschnitt von Magdalena Martullos Auftritt, in dem sie der Schweiz eine Diktatur herbeidichtete.
«Mitte»-Mann Gerhard Pfister bewies sich in diesem Sendungsblock als fairer und scharfzüngiger Analytiker. Er kenne Chiesa gut genug, um zu wissen, dass er nichts dafür könne, wenn seine Parteimitglieder solche Worte in den Mund nehmen. «Aber dass man das Wort Diktatur gegen den Bundesrat verwendet, heisst dann eigentlich, dass man sich gegen die Massnahmen, die rechtens sind – notfalls mit Gewalt zur Wehr setzt.»
Pfister warnte, dass das Folgen haben könne und sich auf den Politstil auswirke: «Das träufelt Gift in die Gesellschaft!» Die anderen Parteivertreter taten es ihm gleich. Meyer erklärte etwa dem SVP-Chef: «Kollege Chiesa, wenn wir wirklich in einer Diktatur leben würden, könnten Sie diese Äusserungen nicht machen, Sie wären im Gefängnis. Diese Aussage verhöhnt Millionen von Menschen, die wirklich in einer Diktatur leben!»
Brotz Versuch, zwei politische Grossthemen in eine Sendung zu packen, lieferte zwar dem politinteressierten Publikum eine 75-minütige Debatte mit hoher Inhaltsdichte. Die Gäste waren hochkarätig, sie lieferten teilweise gute Erklärungen zu AHV und Corona. Minuspunkte gibt's für Brotz trotzdem: Der Themenwechsel war schlicht zu abrupt.
Von der Diktaturdebatte ging's praktisch innerhalb von wenigen Sekunden zu einer Flut an Frankenbeträgen, Jahreszahlen, Prozentwerte und Grundsatzvoten.
Mitschuldig daran war die FDP-Chefin Gössi. Sie verpackte in einem einzigen Votum ein halbes Dutzend Zahlen, Begriffe wie «Trapezmodell», Bedenken und Hoffnungen – so dass man am Ende nur wusste: Sie will unbedingt jetzt ein Mini-Reförmchen bei der AHV. Um langfristige Reformen könnten sich dann andere kümmern.
Exponieren konnte sich auch hier wieder Gerhard Pfister von der «Mitte». Er führte aus, dass die jetzigen ständerätlichen Reformvorschläge scheitern könnten, weil sie noch zu wenig sozial ausgewogen seien. Diese Kritik galt unausgesprochen auch seiner eigenen Partei, die im Ständerat die meisten Vertreter stellt. Zustimmung gabs bei der sozialen Frage von der Linken: Meyer warnte davor, dass «einmal mehr die Frauen» für eine AHV-Reform bezahlen würden.
Massnahmen akzeptieren -- Disziplin bleibt erhalten -- Zahlen sinken -- Lockerungen werden möglich.
Ist das so schwierig zu verstehen?
Dieses ständige Behördenbashing. Mit dem Ziel, die Stammtische abzuholen, somit die Wählerbasis zu erhalten um ihre wahre Agenda durch das Parlament zu peitschen.
Nämlich den Reichen und Vermögenden zudienen, zweifelhafte Leute und Firmen ins Land zu locken...
@SP
Euch muss man vorwerfen, dass ihr genau diese Tatsache nicht besser aufzeigt. Bzw, ihr zeigt es auf, aber niemand registriert es.
Die SP wäre im Prinzip eine 20% - Partei.
@SVP - Wähler
Die Hälfte von euch hat doch 0 Ahnung, für was die SVP steht.