Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung. Bei den Sozialdemokraten kommen neben den im Dezember unterlegenen Kandidierenden um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga neue Namen ins Spiel:
Die Nachfolgerin oder der Nachfolger für Berset wird noch nicht in der Herbstsession bestimmt, sondern bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung am 13. Dezember. Die SP will den Fahrplan für dessen Nachfolge im September während der Herbstsession festlegen, nachdem das neue Fraktionspräsidium bestimmt worden ist.
Unklar ist derzeit, ob andere Parteien den zweiten SP-Sitz im Bundesrat infrage stellen werden. Die Grünen und auch die GLP liessen nach Bersets Rücktrittsankündigung durchblicken, dass sie einen Angriff nicht ausschliessen. Konkreter dürfte es erst Ende Oktober werden, nach den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober.
Generell kann erwartet werden, dass wegen der welschen SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Deutschschweizer Politiker in der Poleposition sind.
Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (Jahrgang 1965) hat Anfang September seine Kandidatur für den Bundesrat bekanntgegeben. Er habe sich die erneute Kandidatur lange überlegt, sagte er in Zürich vor den Medien. Er habe einen «Höllenrespekt» vor dem Amt des Bundesrats. Doch er sei in die Politik gegangen, um mit Willen und Lust die Probleme anzugehen und mitzugestalten. Im vergangenen Jahr schaffte es Jositsch nicht aufs offizielle Ticket seiner Fraktion, weil damals für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga Frauen-Kandidaturen im Vordergrund standen. Trotzdem erhielt Jositsch am Wahltag mehrere Dutzend Stimmen. Schliesslich machte dann die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider das Rennen. Für Jositsch als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.
Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) will Bundesrat werden. Vor den Medien sagte er Mitte September, er sei nach einer Zeit des Nachdenkens im Sommer zum Schluss gekommen, dass er alle Voraussetzungen fürs Bundesratsamt mitbringe. Er traue sich das Amt zu. Er habe einen klaren Gestaltungswillen, sei ein Teamplayer, habe eine gewinnende Art und wolle in wichtigen Fragen tragfähige Lösungen finden, etwa in der Energiepolitik. Sein Umfeld unterstütze ihn. Aebischer politisiert seit bald zwölf Jahren im Nationalrat. Vor seiner Zeit im Bundeshaus war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit. Falls Aebischer gewählt würde, wäre der Kanton Bern doppelt in der Landesregierung vertreten.
Dem früheren Nationalrat und heutigen Basler Regierungspräsidenten Beat Jans (Jahrgang 1964) wird das Format eines Bundesrats zugeschrieben. Jans gab nach Bersets Rücktrittsankündigung an, dass er sich eine Kandidatur über die Sommerferien gemeinsam mit seiner Familie überlegen werde. «Ich fühle mich geehrt, für das Amt des Bundesrats ins Spiel gebracht zu werden, und natürlich wäre das eine sehr faszinierende Aufgabe für mich», sagte er. Politbeobachter sehen Jans im Falle einer Kandidatur als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Er hätte auch rein aus regionalpolitischen Überlegungen gute Chancen. Der Kanton Basel-Stadt war schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten.
Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) möchte sich «sorgfältig und in aller Ruhe» eine Bundesratskandidatur überlegen, wie er nach Bersets Rücktrittsankündigung bekanntgegeben hat. Er sei von vielen für die Berset-Nachfolge ins Spiel gebracht worden und wolle im Herbst entscheiden, nachdem seine Partei und die Fraktion das Nominationsverfahren bestimmt hätten. Bis dahin wolle er sich darauf konzentrieren, die Wiederwahl in den Nationalrat zu schaffen. Pult gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten.
Offen ist, ob sich Cédric Wermuth (Jahrgang 1986) als Co-Präsident der SP eine Kandidatur vorstellen könnte. Der Aargauer Nationalrat liess sich bisher nicht in die Karten blicken. Er konzentriere sich auf den bevorstehenden Wahlkampf seiner Partei, sagte er nur. Wermuth brächte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht mit, um selber zu kandidieren. Er gilt auch als guter Redner und spricht sehr gut Französisch.
Überraschend interessiert sich auch ein Anwärter aus einem Westschweizer Kanton für die Nachfolge von Alain Berset: Jean-François Steiert (Jahrgang 1961), Freiburger Verkehrsminister, überlegt sich, ob er antreten will, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigten. «Ich werde mir im Herbst Gedanken zu einer Kandidatur machen», sagte er auf Anfrage. Steiert kommt wie der abtretende Berset aus dem Kanton Freiburg. Tritt er tatsächlich an, wird die Kantonszugehörigkeit zum Thema werden: Die lateinische Schweiz ist mit vier Vertretern aktuell im Bundesrat übervertreten. Allerdings ist Steiert perfekt bilingue.
Eine mögliche Kandidatur prüft laut den Tamedia-Zeitungen auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990). Der ehemalige Juso-Präsident rückte im März 2018 als Nationalrat nach, nachdem Tim Guldimann überraschend seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte. Bei den Nationalratswahlen 2019 konnte Molina seinen Sitz verteidigen. Seit 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Hilfswerk Swissaid und seit Juni 2019 Co-Präsident der Entwicklungsorganisation.
Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann (Jahrgang 1978) hatte sich vergangenes Jahr entschieden, für den freigewordenen Sommaruga-Sitz zu kandidieren. Sie unterlag damals in der internen Ausmarchung Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Nach der Rücktrittsankündigung von Berset hat Allemann erneut ihr Interesse am Bundesratsamt angemeldet. Verantwortung als Bundesrätin zu übernehmen, reize sie nach wie vor. Ob sie ins Rennen um einen Bundesratssitz steige, entscheide sie im Herbst, wenn Partei und Fraktion das Anforderungsprofil verabschiedet hätten, liess Allemann verlauten.
Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) gilt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Cédric Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen. Bei der Sommaruga-Nachfolge im vergangenen Jahr hatte sie mit Verweis auf ihr Parteiamt auf eine Bundesratskandidatur verzichtet. Nach der Rücktrittsankündigung Bersets machte sie keine weiteren Angaben zu ihren persönlichen Ambitionen.
Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), erwägt eine Kandidatur als Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset. Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe, und man müsse das prüfen, sagte die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin will den Entscheid im Sommer treffen. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete sie als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.
Der Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici (Jahrgang 1969) hatte zunächst noch Interesse an einer Nachfolge von Bundesrat Alain Berset bekundet. Der in der Türkei geborene Unternehmer hätte damit das erste Bundesratsmitglied mit direktem Migrationshintergrund werden können. Allerdings wurden ihm nur minime Wahlchancen eingeräumt. Atici sitzt seit Ende 2019 im Nationalrat. Er gilt als enger Wegbegleiter des Basler Regierungspräsidenten Beat Jans, der als einer der Favoriten für die Nachfolge von Berset ins Rennen um die Berset-Nachfolge geht. Atici zog deshalb seine Kandidatur zugunsten jener von Jans und zugunsten seines Kantons zurück, wie er sagte. Es sei ihm ohnehin weniger um seine Person gegangen als um die Botschaft, dass endlich jene 40 Prozent der Menschen im Land, die in den letzten Jahrzehnten zugewandert seien, auch auf der höchsten politischen Ebene wahrgenommen werden sollten.
Die Basler Ständerätin und frühere Finanzdirektorin Eva Herzog (Jahrgang 1961) war im Dezember bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber schliesslich gegen Elisabeth Baume-Schneider. Im September 2023 klärte sie via X (vormals Twitter), dass sie für eine erneute Kandidatur nicht zur Verfügung stehe. Als Vertreterin eines Stadtkantons und einer starken Wirtschaftsregion wurden Herzog gute Chancen für ein Amt im Bundesrat prognostiziert. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen.
Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich, Priska Seiler Graf, verzichtet aus persönlichen Gründen, wie sie einen Bericht der «Sonntagszeitung» bestätigte. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf (Jahrgang 1968) Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.
Die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtet aber wie damals nun auch auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie hat sich für die Ständeratskampagne entschieden, wo sie den Berner SP-Sitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen will.
Schon bei der Sommaruga-Nachfolge wurde die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt (Jahrgang 1984) als mögliche Kandidatin gehandelt, doch sie sagte früh ab. Nach Bersets Rücktrittsankündigung überlegte sich die Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz über den Sommer eine Kandidatur. Das hat sie nun getan: Sie steht nicht zur Verfügung, wie sie auf Anfrage sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht von blick.ch. Masshardt wird den Kandidierendenprozess verantworten.
Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug zu einer Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und amtet als Fraktionsvizepräsidentin. Nun lässt sie sich zusammen mit dem Waadtländer Samuel Bendahan für die Nachfolge von Fraktionschef Roger Nordmann aufstellen und steht als Bundesratskandidatin nicht zur Verfügung. Wie sie dem Nachrichtenportal blick.ch verriet, verantwortet Marti zudem zusammen mit Nadine Masshardt den Kandidierendenprozess.
(yam/sda)
Ignazio Cassis z.B. war bis er 15 war italienischer Staatsbürger. Ausserdem gab es doch sicher schon den ein oder anderen Bundesrat oder Bundesrätin, bei denen mindestens ein Elternteil deutsche, französische oder italienische Eltern hatte (was die Definition von Migrationshintergrund ist). Das passiert nun mal schnell in so einem kleinen Land.
Abgesehen davon sollte das absolut keine Rolle spielen.
Ich tippe auf Jans oder Jositsch. Für Wermuth ist es zu früh (wenn überhaupt).