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Weshalb Amherd und Cassis den EU-Deal jetzt durchziehen wollen

Machtkampf im Bundesrat: Weshalb Amherd und Cassis den EU-Deal jetzt durchziehen wollen

Bis Weihnachten wollen die Schweiz und Brüssel die Verhandlungen abgeschlossen haben. Aber warum so pressant? Das sind die Gründe.
27.11.2024, 22:3427.11.2024, 22:41
Remo Hess, Brüssel / ch media
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Maros Sefcovic, Executive Vice-President of the European Commission, left, and Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis, right, talk during a working visit by Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis to ...
Schwierige Verhandlungen, trotzdem gute Laune: Aussenminister Ignazio Cassis und der frisch im EU-Parlament im Amt bestätigte EU-Kommissar Maros Sefcovic (links).Bild: keystone

Handschlag, Lächeln, ein netter Blick in die Kamera: Beim Treffen auf dem bundesrätlichen Landgut Lohn bei Bern geben sich Aussenminister Ignazio Cassis und sein EU-Ansprechpartner Maros Sefcovic an Mittwoch demonstrativ gut gelaunt. Der Besuch zeige, dass viele Fortschritte gemacht wurden, sagte Cassis kurz zuvor. Ziel bleibe es, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschliessen.

Nach dem Fototermin ging es zum vertraulichen Gespräch und später zum gemeinsamen Abendessen. Journalistenfragen wurden keine beantwortet.

Denn die beiden wissen: Trotz Verhandlungsfortschritten sind die neuen EU-Verträge umstritten. Speziell die Zuwanderung bleibt ein Reizthema. Auch das Nein zum Autobahnausbau dürfte von der Zuwanderungsdebatte beeinflusst worden sein.

Trotzdem wollen Cassis und Bundespräsidentin Viola Amherd das EU-Paket rasch zuschnüren und rechtzeitig unter den Weihnachtsbaum legen. Jetzt oder nie lautet das Motto. Die Eile hat Gründe:

Amherd will auf dem Höhepunkt abtreten

Für Viola Amherd ist das Verhältnis der Schweiz zu Europa eine Herzensangelegenheit. Sie hat das Dossier als Bundespräsidentin massgeblich vorangetrieben. Verständlich, dass sie jetzt noch vor dem Ende ihres Präsidentinnen-Jahrs die «Freundschaft» mit der EU vertraglich besiegeln will. Der Handschlag mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen wäre der Höhepunkt ganz zum Schluss. Amherd könnte dann zufrieden den Bundespräsidentinnen-Stab weiterreichen. Und vielleicht auch ihr Amt als Bundesrätin?

Dass die 62-jährige Walliserin nicht ewig in der Landesregierung bleiben will, ist in Bern ein hartnäckiges Gerücht. Ende 2025 hätte sie sieben volle Regierungsjahre hinter sich. Das wäre nur knapp unter der informellen bundesrätlichen Mindestamtsdauer von zwei Legislaturperioden. Einer jedenfalls wäre bereit: Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Über ihn heisst es in Bundesbern, dass er sich nichts mehr wünscht, als Bundesrat zu werden. Dafür müsste Amherd abtreten.

European Commission President Ursula von der Leyen, right, welcomes Swiss Federal President Viola Amherd, prior to a bilateral meeting at the European Political Community (EPC) Summit at the Puskas Ar ...
Haben einen guten Draht und würden das Vertragspaket gerne zusammen besiegeln: Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (rechts).Bild: keystone

Cassis fürchtet Parteifreundin Karin Keller-Sutter

Aussenminister Ignazio Cassis hat sich vor zwei Jahren gegen einen Departementswechsel entschieden, weil er nach dem Scheitern des ersten Anlaufs das verflixte EU-Abkommen doch noch durchbringen will. Jetzt ist der Erfolg zum Greifen nahe. Cassis hätte geliefert, unabhängig davon, was mit dem Paket später im Parlament oder an der Urne geschieht.

Auch von Cassis wird gemunkelt, dass er nach erfüllter Mission bald zurücktreten könnte. Zumal der zweite FDP-Bundesratssitz bedrohlich wackelt.

Da kommt Kollegin Karin Keller-Sutter ins Spiel. Sie wird nächstes Jahr Bundespräsidentin und gilt im Gegensatz zu Amherd als Souveränistin und Skeptikerin der EU-Integration. Neben den SVP-Magistraten ist Keller-Sutter die grösste EU-Bremserin im Bundesrat.

Als Bundespräsidentin ist Keller-Sutter zwar «Prima inter Pares» und den anderen Bundesräten gleichgestellt. Sie bestimmt aber die internationale Agenda und kann mehr oder weniger aufs Gaspedal drücken. Für Cassis wäre es bittere Ironie, wenn sein grösstes Projekt ausgerechnet von seiner Parteifreundin ausgebremst würde.

Maros Sefcovic, Executive Vice-President of the European Commission, left, and Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis, right, talk during a working visit by Swiss Federal Councillor Ignazio Cassis to ...
Will der Schweiz nun doch einen Kompromiss bei der Schutzklausel anbieten: EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic (links) beim Treffen mit Aussenminister Ignazio Cassis auf dem Landgut Lohn bei Bern.Bild: keystone

Besser wird's nicht: Brüssel macht Druck

Auch in Brüssel liest man Schweizer Zeitungen. Neben den bundesrätlichen Konstellationen hat man dort mitbekommen, dass die neuen Verträge wenig beliebt sind. Das Feld wird in der Schweiz den Gegnern überlassen, und solange das Paket nicht vorliegt, können es die Befürworter nicht verteidigen. Deshalb hat man in der EU-Zentrale entschieden: Noch lange weiter zu verhandeln, bringt keine besseren Lösungen. Man ist zwar bereit, der Schweiz entgegenzukommen und bei der Schutzklausel gegen eine übermässige Zuwanderung Hand für eine Präzisierung zu bieten. Aber die Zeit für einen Kompromiss ist jetzt.

Trump, Krieg, Grossbritannien: EU muss sich um anderes kümmern

In Brüsseler Kreisen machte zuletzt ein wenig schmeichelhafter Spruch die Runde. Es gebe nur ein Land, das in Verhandlungen noch zeitraubender und nervenaufreibender sei als die Schweiz, und das sei Iran. Das heisst: Die EU will das Thema endlich erledigen. Dieselben Leute, die sich mit der Schweiz beschäftigen, werden sich bald um Grossbritannien kümmern müssen, mit dem sich Post-Brexit-Verhandlungen zur Wiederannäherung anbahnen. Und ab Januar muss sich die EU neben dem Ukraine-Krieg und der schlingernden Wirtschaftslage noch mit einer euroskeptischen US-Administration auseinandersetzen.

«Mutter aller Schlachten» ist schon im Kalender eingetragen

Kommt das EU-Paket an die Urne, wird es wegen seiner institutionellen Elemente auf die Frage hinauslaufen: Ja zu Europa oder Nein zu Europa? Nach der EWR-Abstimmung 1992 könnte nun die «Mutter aller EU-Schlachten» anstehen. Zumal die Abstimmung quasi gleichzeitig mit der 10-Millionen-Initiative der SVP stattfinden dürfte. Diese will in letzter Konsequenz die Personenfreizügigkeit kündigen und ist inhaltlich kaum vom EU-Paket zu trennen.

Um im Abstimmungsprozess parallel mit der 10-Millionen-Initiative zu bleiben, müsste das EU-Paket bis zum Jahresende verhandelt sein. Dann könnte ein Abstimmungstermin 2026 noch drinliegen. Im Jahr darauf sind dann wieder eidgenössische Wahlen, und diese mit einer EU-Grundsatzabstimmung begleiten möchten nun wirklich die wenigsten. (aargauerzeitung.ch)

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70 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Denkerin2
27.11.2024 23:36registriert April 2022
Eine Abstimmung im Jahr 2027 wäre interessant. Dann müssten die sich zur Wahl stellenden Parlamentarier (für die 2027 Bundesparlamentarier-Wahl) sich klar zu ihren Positionen äussern. Und wir Wähler würden weniger die Katze im Sack kaufen.
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Sportfan
27.11.2024 22:48registriert April 2020
Ich kanns schon bald nicht mehr hören: Wir brauch Schutzklauseln bezüglich Einwanderung, wir möchten die Einwanderung selbst steuern.
Ja was hat denn die SVP für konkrete Vorschläge dazu? Ein Kontingenzsystem wie vor 40 Jahren; also z.B. landwirtschaftliche Arbeitskräfte dürfen kommen, andere nicht.
Nein, die Wirtschaft und deren Vertreter steuern die Einwanderung alleine und und nicht die EU. Hier muss angesetzt werden.
Übrigens 30% der Zuwanderung ist keine EU-Zuwanderung und diese hat genau gleich zugenommen, obwohl die Schweiz diese selbst steuern könnte.....
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M.Ensch
27.11.2024 23:52registriert März 2020
Der untere Mittelstand tut einfach nur gut daran, auf den Gewerkschaftsflügel zu hören. Er ist der Einzige, der sich noch für BüezerInnen einsetzt. Die Politik tuts nicht mehr.
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