Schweiz
Schweiz-EU

Schweiz-EU-Verhandlung: Diese Köpfe musst du kennen

Bundespraesidentin Viola Amherd, diskutiert mit EU-Kommissionspraesidentin Ursula von der Leyen, der Generalsekretaerin der EU-Kommission, Ilze Juhansone und Maros Sevcovic, Vizepraesident der EU-Komi ...
Viola Amherd, Ursula von der Leyen und ihr Vize Maroš Šefčovič am Montag in Brüssel.Bild: keystone

Diese Köpfe verhandeln über einen Deal der Schweiz mit der EU

Am Montag wurden die Verhandlungen über ein neues Vertragspaket zwischen der Schweiz und der Europäischen Union lanciert. Dabei gibt es eine klare personelle Hierarchie.
19.03.2024, 17:31
Mehr «Schweiz»

Die Aufbruchstimmung währte nur kurz, sofern es sie je gab. Als Bundespräsidentin Viola Amherd am Montag in Brüssel gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Startschuss zu den neuen Verhandlungen über die bilateralen Beziehungen gab, waren die innenpolitischen Misstöne nicht zu überhören.

Die SVP, die grösste Regierungspartei, macht wie erwartet auf Totalopposition. Die Gewerkschaften stänkern weiter und senden immer wieder Drohgebärden in Richtung Bundesrat. Auch in den Medien haben sich die Stimmen, die schon das institutionelle Rahmenabkommen zum Abschuss freigaben, wieder zu Wort gemeldet.

Begibt sich der Bundesrat also auf eine Mission impossible? Einfach wird die Aufgabe nicht, besonders angesichts von der Leyens erklärter Zielvorgabe, die Verhandlungen bis Ende Jahr abzuschliessen. Viola Amherd äusserte sich wesentlich zurückhaltender. Eine wichtige Rolle spielen die beteiligten Personen. Dabei gibt es drei Hierarchiestufen.

Die Unterhändler

Patric Franzen, Stellvertretender Staatssekretaer im Eidgenoessischen Departement fuer.auswaertige Angelegenheiten (EDA), spricht an einer Medienkonferenz ueber das Verhandlungsmandat mit der Europaei ...
Patric Franzen leitet die Verhandlungen auf Schweizer Seite.Bild: keystone

Für die Schweiz steigt der 54-jährige Patric Franzen als Chefunterhändler in den Ring. Der Karrierediplomat leitet die Abteilung Europa im Aussendepartement EDA. Bislang waren die Verhandlungen mit der EU durch den Staatssekretär geführt worden, doch Alexandre Fasel ist in dieser Funktion erst seit letztem Herbst im Amt. Franzen hingegen kennt die Materie.

Der gebürtige Oberwalliser war in die Sondierungsgespräche involviert, die eigentliche Vorverhandlungen waren. Parlamentarier schildern ihn als dossierfest. Nun steht Patric Franzen unter verschärfter Beobachtung. Auf ihn warte «die schwierigstmögliche Mission für einen Schweizer Diplomaten, angeschnallt auf einem Schleudersitz», so CH Media.

Jean-Claude Juncker,Richard Szostak
Richard Szostak 2018 mit dem damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.Bild: European Commission

Sein Gegenüber ist ein «alter Hase», wenn auch im übertragenen Sinne. Richard Szostak beschäftigt sich seit 2015 innerhalb der EU-Kommission in diversen Funktionen mit der Schweiz. Über ihn als Person ist wenig bekannt. Selbst sein Alter ist umstritten, er ist je nach Quelle 41- oder 45-jährig. Jungenhaft sieht er aus, doch der Eindruck täuscht.

Szostak ist polnisch-britischer Doppelbürger und gestählt durch die Brexit-Verhandlungen. Für die Schweiz ist das eine Warnung. Wie alle «Eurokraten» verteidigt er den Binnenmarkt gegen Ansprüche von Drittstaaten. «Jedes Zugeständnis gegenüber der Schweiz könnte auch den Briten neue Ideen geben und umgekehrt», schreibt der «Tagesanzeiger».

Die Ministerebene

epa11086859 Switzerland's Foreign Minister Federal Councillor Ignazio Cassis (R) speaks with European Commission Executive Vice-President Maros Sefcovic (L) prior to a bilateral meeting in the Ho ...
Persönlich verstehen sie sich gut: Maroš Šefčovič und Ignazio Cassis am WEF in Davos.Bild: keystone

Falls es zwischen den Chefunterhändlern harzt, kommt die nächste Hierarchiestufe ins Spiel. Sie besteht aus Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Maroš Šefčovič, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission. Sie haben sich schon mehrfach getroffen, zuletzt im Januar am WEF in Davos. Auf persönlicher Ebene sollen sie sich gut verstehen.

Šefčovič gilt als angenehm im Umgang, doch in der Sache ist der bullige Slowake knallhart. Das zeigt sich im NZZ-Interview, in dem er freundlich, aber bestimmt erklärt, dass die Schweiz nicht mit grossen Zugeständnissen rechnen darf. Über den Stand der Verhandlungen werde ein Treffen mit Cassis für den Juni «ins Auge gefasst», teilte der Bundesrat am Montag mit.

Die Chefetage

epa09154269 European Commission President Ursula Von der Leyen (R) and Swiss President Guy Parmelin pose prior to a meeting at the European Commission building in Brussels, Belgium, 23 April 2021. EPA ...
Distanz nicht nur wegen Corona: Im April 2021 sprach Ursula von der Leyen mit Bundespräsident Guy Parmelin über das Rahmenabkommen. Kurz darauf zog der Bundesrat den Stecker.Bild: keystone

Auf höchster Ebene sind Ursula von der Leyen und die jeweilige Bundespräsidentin oder der Bundespräsident involviert. Sie geben den Startschuss und kommen ins Spiel, wenn es auf der Zielgeraden hart auf hart geht. Wobei auf Schweizer Seite der Gesamtbundesrat entscheidet. Auch das Parlament und die Kantone haben ein Mitspracherecht.

Bei der EU strebt Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Brüsseler Kommission an. Auch sie kann nicht allein entscheiden, sondern muss die Befindlichkeit der 27 Mitgliedsstaaten berücksichtigen. Sie werden es nicht akzeptieren, wenn ihre Unterhändler gegenüber einem Nichtmitglied wie der Schweiz zu nachgiebig auftreten.

Erschwerend kommt bei von der Leyen hinzu, dass sie als Norddeutsche anders als ihre Vorgänger José Manuel Barroso und Jean-Claude Juncker keine persönliche oder emotionale Beziehung zur Schweiz hat. Am Montag «schwänzte» sie den geplanten Lunch mit Viola Amherd. Die Bundespräsidentin musste sich mit Maroš Šefčovič «begnügen».

Am Dienstag haben die Unterhändler Patric Franzen und Richard Szostak ihre Gespräche aufgenommen. Sie sollen sich mindestens einmal pro Monat «kurzschliessen», vorwiegend virtuell. Dazwischen gibt es Verhandlungen auf technischer Ebene. Das Ziel eines Abschlusses bis Ende Jahr ist dennoch ambitiös, denn es mangelt nicht an Stolpersteinen.

In Brüssel ist das Misstrauen gross, seit der Bundesrat vor bald drei Jahren das aus EU-Sicht fertige Rahmenabkommen einseitig «gecancelt» hatte. Mit viel Nachsicht darf die Schweiz nicht rechnen. So wurde der Zugang zum Forschungsprogramm Horizon Europe laut dem «Tagesanzeiger» auf Druck der Mitgliedsstaaten bis Ende Jahr befristet.

Auf Schweizer Seite ist es deshalb zentral, mögliche Konzessionen an die EU innenpolitisch «abzufedern». Dabei sind pikanterweise die SVP-Bundesräte Guy Parmelin (Lohnschutz) und Albert Rösti (Bahnverkehr und Energie) gefordert. Zu einem Stromabkommen hat sich Rösti bislang ambivalent geäussert, obwohl die Branche ein solches seit Jahren fordert.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Apfelbaum – Personenfreizügigkeit/Bilaterale
1 / 8
Apfelbaum – Personenfreizügigkeit/Bilaterale
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
137 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mad Boy
19.03.2024 18:25registriert Juni 2019
Die letzten Verhandlungen sind nicht wegen der SVP oder den Gewerkschaften gescheitert. Eine grosse Mehrheit der Bevölkerung lehnte die Bedingungen übere längere Zeit in diversen Umfragen ab. Der Bundesrat wusste, dass er dies nie der Stimmbevölkerung hätte präsentieren können.
Die EU-Spitzenbeamten wollen nicht realisieren, dass sie die CH Bevölkerung überzeugen müssen und nicht 101 Politiker im Nationalrat. Auch Aussagen, wie die Schweiz steht auf der Speisekarte fördern die Beziehung nicht (M. Matthiessen, 2019).
4414
Melden
Zum Kommentar
avatar
Booker
20.03.2024 06:39registriert September 2016
Es ist keine einzelne Partei, welche bisherige Verhandlungen ins Erliegen brachen. Im Gegenteil, es war der Volkswille, der hier entsprechend wahrgenommen wurde. Die Schweiz muss sich sehr gut überlegen ob sie da Mitglied sein möchte. Vorteile gibt es wenige bis keine. Im Gegenteil wir würden geflutet mit Arbeitskräften, die Arbeitslosigkeit stiege genauso wie die MWST und wir würden jährlich Milliarden abliefern.
Die EU will nur unser Bestes und wir bluten langsam aus …
2310
Melden
Zum Kommentar
137
    Schweiz fordert Auflösung der Sittenpolizei in Iran

    Die Schweiz fordert Iran auf, die Sittenpolizei aufzulösen. Iranerinnen und Iraner sollen ausserdem das Recht auf faire Gerichtsverfahren haben. Dies forderte am Freitag eine Vertreterin der Schweizer Mission vor den Vereinten Nationen in Genf.

    Zur Story