Schweiz
Sexismus

Schweizer Parlament will Sexismus unter Strafe stellen

Parlament will Sexismus unter Strafe stellen ‒ was das für die Justiz bedeuten dürfte

18.12.2024, 22:0318.12.2024, 23:13
Mehr «Schweiz»
Sexismus, Männer gegen Frauen, Büro, Arbeitsplatz
Ein Aufruf zu Frauenhass und Frauenfeindlichkeit sei keine Meinung, hiess es am Mittwoch im Parlament.Bild: Shutterstock

Das Parlament will Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts unter Strafe stellen. Der Ständerat hat sich mit sechs gleich lautenden parlamentarischen Initiativen mit diesem Anliegen einverstanden erklärt, auf Antrag einer Minderheit.

Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid am Mittwoch mit 21 zu 18 Stimmen und mit zwei Enthaltungen. Sie folgte damit dem Antrag einer Minderheit ihrer Kommission für Rechtsfragen (RK-S). Die Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) kann nun einen Gesetzesentwurf ausarbeiten.

Der Nationalrat hatte die sechs Initiativen aus den Reihen von SP, Grünen, GLP, Mitte, FDP und EVP vor einem Jahr unterstützt. Konkret befürwortete er eine Ergänzung von Artikel 261bis des Strafgesetzbuches, der sogenannten Anti-Rassismus-Strafnorm, mit dem Wort «Geschlecht». Verstösse dagegen sollen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden.

«Gewalt entsteht aus Worten»

Nach heutiger Rechtslage erfasst die Strafnorm Aufrufe zu Hass und Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung.

Im Ständerat setzte sich die Minderheit durch, die es halten wollte wie der Nationalrat. Aufrufe zu Gewalt und Hass aus Gründen des Geschlechts sollten ebenso wenig toleriert werden wie rassistische, antisemitische oder homophobe Gewaltaufrufe. Bei der Anwendung der Anti-Rassismus-Strafnorm seien die Gerichte zurückhaltend.

Minderheitssprecherin Mathilde Crevoisier Crelier (SP/JU) erinnerte an ein an einem Fussballspiel gezeigtes Banner mit der Aufschrift «Winti Frauen figge und verhaue». Die Urheber des Aufrufs seien vor Gericht freigesprochen worden. «Gewalt entsteht aus Worten», doppelte Marianne Binder (Mitte/AG) nach.

Werde eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, könne definiert werden, was genau mit dem Begriff «Geschlecht» gemeint sei, sagte Binder. «Ein Aufruf zu Frauenhass und Frauenfeindlichkeit ist keine Meinung und muss unter Strafe gestellt werden», sagte Maya Graf (Grüne/BL).

Überlastung der Justiz befürchtet

Die unterlegene Mehrheit anerkannte zwar, dass ein Problem bestehe, befürchtete aber gleichzeitig eine Überlastung des Justizsystems, aufgrund derer schwerere Fälle nicht beurteilt werden könnten. Zudem kritisierte sie, der Begriff des Geschlechts sei nicht klar genug definiert. Auch sei die Meinungsäusserungsfreiheit in Gefahr.

«Ob zum Beispiel ein frauen- oder männerfeindlicher Witz nun strafbar ist oder nicht, lässt sich schwer beantworten», sagte Beat Rieder (Mitte/VS) dazu. Das Strafrecht diene nicht dazu, den Menschen Anstand und Moral beizubringen. (sda/lyn)

Mehr zum Thema:

Video: watson/Lya Saxer
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
44 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Zwergzwerg
19.12.2024 07:53registriert Dezember 2024
Rieder hat vollkommen recht, das StGB dient nicht dazu, den Leuten Anstand und Moral beizubringen. Dazu ist die Kinderstube da. Die Justiz soll sich mit konkreten Straftaten, d.h. mit der realen Gewalt befassen, und der Staat soll aufhören damit, immer wieder neue Straftatbestände zu erfinden, die mit Gewalt gar nichts zu tun haben (sonst müsste man z.B. auch den Gangsta Rap verbieten). Oder wollen wir eine gigantische geschützte Werkstatt (einen Woke-Stalinismus quasi), in dem die Kinder verklagt werden, wenn sie ein "böses" Wort in den Mund nehmen auf dem Pausenplatz (siehe UK)?
4219
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fklroo
19.12.2024 08:36registriert November 2019
Nein Danke! Wenn wir etwas in den letzten Jahren gelernt haben, dann das gewisse Gruppierungen davon existieren, alles für seinen Zwecke unzuinterpretieren. Nur in der Opferrolle eine Daseinsberechtigung.
Übrigens ist Aufruf zur Gewalt bereits ein Strafbestand, ganz unabhängig vom Geschlecht.
Der Fussball-Banner ist eklig, aber bringt bitte noch 2-3 Beispiele mehr? Habe das Gefühl, das ist wieder so ein Problem, dass mehr in gewissen Köpfen anstatt in der Realität existiert.
2312
Melden
Zum Kommentar
avatar
nevinius
19.12.2024 08:10registriert August 2024
Und wieder werden dieselben Argumente bemüht wie damals, als Homophobie strafbar wurde. Witze bleiben erlaubt, doch wer Überlastung der Justiz oder Erziehung als Argument anführt, verkennt die Realität von Diskriminierung. Falls das Justizsystem überfordert wäre, sollte der Fokus auf besserem gesellschaftlichem Umgang liegen. Anstand und Respekt sollten selbstverständlich sein – dann bräuchte es keine Gesetze. Verwechselt nicht Opfer und Täter: Was als Bagatelle erscheint, kann für Betroffene existenziell sein. Respekt muss unantastbar bleiben.
2214
Melden
Zum Kommentar
44
    UBS berappt den USA eine halbe Milliarde für CS-Sünden
    Die UBS hat sich im Namen der übernommenen Credit Suisse mit dem US-Justizministerium wegen Steuerverstössen aussergerichtlich geeinigt und zahlt dafür 511 Millionen Dollar (422 Mio. Fr).

    Damit ist der Fall, der 2014 mit einem Schuldeingeständnis und einer Busse von rund 2,6 Milliarden Dollar einherging, endgültig abgeschlossen.

    Zur Story