Übersetzung
Dieser Text wurde von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie geschrieben, wir haben ihn für euch übersetzt.
In der Nacht auf Sonntag floh in Lausanne ein 17-Jähriger auf einem Roller vor einer Polizeipatrouille. Das Fahrzeug, nach Angaben der Behörden gestohlen, prallte in eine Mauer. Trotz des Einsatzes der Rettungskräfte starb der Jugendliche noch am Unfallort.
Die Waadtländer Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eröffnet. Unter Lausanner Jugendlichen machte sich Wut breit, im Quartier Prélaz kam es kurz nach dem Unfall zu Spannungen.
Aber was geht im Kopf eines Jugendlichen auf einem Roller vor, wenn er die Polizei sieht und die Flucht ergreift? Julien* (Name geändert), damals 18, hat ebenfalls versucht, auf einem Roller zu fliehen. Er erzählt, was ihm in dem Moment durch den Kopf ging, als er beschleunigte – ungeachtet der Gefahr.
Es war an einer Geburtstagsparty, im Keller des Hauses eines Freundes. Ich war mit dem Roller gekommen, ohne mir zu überlegen, wie ich später nach Hause komme. Der Alkohol floss in Strömen.
Gegen drei Uhr morgens begannen die Leute aufzubrechen. Eine Freundin – wohl die Einzige, die noch in der Lage war, zu kapieren, was los war – nahm mir die Schlüssel ab. Auch betrunken wollte ich nicht ohne meinen Roller nach Hause fahren. Ohne Roller heimzukommen, wäre für meine Eltern am nächsten Morgen der Beweis gewesen, dass ich tatsächlich zu viel getrunken hatte.
Zurück in der Strasse, in der ich den Roller ein paar Stunden zuvor abgestellt hatte, drehte ich – trotz meines Zustands – den Schlüssel und startete den Motor. Die Strasse war leer. Ich dachte, mir kann nichts passieren. Nur: Ich fuhr entgegen der Fahrtrichtung. Und mir kam ein Polizeiauto entgegen. Ich wusste sofort, dass ich in der Scheisse steckte.
Während die Polizei wendete, bog ich in eine kleine Strasse in einem Wohnquartier ab und stellte dort meinen Roller ab. Ich wollte es so aussehen lassen, als wäre der Roller schon immer hier gestanden – oder als wäre es einfach ein anderer. Hinter den Häusern begann ein Stück Wald mit Büschen. Das schien der ideale Ort, um zu verschwinden. Also legte ich mich dort hin und betete, dass die Polizei weiterzieht.
Ich hörte die Sirenen, das Bellen der Hunde. Mir war klar, dass sie die Umgebung absuchten. Trotzdem hat mich niemand gefunden. Keine Ahnung, wie lange ich dort lag – lang genug, um innerlich einzuknicken und nur noch nach Hause zu wollen.
In diesem Moment merkte ich, dass ich meinen Rucksack nicht mehr hatte. Wie ein Idiot hatte ich ihn auf dem Roller liegen lassen – samt Portemonnaie, in dem die Polizei problemlos meine ID hätte finden können! Na ja, Zugriff hatten sie so oder so – über mein Kontrollschild …
Dieser Text wurde von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie geschrieben, wir haben ihn für euch übersetzt.
Ich kam aus meinem Versteck, mir war klar, dass ich viel riskierte, aber ich dachte: «Egal, wenn ich auf die Polizei treffe, sage ich die Wahrheit.» Das liess nicht lange auf sich warten. Sie stoppten mich und liessen mich ins Röhrchen blasen. Stunden nach dem Partyende lag ich noch deutlich über der Grenze …
Meine Eltern holten mich am nächsten Tag auf dem Posten ab. Sie hielten mir eine ordentliche Standpauke – allen voran meine Mutter, die mitten in der Nacht von einem Anruf der Polizei geweckt worden war: Die hatte meinen verlassenen Roller samt Rucksack gefunden, während Beamte im Quartier nach mir suchten.
Ich war Student, ohne Einkommen. Es gab einen dreimonatigen Entzug des Führerausweises, eine Busse von 300 Franken sowie eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Franken mit einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu kamen Verfahrenskosten von knapp 2000 Franken, der Polizeieinsatz (rund 250 Franken) sowie die Abschleppkosten.
Zu diesem Zeitpunkt war mir die Tragweite meines Handelns nicht bewusst: Alkohol, Polizei, Hunde … Ich war nur auf die Flucht fixiert, damit sie mich nicht erwischen. Es war ein Reflex.