Kritiker der Geheimdienste haben es schwer. Und das hat nichts mit James-Bond-Romantik zu tun. Der gesetzestreue Durchschnittsbürger (oder die Bürgerin) pflegt Warnungen vor einem Überwachungsstaat meist mit einem Standardsatz abzuwiegeln: «Ich habe nichts zu verbergen und darum auch nichts zu befürchten.»
Der Nationalrat ist am Dienstag dieser Maxime gefolgt, er hat alle Versuche abgeschmettert, das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) zu entschärfen. Dabei gibt es genügend Beispiele, dass es nicht genügt, wenn man nichts zu verbergen hat. Vor 25 Jahren platzte im Nachgang zum Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp die Fichenaffäre. Der Staatsschutz hatte rund 900'000 Personen bespitzelt, darunter viele, die einzig wegen ihrer linken Gesinnung ins Visier gerieten.
Vor bald zwei Jahren sorgten die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für ein mittleres Erdbeben. Er konnte belegen, dass die National Security Agency (NSA) und mit ihr verbündete Nachrichtendienste ein gigantisches Spionageprogramm aufgezogen haben, vor dem nichts und niemand sicher sein kann. Und erst letzte Woche deckte die «Nordwestschweiz» auf, dass eine Firma in Bülach (ZH) ausländische Agenten ausbildet und möglicherweise Telefongespräche von Schweizern abhört, was illegal wäre.
Es gehört zum Wesen der «Schlapphüte», dass sie gerne an die gesetzlichen Grenzen und darüber hinaus gehen. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat ist ihnen mit dem neuen NDG weit entgegen gekommen. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) darf Telefone anzapfen, Räume verwanzen, in Computer eindringen. Und er erhält die Möglichkeit zur Kabelaufklärung, womit er die Internet-Kommunikation überwachen kann.
Dies entspricht dem Zeitgeist. Die Weltlage ist verworren, es herrscht ein diffuses Klima der Bedrohung. Die Anschläge in Paris und Kopenhagen haben uns vor Augen geführt, dass der islamistische Terror überall und jederzeit zuschlagen kann. Im Osten lässt Russlands Präsident Wladimir Putin die Muskeln spielen, er kokettiert sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Dadurch wächst das Bedürfnis nach Sicherheit. Und darum ist auch das von Linken und Grünen angedrohte Referendum gegen das NDG aussichtslos, obwohl die SP in einer Mitteilung behauptet, es habe «grosse Chancen». Es handelt sich um eine typisch linke Illusion. Sie ignoriert die Bereitschaft vieler Menschen, die Freiheit der Sicherheit unterzuordnen.
Deshalb dürfte der Ständerat sich dem Nationalrat anschliessen. Und deshalb bleibt Rotgrün wohl einzig die Option, auf eine möglichst strenge Kontrolle des NDB hinzuarbeiten. Im vollen Wissen darum, dass sich diese Schattenwelt nur bedingt ausleuchten lässt. Und ein latentes Unbehagen zurückbleibt. Mit «Ich habe nichts zu verbergen und darum auch nichts zu befürchten» allein ist man nicht auf der sicheren Seite.
Gantii
Motztüte
Bruno Sigrist