Schweiz
Schule - Bildung

In Schweizer Lehrmitteln fehlt umfassendes Rassismus-Verständnis

In Schweizer Lehrmitteln fehlt umfassendes Rassismus-Verständnis

19.06.2023, 13:31
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Rassismus steht nicht auf den Lehrplänen von Schweizer Schulen, und in Lehrmitteln fehlt trotz Sensibilisierung für rassistische Begriffe ein umfassendes Verständnis von Rassismus. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus empfiehlt, das Thema Rassismus in die Lehrpläne zu schreiben.

Die ukrainischen Fluechtlingskinder Veronika, rechts, und Alina, im Unterricht, aufgenommen im Rahmen eines Besuches fuer Medien am Freitag, 13. Mai 2022, im Schulhaus Landhaus in Herisau. Im Kanton A ...
Bild: keystone

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlichte am Montag eine Studie zum Thema Rassismus in Lehrmitteln. Sie ortet zwar positive Entwicklungen in Lehrmitteln. Zum Beispiel werde in Lehrmitteln der Begriff «Indianer» mit «Native Americans» ersetzt. Auch von der «Kolonialen Schweiz» sei die Rede.

Gehe es in Schulbüchern um Rassismus, dann werde dieser aber als historisches oder zwischenmenschliches Phänomen dargestellt. Es gehe etwa um Kolonialismus, Rassentheorien, Nationalsozialismus oder Rassismus in fernen Ländern.

«Eher homogen weiss»

Rassismus, wie er gesellschaftliche Machtverhältnisse präge, sei dagegen nicht präsent. Die gesellschaftliche «Normalität» werde in Lehrmitteln «eher homogen weiss» dargestellt, so die Kommission. Erwachsene würden häufiger «weiss» abgebildet als Kinder. Erwachsene People of Color seien vor allem im Zusammenhang mit Themen wie Armut, Flucht oder Asyl - oder fernen Ländern - zu sehen.

Die aktuelle Migration werde meist aus europäischer Perspektive dargestellt, schreibt die EKR zur Studie. Migrantinnen und Migranten träten kaum je als autonome Subjekte in Erscheinung. Vielmehr seien sie Teil von Bewegungen, Zahlen und Grafiken. An Zugängen, um Fragen zu Teilhabe und Zugehörigkeit zu diskutieren, fehle es meist.

Die EKR empfiehlt, Rassismus in den Lehrplänen der obligatorischen Schule zu verankern. Lehrerinnen und Lehrer müssten zudem in der Lage sein, rassismuskritische Bildung konzipieren, gestalten und moderieren zu können. Die Kompetenzen dafür müssten sie bei der Aus- und Weiterbildung erwerben können.

Rassismus sinnvoll thematisieren

Für die kantonale Begutachtung von Lehrmitteln brauche es punkto Rassismus klare Kriterien. Diese sollten es erlauben, zu beurteilen, ob ein Lehrmittel das Thema in sinnvoller Weise thematisiere und ob es gesellschaftliche Diversität repräsentiere.

In Schulbüchern muss laut der EKR die strukturelle Dimension von Rassismus erfasst werden. Nur so könnten die wirtschaftliche, politische und soziale Bedeutung von Rassismus in der Gegenwart nachvollziehbar gemacht werden. Und nur unter dieser Voraussetzung könnten kritische Reflexionen angestossen werden. (saw/sda)

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bebby
19.06.2023 13:40registriert Februar 2014
Wir sollten aufpassen, dass wir hier nicht dieselben Fehler begehen wie den USA, wo Forscher und das Bildungssystem nicht mehr immer frei von Zensur sind und es schwarze Listen von Büchern gibt, die man aus den Bibliotheken entfernt hat. Wie z. B. „1984“ oder „Brave New World“.
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FACTS
19.06.2023 16:38registriert April 2020
Gegenwärtig bestehen unterschiedlichste Auffassungen, was alles systematischer Rassismus darstellen soll (oder eben nicht) und was dagegen zu unternehmen ist. Es dürfte entsprechend schwierig sein, dazu ein Lehrmittel zu verfassen. Wichtiger scheint mir, dazu eine offene Diskussionskultur zu entwickeln, wo die unterschiedlichen Standpunkte aufgezeigt und jeder seine eigene Meinung dazu bilden kann. Manches kann man wissenschaftlich untermauern, aber für viele derzeit diskutierten Problemfelder gibt es keine klare Antwort.
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