Der Baustoff Asbest ist lebensgefährlich. Wer die Fasern einatmet, kann an Krebs erkranken. Jährlich sterben laut Suva 150 Menschen an den Langzeitfolgen- obwohl die Schweiz Asbest 1990 verboten hat.
Auch die SBB beschäftigt das einst als «Wundermittel» gefeierte Industriematerial nach wie vor. Denn auf Schweizer Schienen sind weiterhin Züge mit Baujahr vor 1990 unterwegs. Darin ist teilweise Asbest verbaut. Verdachtsmomente gibt es für Züge des Güterverkehrs, der Infrastruktur sowie des Personenverkehrs. Dort sind es beispielsweise die Fernverkehrszüge EW IV, der Pendelzug DPZ (S-Bahn), wenige Eurocity-Züge oder die Loks des Typs Re 420. Dieses Rollmaterial ist noch bis in die 2030er-Jahre im Einsatz.
Um die Züge weiterhin sicher reparieren und dereinst verschrotten zu können, durchleuchten sie die SBB nun auf ihre Asbest-Gefahr. Dazu hat die Bahn kürzlich auf der Beschaffungsplattform des Bundes einen entsprechenden Auftrag ausgeschrieben. «Ziel ist es, eine Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Arbeitssicherheit, Gesundheit und Umwelt durchzuführen sowie potenziellen Sanierungsbedarf für Schadstoffe frühzeitig zu identifizieren», heisst es da.
Eine spezialisierte Firma soll dazu Proben aus Bauteilöffnungen entnehmen und analysieren. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass die Bahn eine solche Prüfung vornimmt. Neu ist, dass sie den Auftrag für mehrere Jahre ausschreibt, weshalb er nun auf der Beschaffungsplattform auftaucht.
Relevant ist die Asbest-Belastung in den Zügen insbesondere für die SBB-Mitarbeitenden, die Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten an den in die Jahre gekommenen Zügen durchführen. Dabei geht es nicht nur um Asbest, wie SBB-Sprecher Moritz Weisskopf sagt: «Die Schadstoffermittlung in den Fahrzeugen orientiert sich an den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und beinhaltet neben dem Schadstoff Asbest auch weitere gesundheitsgefährdende oder entsorgungsrelevante Stoffe. » Dazu gehören krebserregende Substanzen wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder Schwermetalle.
Man nehme das Thema sehr ernst, so Weisskopf: «Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeitenden haben für uns immer höchste Priorität. Die SBB halten sich an alle gesetzlichen Bestimmungen und Vorgaben und arbeiten eng mit auf Umgang mit Asbest spezialisierten und zertifizierten Firmen sowie mit der Suva zusammen.»
Für die Passagiere besteht laut SBB keine Gefahr, obwohl verschiedene Pendlerzüge mit Asbest belastet sein könnten. Denn in den Passagierbereichen befänden sich keine problematischen Bauteile. «Vielmehr sind technische Bauteile wie Dichtungen betroffen, die punktuell in abgetrennten Bereichen noch in den Fahrzeugen verbaut sind.» Dabei handelt es sich laut SBB um sogenannte festgebundene Asbestprodukte, bei denen die Fasern fest in eine Matrix eingebunden sind. «Ohne eine Beschädigung kommt es zu keiner Asbestfreisetzung. Es besteht im Fahrbetrieb der Züge keinerlei Gefährdung für unsere Kunden oder das Personal.»
Noch vor wenigen Jahrzehnten präsentierte sich die Situation für die SBB-Angestellten gänzlich anders. In den SBB-Werkstätten verwendeten sie bis Mitte der 1970er-Jahre sogenanntes Spritzasbest als Isolations- und Dichtungsmaterial. Sie atmeten dadurch die gefährlichen Stoffe ein. Wegen der langen Inkubationszeit wurden erstmals 1994 Todesfälle von SBB-Angestellten bekannt.
Um die Jahrtausendwende zählte die Bahn 80 Asbest-Opfer; 58 waren damals bereits ihrem Leiden erlegen. Nach zähen juristischen und politischen Debatten entstand in der Schweiz 2017 der Entschädigungsfonds für Asbestopfer. Die SBB haben die Stiftung mitgegründet. Wie es auf Anfrage heisst, hat die Bahn bisher zehn Millionen Franken eingezahlt. (aargauerzeitung.ch)