Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung vor der Sommerpause. Bis kommenden Sonntag (29. Oktober) müssen der SP Schweiz Kandidaturen gemeldet werden. Am 25. November will die Fraktion ihr Ticket für die Bundesratswahl bestimmen.
Die Nachfolgerin oder der Nachfolger für Berset wird bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung am 13. Dezember bestimmt, während der Wintersession. Die SP will für die Wahl von Bersets Nachfolger oder Nachfolgerin eine Auswahl von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren. Auf Kriterien verzichtet sie.
Unklar ist derzeit, ob andere Parteien den zweiten SP-Sitz im Bundesrat infrage stellen werden. Die Grünen und auch die GLP liessen nach Bersets Rücktrittsankündigung durchblicken, dass sie einen Angriff nicht ausschliessen. Nach den Wahlschlappen der beiden Parteien werden Kandidaturen aber kaum Chancen eingeräumt. Die Grüne Fraktion will am Freitag (27. Oktober) über ihre Strategie für den Einzug in den Bundesrat diskutieren.
Generell kann erwartet werden, dass wegen der Westschweizer SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Deutschschweizer Politiker in der Poleposition sind.
EVI ALLEMANN: Die Berner SP-Regierungsrätin und frühere Nationalrätin (Jahrgang 1978) versucht zum zweiten Mal den Sprung in die Landesregierung. Die bernische Direktorin für Inneres und Justiz bewarb sich bereits 2022 um die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, schaffte es aber nicht aufs Ticket der SP-Fraktion. Allemann ist die erste Frau, die als mögliche Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset ins Rennen steigt. Beobachter räumen ihr eher geringe Chancen ein. Mit Albert Rösti sitzt bereits ein Berner im Bundesrat. Zudem sind amtierende Parlamentsmitglieder im Bundeshaus besser vernetzt. Allemann verfügt trotz ihres relativ jungen Alters über eine lange politische Karriere. Mit 19 Jahren wurde sie zur jüngsten Grossrätin des Kantons Bern gewählt. Sie war 15 Jahre lang Nationalrätin - zu Beginn ebenfalls die Ratsjüngste - und wechselte 2018 in die Berner Kantonsregierung. Zwischenzeitlich präsidierte sie den Verkehrs-Club der Schweiz (VCS).
ROGER NORDMANN: Der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann (Jahrgang 1973) gilt als politisches Schwergewicht. Erst im Juni gab er überraschend das Präsidium der SP-Bundeshausfraktion ab, nach acht Jahren im Amt. Anfang Oktober gab er seine Absicht bekannt, für die Nachfolge von Alain Berset zu kandidieren. Nordmann ist der erste Westschweizer im Rennen. Der Lausanner ist seit 2004 Nationalrat. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Energiepolitik. Nordmann sieht sich als Brückenbauer. Seine Kandidatur sei nicht die eines Romands, sondern eine sprachübergreifende und die eines Schweizers, sagt er. Angesichts der dramatischen Zeitenwende brauche es keinen Bundesrat mit regionalen Interessen. Ein dritter Westschweizer in der Landesregierung sei damit durchaus möglich.
JON PULT: Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) ist von vielen für die Berset-Nachfolge ins Spiel gebracht worden und hat Anfang Oktober Interesse an Bersets Sitz angemeldet. Er, der sich selbst als dreisprachigen Bündner bezeichnet, ist seit vier Jahren im Nationalrat und gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zu einem ihrer Vizepräsidenten. Als Regierungsmitglied möchte der bisher jüngste unter den Kandidierenden den Zusammenhalt der Schweiz stärken. Als grösste Herausforderungen nannte Pult bei der Ankündigung seiner Kandidatur die Reform des Gesundheitswesens, die Klima- und die Europapolitik. Ein Exekutivamt hatte Pult bisher noch nicht inne.
BEAT JANS: Die SP Basel-Stadt hat am Dienstagabend an ihrer Delegiertenversammlung Beat Jans einstimmig als Kandidaten für die Nachfolge von Bundesrat Alain Berset nominiert. Jans (Jahrgang 1964) hat am 22. September an einer Medienkonferenz bekanntgegeben, dass er Bundesrat werden will. Er bewerbe sich mit grosser Motivation und erachte es nicht als selbstverständlich, dass er kandidieren könne. Es wäre für ihn eine «unglaubliche Ehre», an der Geschichte der Schweiz weiterschreiben zu dürfen, sagte Jans. Politbeobachter sehen Jans als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Er amtet seit 2021 als Regierungspräsident und Vorsteher des Präsidialdepartements des Kantons Basel-Stadt. Von 2010 bis 2020 war er Nationalrat. Während seiner Zeit als Bundesparlamentarier war er fünf Jahre lang Vizepräsident der SP Schweiz.
MATTHIAS AEBISCHER: Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) sagte Mitte September vor den Medien, er sei nach einer Zeit des Nachdenkens im Sommer zum Schluss gekommen, dass er alle Voraussetzungen fürs Bundesratsamt mitbringe. Er habe einen klaren Gestaltungswillen, sei ein Teamplayer, habe eine gewinnende Art und wolle in wichtigen Fragen tragfähige Lösungen finden, etwa in der Energiepolitik. Aebischer politisiert seit bald zwölf Jahren im Nationalrat. Vor seiner Zeit im Bundeshaus war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit. Sollte Aebischer gewählt werden, wäre der Kanton Bern doppelt in der Landesregierung vertreten.
DANIEL JOSITSCH: Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (Jahrgang 1965) gab Anfang September seine Kandidatur bekannt. Er habe sich die erneute Kandidatur lange überlegt, sagte er damals vor den Medien. Er habe einen «Höllenrespekt» vor dem Amt des Bundesrats. Doch er sei in die Politik gegangen, um mit Willen und Lust die Probleme anzugehen und mitzugestalten. Im vergangenen Jahr schaffte es Jositsch nicht aufs offizielle Ticket seiner Fraktion, weil damals für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga Frauen-Kandidaturen im Vordergrund standen. Trotzdem erhielt Jositsch am Wahltag mehrere Dutzend Stimmen. Schliesslich machte die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider das Rennen. Für Jositsch als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.
CÉDRIC WERMUTH: Offen ist, ob sich Cédric Wermuth (Jahrgang 1986) als Co-Präsident der SP eine Kandidatur vorstellen könnte. Der Aargauer Nationalrat liess sich bisher nicht in die Karten blicken. Er konzentriere sich auf den Wahlkampf seiner Partei, sagte er bisher. Wermuth brächte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht mit, um selber zu kandidieren. Er gilt auch als guter Redner und spricht sehr gut Französisch.
MATTEA MEYER: Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) gilt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Cédric Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen. Bei der Sommaruga-Nachfolge im vergangenen Jahr hatte sie mit Verweis auf ihr Parteiamt auf eine Bundesratskandidatur verzichtet. Nach der Rücktrittsankündigung Bersets machte sie keine weiteren Angaben zu ihren persönlichen Ambitionen.
PRISKA SEILER GRAF: Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich, Priska Seiler Graf, verzichtet aus persönlichen Gründen, wie sie einen Bericht der «Sonntagszeitung» bestätigte. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf (Jahrgang 1968) Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.
FLAVIA WASSERFALLEN: Die still gewählte künftige Berner Ständerätin und bisherige Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtete aber wie damals nun auch dieses Mal auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie wollte sich auf die Verteidigung des Berner SP-Sitzes im Ständerat konzentrieren.
NADINE MASSHARDT: Schon bei der Sommaruga-Nachfolge wurde die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt (Jahrgang 1984) als mögliche Kandidatin gehandelt, doch sie sagte früh ab. Nach Bersets Rücktrittsankündigung überlegte sich die Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz über den Sommer eine Kandidatur. Das hat sie nun getan: Sie steht nicht zur Verfügung, wie sie auf Anfrage sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht von blick.ch. Masshardt wird den Kandidierendenprozess verantworten.
SAMIRA MARTI: Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug für eine Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und amtet als Fraktionsvizepräsidentin. Nun lässt sie sich zusammen mit dem Waadtländer Samuel Bendahan für die Nachfolge von Fraktionschef Roger Nordmann aufstellen und steht als Bundesratskandidatin nicht zur Verfügung. Wie sie dem Nachrichtenportal blick.ch verriet, verantwortet Marti zudem zusammen mit Nadine Masshardt den Kandidierendenprozess. (sda)
MUSTAFA ATICI: Der nicht wiedergewählte Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici (Jahrgang 1969) hatte zunächst Interesse an einer Nachfolge von Bundesrat Alain Berset bekundet. Der in der Türkei geborene Unternehmer hätte damit das erste Bundesratsmitglied mit direktem Migrationshintergrund werden können. Allerdings wurden ihm nur minime Wahlchancen eingeräumt. Atici ist seit Ende 2019 und noch bis Anfang Dezember Nationalrat. Er gilt als enger Wegbegleiter des Basler Regierungspräsidenten Beat Jans, der als einer der Favoriten für die Nachfolge von Berset ins Rennen um die Berset-Nachfolge geht. Atici zog deshalb seine Kandidatur zugunsten jener von Jans und zugunsten seines Kantons zurück, wie er sagte. Es sei ihm ohnehin weniger um seine Person gegangen als um die Botschaft, dass endlich jene vierzig Prozent der Menschen im Land, die in den vergangenen Jahrzehnten zugewandert seien, auch auf der höchsten politischen Ebene wahrgenommen werden sollten.
EVA HERZOG: Die Basler Ständerätin Eva Herzog (Jahrgang 1961) verzichtet auf eine Kandidatur, wie sie am 20. September im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mitteilte. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen. Dieses sei eine herausfordernde Tätigkeit mit viel Gestaltungsraum, schrieb sie. «Bei einer Wahl möchte ich dort die Interessen unserer Bevölkerung vertreten und besonders der urbanen, offenen Schweiz und der Gleichstellung Sichtbarkeit geben.» Herzog war im Dezember 2022 bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber gegen Elisabeth Baume-Schneider.
JEAN-FRANÇOIS STEIERT: Der Freiburger Verkehrsminister Jean-François Steiert (Jahrgang 1961) hat ebenfalls abgesagt. Er sagte, die Westschweiz sei in der Landesregierung bereits stark vertreten. Steiert war von 2007 bis 2017 Nationalrat und hatte angekündigt, sich Gedanken über eine Kandidatur zu machen. Die lateinische Schweiz ist derzeit mit vier Personen im Bundesrat übervertreten. Steiert ist allerdings perfekt zweisprachig.
FABIAN MOLINA: Eine Kandidatur prüfte auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990), verzichtete aber schliesslich. Dies teilte er am 24. Oktober im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mit. Er wolle weiterhin seine ganze Kraft in die Parlamentsarbeit stecken. Der ehemalige Juso-Präsident ist seit dem Rücktritt von Tim Guldimann im März 2018 Nationalrat. Molina ist Co-Präsident im Stiftungsrat der Entwicklungsorganisation Swissaid.
TAMARA FUNICIELLO: Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), erwog zunächst eine Kandidatur, verzichtete aber nach den nationalen Wahlen. Angesichts des Rechtsrutschs im Parlament sehe sie ihre Aufgabe momentan im Parlament, sagte sie am 24. Oktober in einem auf Blick.ch veröffentlichten Interview. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin ist Nationalrätin im Kanton Bern und ehemalige Juso-Präsidentin. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete Funiciello als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.
Bei Somaruga wurde auch klar un deutlich ein Frauenticket proklamiert
Auf einen Frauensitz dürfen Männer aus Prinzip nicht kandidieren, aber auf einen Männersitz dürfen Frauen selbstverständlich kandidieren?!?
Frauenförderung, in Ehren, darf nicht dazu führen, dass ambitionierte Männer aufs Abstellgleis befördert werden.
Liebe SP, genau so verliert man Stimmen und damit die Wahlen. Macht doch so weiter, dann müsst ihr in Zukunft nur noch einen Sitz besetzen.