Tag für Tag reisten vergangenes Jahr fast 32'000 Menschen mit einem Fernverkehrs-Zug ins Ausland oder vom Ausland in die Schweiz. In den vergangenen Jahren stieg diese Zahl stetig auf zuletzt 11,6 Millionen pro Jahr. Der «kleine Grenzverkehr» von Pendlern oder Einkaufstouristen ist darin nicht berücksichtigt. Doch was nach viel tönt, ist im Vergleich zum Flugzeug wenig: So fliegen fast 45 Millionen Menschen jährlich zwischen der Schweiz und europäischen Ländern hin und her.
In diesem Vergleich ohne die Autofahrten kommt die Bahn auf einen Anteil von 21 Prozent, der Flugverkehr auf einen von 79 Prozent. Das soll sich ändern, findet Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer. Mit einer diese Woche eingereichten Motion, die von 24 Ratsmitgliedern unterzeichnet wurde, fordert sie den Bundesrat auf, eine Strategie zur Erhöhung des Marktanteils der Bahn zu erarbeiten. Er soll bei Reisen zwischen der Schweiz und Destinationen innerhalb Europas bis ins Jahr 2035 auf 30 Prozent erhöht werden.
Der Bundesrat soll aufzeigen, welche Rolle die SBB und andere Unternehmen dabei haben könnten und wie Förderungsmöglichkeiten die Strategie unterstützen könnten. Dabei spielt Brenzikofer auf das CO2-Gesetz an, mit welchem der Bund eine Anschubfinanzierung etwa für Nachtzüge leisten kann.
Die ungebremste Zunahme des Flugverkehrs stehe in direktem Widerspruch zu den Klimazielen der Schweiz, argumentiert Brenzikofer. Die Passagierzahlen der Fliegerei haben sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdoppelt. Würde die Bahn ihr Anteile abnehmen, wären weniger Emissionen die Folge.
Doch ist eine derart starke Steigerung des Marktanteils für die Eisenbahn in den nächsten Jahren überhaupt machbar? Je nach Sichtweise ist das Glas halb voll oder halb leer. So wurde das Angebot in den vergangenen Jahren zum Teil stark ausgebaut. Die SBB führten in Zusammenarbeit mit europäischen Partnerbahnen einen neuen Nachtzug nach Amsterdam ein, bauten das Angebot zwischen Zürich und München, auf der Gotthard-Achse nach Italien oder in Richtung Paris aus.
Gleichzeitig wird der internationale Bahnverkehr immer wieder von Baustellen, Unwillen der ausländischen Partner oder einem instabilen Betrieb ausgebremst. Auf der Simplon-Achse musste das Angebot nach Italien wegen Bauarbeiten reduziert werden. Zwischen Zürich und Stuttgart fährt kaum je ein Zug mehr pünktlich, seit die Deutsche Bahn vor wenigen Wochen auf neues Rollmaterial umgestellt hat. Der neue Direktzug von Zürich nach Livorno kann wegen Problemen auf der italienischen Seite doch nicht wie geplant Ende Jahr eingeführt werden, und viele Nachtzüge fallen durch Ausfälle und veraltetes Rollmaterial auf.
Hinzu kommt: Gerade dort, wo das Potenzial besonders gross ist, kommen Reisende mit der Bahn nur umständlich hin. Etwa ein Zehntel aller Abflüge aus der Schweiz nach Europa geht nach London. Eine Direktverbindung dorthin ist zwar seit einigen Monaten immer wieder ein Thema. So hat Bundesrat Albert Rösti kürzlich eine Absichtserklärung zu einer solchen Verbindung mit seiner britischen Amtskollegin unterzeichnet. Auch SBB-Chef Vincent Ducrot kündigte Verbindungen nach London an, die Bahnfirma Eurostar stellte kürzlich einen Direktzug nach Genf in Aussicht. Doch eine Realisierung ist selbst im besten Fall kaum vor 2030 denkbar.
Ab dem Flughafen Zürich sind die Städte Berlin und Amsterdam die am zweit- und drittmeisten nachgefragten Destinationen. Doch die Bahnverbindungen dorthin sind gegenüber dem Flugzeug kaum konkurrenzfähig: Die ICE-Züge von Zürich nach Berlin benötigen im neuen Fahrplan ab Mitte Dezember fast 9 Stunden, derzeit sogar noch länger. Zudem sind die Züge aus Deutschland so oft verspätet, dass sie in Gegenrichtung nicht selten nur bis Basel fahren. Nach Amsterdam fährt tagsüber seit einem Jahr gar kein Direktzug mehr aus der Schweiz, sondern nur noch ein Nachtzug.
Die Interessensgemeinschaft öffentlicher Verkehr (IGöV), deren Präsidentin Florence Brenzikofer ist, will nun von Albert Rösti, dass dieser sich stärker für bessere Rahmenbedingungen einsetzt. So steht es in einer Resolution, welche die Hauptversammlung am Samstag angenommen hat.
Neben einer Strategie zur Erhöhung des Marktanteils der Schiene und dem Sprechen von Fördergeldern im Rahmen des CO2-Gesetzes fordert die IGöV konkrete neue Verbindungen, etwa einen Nachtzug von Basel via Kopenhagen nach Malmö. Damit rennt sie bei den SBB offene Türen ein: Zumindest saisonal ist eine solche Verbindung ab nächstem Frühling geplant.
Daneben will die IGöV, dass neue Direktzüge von Genf nach Barcelona, von Genf nach Nizza, von Zürich nach Rom und von Zürich, Basel und Genf nach London eingeführt werden. Zudem soll die Direktverbindung Basel-Brüssel, die bis 2016 bestand, wieder aktiviert werden. Auf bestehenden Linien etwa von Basel nach Mailand soll das Angebot ausgebaut werden.
Die SBB wollen sich zu den politischen Forderungen noch nicht äussern. Generell aber sei der internationale Personenverkehr für die Bahn von hoher Bedeutung, sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Die SBB würden eine steigende Nachfrage registrieren und arbeiteten «intensiv» daran, das Angebot auszubauen.
Aber direkte Züge an Paris vorbei nach Lille Europe wären was.
Mehr Züge nach München, diese noch beschleunigen damit die Fahrzeit näher an 3 Std rückt. Von dort mit einem ICE-Sprinter nach Berlin ist schneller als via Rheintal, Frankfurt.
Schnellere Verbindungen nach Mailand, dort kann man auf die Frecce umsteigen