Der Riecher der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zahlt sich zunehmend aus: Die Klimadebatte beschert ihren internationalen Nachtzügen wachsenden Zulauf. Besonders gerne fahren Schweizer mit. Trotzdem verzichten die SBB vorerst auf die Wiedereinführung eigener internationaler Nachtverbindungen.
«Unser Zug ist ziemlich gut belegt heute», stellt Zugchef Haytham Mohamed an einem Sonntagabend im Februar zufrieden fest. Der «Nightjet» steht im Hauptbahnhof Zürich und verlässt den zweitgrössten Nachtzug-Hub nach Wien bald in Richtung Salzburg und österreichischer Hauptstadt. Rund zehn Stunden und 13 Zwischenhalte später wird er dort eintreffen.
Die Zugskomposition umfasst sowohl Schlaf- wie Liege und Sitzwagen. Das günstigste Sitzplatz-Billett gibt es für 29 Euro. Am anderen Ende der Preis-Skala für rund 270 Euro die Deluxe-Schlafwagen-Variante, in der es neben Betten auch eine Toilette und Dusche gibt, dies allerdings nicht auf allen Strecken.
Womit wir bei einem der stärksten Verkaufsargumente für den Nachtzug wären: «Wer im Nachtzug schläft, kommt am nächsten Morgen ausgeruht an und spart eine Übernachtung im Hotel», sagt ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder. Liegewagen haben die beste Auslastung und werden oft schon Wochen im Voraus reserviert. Ab Schweizer Bahnhöfen gibt es derzeit elf Nachtzüge.
Lanciert haben die ÖBB die Marke «Nightjet» im Jahr 2016. Damals hatten die ÖBB fast die Hälfte des Angebots der Deutschen Bahn (DB) übernommen. Die DB ihrerseits stellte ihre Nachtzüge aus wirtschaftlichen Gründen komplett ein. In der Schweiz entschieden die SBB bereits 2009, wegen ungenügender Nachfrage ganz auf die Nachtzüge zu verzichten.
Unterdessen hat der Wind gedreht, wie Rieder erfreut feststellt: «Wegen der Diskussionen um den Klimawandel sehen wir in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs an Fahrgästen in ganz Europa, besonders aber auch in der Schweiz.» Der Nachtzug sei heute sehr oft eine Alternative zum Flugzeug. Die bestnachgefragten Verbindungen des «Nightjet» seien die Verbindungen ab Zürich.
Den Umschwung respektive Gesinnungswandel hat man auch bei den SBB zur Kenntnis genommen. Trotzdem: «Für den Moment haben die SBB nicht im Sinn, Nachtzüge wieder einzuführen», sagt SBB-Mediensprecherin Ottavia Masserini. Man habe jedoch die Kooperation mit den ÖBB verstärkt, und werde dies auch weiterhin tun. So verfolgen die SBB im internationalen Bahnverkehr eine Kooperationsstrategie und haben ihr Angebot in den letzten Jahren zusammen mit Partnerbahnen ausgebaut.
Bereits vereinbart und in Vorbereitung befindet sich der Angebotsausbau des EuroCity (EC) zwischen Zürich, Bregenz und München, der ab Dezember 2020 auf täglich sechs Verbindungen pro Richtung ausgebaut wird. Zur Entwicklung des gemeinsamen Nachtzugverkehrs wurden folgende Massnahmen vereinbart: Bei bereits heute angebotenen Verbindungen – insbesondere zwischen Zürich–Basel und Berlin sowie Hamburg – wird eine Kapazitätserweiterung geprüft. Diese Nightjet-Verbindungen haben aufgrund der hohen Nachfragesteigerungen ihre Kapazitätsgrenzen erreicht.
Für das aktuell nur aus Schlafwagen bestehende Angebot zwischen Zürich und Prag soll gemeinsam mit der Tschechischen Bahn (CD) die Möglichkeit einer Ausweitung des Angebotes mit zusätzlichen Liegewagen geprüft werden. Ausserdem streben beide Kooperationspartner an, weitere noch gemeinsam zu bestimmende europäische Städte in das gemeinsame Nightjet-Netz aufzunehmen und mit der Schweiz zu verbinden. Gemeinsam wollen sich SBB und ÖBB zudem für bessere verkehrspolitische Rahmenbedingungen für den Betrieb von Nachtzügen einsetzen, zum Beispiel über die finanzielle Förderung der Nachtzüge mit CO2-Abgaben sowie über eine Entlastung bei den anfallenden Betriebskosten wie Trassennutzungsgebühren.
Der Anstoss für eine allfällige Wiedereinführung der Nachtzüge muss laut Masserini allerdings von anderswoher erfolgen: «Sollte der Auftrag aus der Politik allerdings kommen, die Nachtzüge wieder einzuführen, und das entsprechende Budget zur Verfügung gestellt werden, dann schauen wir das selbstverständlich nochmals an.»
Erster Staatsbesuch mit @unsereOEBB Nightjet Anreise: Herzlich Willkommen Frau Bundespräsidentin Sommaruga (CH) in Wien #nightjet #oebb #sbb #schweiz #staatsbesuch #sommaruga pic.twitter.com/JlFIEle4a9
— Sven Pöllauer (@svenPoe) January 30, 2020
Solange fahren die Schweizerinnen und Schweizer noch auf österreichische Nachtzüge ab. Wie Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Ihre erste Reise als Bundespräsidentin führte sie Ende Januar nach Wien – im Nachtzug. (sda/pit/dhr)
*Die ursprüngliche Version dieses Artikels wurde mit Angaben aus einer SBB-Medienmitteilung ergänzt.
Die europäischen Bahnen sind schon genug zersplittert.
Von dem her sollte es nicht darum gehen, dass es extra SBB-Nachtzüge geben sollte, sondern dass die Nachtzüge generell unterstützt werden, egal ob von ÖBB oder SBB oder wem auch immer.