Schweiz
Review

SRF Arena: Pfister rüffelt SVP wegen «Diktatur»

Review

Pfister schimpft mit SVP-Chef in der «Arena»: «Das träufelt Gift in die Gesellschaft!»

Die «Arena» widmete sich dem Corona-Entscheid des Bundesrats und der AHV-Reform. Herausgestochen ist vor allem einer: «Mitte»-Präsident Gerhard Pfister.
20.03.2021, 05:3920.03.2021, 06:11
Mehr «Schweiz»

Die Schweizer Politik hatte soeben drei spannende Wochen hinter sich: Nationalrätinnen und Ständeräte trafen sich im Bundeshaus, das ganze Land diskutierte über mögliche Lockerungen bei den Corona-Massnahmen. Und ja, es wurden auch andere wichtige Themen angegangen: Die AHV-Reform.

«Arena»-Moderator Sandro Brotz wagte sich deshalb an einen Versuch: Warum nicht beide Schwerpunkte in eine Sendung packen und daraus eine Präsidentinnen- und Präsidentenrunde machen? Das Experiment klappte zumindest in den Grundzügen: Alle Gäste kamen ins Studio beim Zürcher Leutschenbach. Teilweise mit Koffern beladen, weil sie nach der «Arena» das vertraute Heim nach mehrtägigen Parlamentssitzungstagen sehen konnten – oder in die wohlverdienten Ferien gehen wollten.

Gehen wir kurz durch die Gästeliste, um uns wieder daran zu erinnern, wer die Chefinnen und Chefs der Parteien sind:

  • Mattea Meyer, Co-Präsidentin SP
  • Petra Gössi, Parteipräsidentin FDP
  • Gerhard Pfister, Parteipräsident «Die Mitte»
  • Marco Chiesa, Parteipräsident SVP
  • Balthasar Glättli, Parteipräsident Grüne
  • Jürg Grossen, Parteipräsident GLP

Diskussion nach Bundesratsentscheid

Brotz' Team organisierte die Debatte in zwei Blöcken. Zuerst wurden die jüngsten Bundesratsentscheide zur Corona-Pandemie analysiert. Der Moderator stellte jedem einzelnen Gast eine Suggestivfrage, was er oder sie nun von dieser Lockerungs-Warterei halte. Die Antworten dazu zeigten auf, wie einfach berechenbar die Schweizer Politik wieder geworden ist.

Vor einem Jahr überraschten die Parteichefs mit Einigkeit. In der gestrigen «Arena» verfielen sie aber wieder in ihre alten Muster. Beispielhaft war dafür das erste Gespräch zwischen Brotz und dem SVP-Präsidenten: «Marco Chiesa, in der Regel findet die SVP selten etwas gut, was der Bundesrat in Sachen Corona publiziert. Finden Sie heute ausnahmsweise etwas gut?» Chiesa fand nicht's gut.

Video: srf

Im gleichen Schema lief es zwischen Brotz und der SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer ab. «Mattea Meyer, Sie finden meistens gut, was der Bundesrat in Sachen Corona kommuniziert. Vor allem, wenn es um Gesundheitsminister Alain Berset geht. Ist das heute ein guter Tag?» Nein, war es nicht. Auch sie hätte sich Lockerungen gewünscht und sei «müde». Aber es gehe wegen den epidemiologischen Daten nicht anders.

FDP-Chefin Petra Gössi beschwerte sich darüber, dass der Bundesrat nichts von der FDP-Ausstiegsstrategie wissen wollte. «Mitte»-Präsident Gerhard Pfister betonte, dass man in einer Pandemie nie zufrieden sein könne. Balthasar Glättli machte Hoffnungen auf einen tollen Sommer, wenn man sich jetzt noch ein bisschen länger einschränkt.

Spannend waren einzig Jürg Grossens (GLP) Ausführungen, der einen Erklärungsansatz für die heute verbreitete Frustration lieferte: «Wir haben es selbstverschuldet. In den letzten Wochen wurde viel Lärm gemacht um Öffnungen, in der Bevölkerung wurde Unmut geschürt. Das führte dazu, dass die Massnahmen nicht mehr sehr akzeptiert werden»

Video: srf

Alle gegen Martullo und Co.

Nachdem Einigkeiten, Uneinigkeiten und Vorwürfe ausgetauscht wurden, wurde der leidigen «Diktatur»-Kampagne der SVP wieder Sendezeit geboten. Brotz zeigte einen Ausschnitt von Magdalena Martullos Auftritt, in dem sie der Schweiz eine Diktatur herbeidichtete.

«Mitte»-Mann Gerhard Pfister bewies sich in diesem Sendungsblock als fairer und scharfzüngiger Analytiker. Er kenne Chiesa gut genug, um zu wissen, dass er nichts dafür könne, wenn seine Parteimitglieder solche Worte in den Mund nehmen. «Aber dass man das Wort Diktatur gegen den Bundesrat verwendet, heisst dann eigentlich, dass man sich gegen die Massnahmen, die rechtens sind – notfalls mit Gewalt zur Wehr setzt.»

Video: srf

Pfister warnte, dass das Folgen haben könne und sich auf den Politstil auswirke: «Das träufelt Gift in die Gesellschaft!» Die anderen Parteivertreter taten es ihm gleich. Meyer erklärte etwa dem SVP-Chef: «Kollege Chiesa, wenn wir wirklich in einer Diktatur leben würden, könnten Sie diese Äusserungen nicht machen, Sie wären im Gefängnis. Diese Aussage verhöhnt Millionen von Menschen, die wirklich in einer Diktatur leben!»

Petra Gössi präsentiert sich als Mini-Reformerin

Brotz Versuch, zwei politische Grossthemen in eine Sendung zu packen, lieferte zwar dem politinteressierten Publikum eine 75-minütige Debatte mit hoher Inhaltsdichte. Die Gäste waren hochkarätig, sie lieferten teilweise gute Erklärungen zu AHV und Corona. Minuspunkte gibt's für Brotz trotzdem: Der Themenwechsel war schlicht zu abrupt.

Von der Diktaturdebatte ging's praktisch innerhalb von wenigen Sekunden zu einer Flut an Frankenbeträgen, Jahreszahlen, Prozentwerte und Grundsatzvoten.

Video: srf

Mitschuldig daran war die FDP-Chefin Gössi. Sie verpackte in einem einzigen Votum ein halbes Dutzend Zahlen, Begriffe wie «Trapezmodell», Bedenken und Hoffnungen – so dass man am Ende nur wusste: Sie will unbedingt jetzt ein Mini-Reförmchen bei der AHV. Um langfristige Reformen könnten sich dann andere kümmern.

«Was dann in neun Jahren ist und wie die Vorlage dann aussehen soll, darüber können dann andere sprechen.»

Exponieren konnte sich auch hier wieder Gerhard Pfister von der «Mitte». Er führte aus, dass die jetzigen ständerätlichen Reformvorschläge scheitern könnten, weil sie noch zu wenig sozial ausgewogen seien. Diese Kritik galt unausgesprochen auch seiner eigenen Partei, die im Ständerat die meisten Vertreter stellt. Zustimmung gabs bei der sozialen Frage von der Linken: Meyer warnte davor, dass «einmal mehr die Frauen» für eine AHV-Reform bezahlen würden.

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ein paar schöne Bilder vom Bundeshaus in Bern
1 / 17
Ein paar schöne Bilder vom Bundeshaus in Bern
quelle: keystone / gaetan bally
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
83 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Linus Luchs
20.03.2021 06:22registriert Juli 2014
Gegen Massnahmen poltern -- Disziplin geht verloren -- Zahlen steigen -- Lockerungen werden unmöglich.

Massnahmen akzeptieren -- Disziplin bleibt erhalten -- Zahlen sinken -- Lockerungen werden möglich.

Ist das so schwierig zu verstehen?
71895
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
20.03.2021 07:38registriert August 2018
Mich langweilen SVP - Vertreter.

Dieses ständige Behördenbashing. Mit dem Ziel, die Stammtische abzuholen, somit die Wählerbasis zu erhalten um ihre wahre Agenda durch das Parlament zu peitschen.

Nämlich den Reichen und Vermögenden zudienen, zweifelhafte Leute und Firmen ins Land zu locken...


@SP

Euch muss man vorwerfen, dass ihr genau diese Tatsache nicht besser aufzeigt. Bzw, ihr zeigt es auf, aber niemand registriert es.

Die SP wäre im Prinzip eine 20% - Partei.


@SVP - Wähler

Die Hälfte von euch hat doch 0 Ahnung, für was die SVP steht.
42261
Melden
Zum Kommentar
avatar
maruhu
20.03.2021 08:12registriert Januar 2021
Solange in dieser Pandemiezeit von Seiten der SVP praktisch nur Polarisierungs-/Parteipolitik und persönliche Verunglimpfungen praktiziert wird, kommen wir nicht weiter. Herr Chiesa sollte sich besser für Ordnung/Anstand in seiner "Partei" einsetzen, statt mit diesen unfähigen NR mit zu kläffen.
31833
Melden
Zum Kommentar
83
Kanton Bern will am Thunersee bis zu 100 Kormorane abschiessen

Um die Äschenlaichgebiete bei der Schadau in Thun zu schützen, will der Kanton Bern in den nächsten Jahren bis zu 100 Kormorane abschiessen. Das hat er im Amtsblatt des Kantons Bern mitgeteilt.

Zur Story