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Kampf dem Vogeldreck: Die SBB gehen gegen Taubenfütterer vor

Bahnhof Taube
Tauben finden an SBB-Bahnhöfen aufgrund von Passanten-Krümeln oftmals genügend Futter.bild: Keystone

Kampf dem Vogeldreck: Die SBB gehen gegen Taubenfütterer vor

An manchen Bahnhöfen in der Schweiz bleibt zu viel Vogel-Kot liegen. Zu diesem Schluss kommen die Bundesbahnen. Nun reagieren sie.
19.09.2025, 06:3819.09.2025, 06:38
Benjamin Weinmann / ch media

Ob SBB-Chef Vincent Ducrot wohl je den Disney-Klassiker Mary Poppins gesehen hat? Im Kinderfilm mit Julie Andrews als magische Nanny gibt es eine musikalische Szene, die zu Tränen rührt. Mary Poppins singt darin über eine alte Frau, die tagtäglich im vernebelten London vor der St.-Pauls-Kathedrale Taubenfutter verkauft. Der Titel des melancholischen Lieds: «Feed the birds» – füttert die Vögel.

Doch mit diesem Motto hat Ducrot nichts am Hut. Im Gegenteil: Er scheint in Sachen Vogelliebe eher von Alfred Hitchcocks Horrorstreifen «The Birds» beeinflusst zu sein. Denn Ducrot will die gefiederten Tiere – von Gegnern abschätzig auch Ratten der Lüfte genannt – von seinen Bahnhöfen vertreiben. Zumindest dort, wo sie in zu grossem Ausmass vertreten sind.

So steht aktuell am Bahnhof von Zürich-Oerlikon seit einigen Tagen eine grosse, orange Tafel, auf der es heisst: «Bitte Tauben nicht füttern». Auch auf Englisch ist die Aufforderung auf dem Schild präsent: «Please do not feed the pigeons.» Denn je mehr Tauben gefüttert werden, desto mehr Vogeldreck bleibt liegen.

Bahnhof Tauben
Solche Schilder kommen an SBB-Bahnhöfen zunehmend zur Anwendung.bild: benjamin weinmann

SBB-Sprecherin Fabienne Thommen bestätigt, dass das Schild seit letzter Woche in Oerlikon im Einsatz ist. Im Frühling sei ein solches erstmals bereits am Bahnhof Luzern aufgestellt worden. Man prüfe von Zeit zu Zeit, wo solche Hinweise sinnvoll seien.

Nach Luzern und Oerlikon bald auch Baden

Eine Tauben-Kot-Kommission existiert bei den SBB allerdings noch nicht. «Wir beziehen uns auf Rückmeldungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter», sagt Thommen. «Exakte Zahlen zur Taubenpopulation können wir nicht liefern.»

Man stütze sich beim Entscheid, ob eine Tafel aufgestellt wird oder nicht, auf die Beobachtungen der Angestellten. Auch Zahlen zu den Kosten, die durch die Taubenkot-Reinigung zusätzlich anfallen, können die SBB nicht nennen. Diese würden nicht separat aufgeschlüsselt, sagt Thommen. Klar ist hingegen, dass das Schild nach Luzern und Zürich-Oerlikon als Nächstes auch in Baden AG lanciert wird.

Mehr Passanten, mehr Restaurants

Tatsächlich sind zumindest in Oerlikon keine notorischen Tauben-Fütterinnen und -Fütter zu beobachten. Denn seit 2023 ist das Taubenfüttern im Kanton gemäss Jagdgesetz verboten. Viel mehr dürften sich die Vögel von den Krümeln ernähren, die von hungrigen Passanten stammen, die unterwegs ein Gipfeli oder Sandwich verspeisen. Zudem ist rund um den Bahnhof in den vergangenen Jahren das gastronomische Angebot stark gewachsen, genauso wie die Zahl der über Oerlikon verkehrenden Passanten.

So sagt denn auch Thommen: «Die Grösse einer Taubenpopulation hängt direkt von der verfügbaren Nahrungsmenge ab, sei es durch natürliche Nahrung, Abfälle oder insbesondere durch Fütterung.» Würden Tauben gefüttert, könnten sie ganzjährig brüten, was zu einer stetigen Zunahme der Population führe. «Die Folgen sind mehr Verschmutzung, aber auch zusätzlicher Stress für die Tiere durch Überpopulation.» Genau das wolle man verhindern.

Die SBB verweisen darauf, dass diese Probleme generell grössere Städte vor Herausforderungen stellen. Deshalb gebe es vielerorts entsprechende Hinweisschilder oder sogar Fütterungsverbote.

30 Gramm Futter reichen

So lancierte beispielsweise die Stadt Luzern 2019 eine entsprechende Kampagne. Auf ihrer Website schrieb sie dazu: «Das gut gemeinte Füttern ist falsch verstandene Tierliebe und hat negative Folgen.» Wissenschaftliche Studien würden belegen, dass es in einer Stadt so viele Tauben gebe, wie es die Menge Futter zulasse. Eine Taube decke mit 30 Gramm Futter – das entspricht einer Scheibe Brot – ihren Tagesbedarf. «Die Folge von Fütterungen: Die Anzahl Tauben steigt schnell an und die Verschmutzung der Stadt durch Taubenkot nimmt entsprechend zu.»

Ausserdem fördere man durch regelmässige Fütterungen an bestimmten Orten das gehäufte Auftreten von Tieren auf engem Raum, betonte die Stadt Luzern. «Es besteht die Gefahr, dass Krankheiten zwischen den Vögeln übertragen werden. Dieses Problem gilt nicht nur für Tauben, sondern für alle Vögel.»

Bei einer weiteren Kampagne 2023 lautete das Luzerner Motto: «Dein Brot gibt Kot.» Im selben Jahr musste sich im Kanton gar die Justiz mit dem Thema beschäftigen, wie «Zentralpus» berichtete. 100 Franken Busse musste eine über 90-jährige Frau bezahlen, weil sie wiederholt Tauben fütterte – und das ist illegal. So heisst es seit 2018 im Paragraf 32 des Jagdgesetzes des Kantons Luzern: «Die Fütterung von wild lebenden Säugetieren und Vögeln bedarf einer Bewilligung der zuständigen Dienststelle.» Derzeit ist auch im Kanton St. Gallen ein Tauben-Füttern-Verbot ein Thema. (aargauerzeitung.ch)

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quelle: foto service sbb / str
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17 Kommentare
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Pal_01
19.09.2025 07:21registriert Juli 2020
Diese ganze "Schildererziehung" ist gut gemeint, wird aber nichts nützen.
Nützlicher wären hohe Bussen für Zigistummwelwegschmeisser und Taubenfütterer.
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