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Rot-Grün im Podcast Fieber – ein Vergleich

Rot-Grün im Podcast-Fieber: Nach Meyer und Wermuth interviewen sich auch die Grünen gegenseitig

Erneut hat die SP den Grünen die Show gestohlen. Beide lancieren einen Podcast, die SP jedoch etwas früher – und auch professioneller. Das ist nicht der einzige Unterschied.
11.11.2022, 09:43
Maja Briner / ch media
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Es dürfte eine kleine Wohlfühlwelt sein für manch eine Politikerin, manch einen Politiker. Endlich können sie ins Mikrofon reden – ohne dass jemand widerspricht. Kein politischer Gegner kontert die Argumente, kein Journalist stellt kritische Fragen. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen haben SP und Grüne fast zeitgleich einen parteieigenen Podcast lanciert.

Welcher der beiden handgestrickter ausfällt und was die 15-Sekunden-Regel aufzeigt: ein Vergleich.

Die Hauptfiguren

Die SP setzt auf ihr Co-Präsidium: Mattea Meyer und Cédric Wermuth reden wöchentlich über aktuelle Themen – sowohl innen- wie aussenpolitische. Da fallen dann Sätze wie: «Ehrlicherweise muss man sagen, dass insbesondere die SVP am Gängelband von grossen Industrien, namentlich der Erdöllobby, ist.» Dazu gibt's viel zustimmendes Nicken. Ob sich das mit der Zeit nicht ausläuft? Immerhin werden auch mal Gäste dabei sein, wie es bei der SP heisst. Auch dank der Bundesratswahlen könnte es spannend werden.

Mehr Abwechslung als die SP wollen die Grünen bieten: Jeden Monat soll eine andere Person zu Wort kommen. In der ersten Episode ist es Lisa Mazzone, Ständerätin und Wahlkampfchefin. Interviewt wird sie auf Deutsch von der stellvertretenden Generalsekretärin. Der Ton ist familiär («Wie geht es dir, Lisa?»), die Fragen brav, Widerspruch gibt's nicht.

Die Aufmachung

Meyer und Wermuth sitzen an einem Tisch in einem holzvertäfelten Raum, vor sich ein Glas Wasser und ein Notizblöckchen: Das ist alles. Noch schlichter – um nicht zu sagen handgestrickter – kommt der Grünen-Podcast daher. Er wird zwar auf der Videoplattform Youtube publiziert, ist aber nur zum Hören gedacht: Zu sehen sind einzig zwei Fotos der Gesprächspartner und die Tonspur. Minimalistischer geht kaum.

Die Grünen sagen dazu, es solle beim Podcast eben gerade nicht primär um den visuellen Aspekt gehen, der in der heutigen Kommunikation sowieso einen grossen Stellenwert habe. Zudem wollen die Grünen nächstens ein neues Videoprodukt lancieren.

Der Inhalt

Meyer und Wermuth sprechen jeweils über drei aktuelle Themen: Gemeinsam erklären sie etwa, wie schlimm der Lobbyismus in der Gesundheitskommission ist. Zu erfahren gibt es auch persönliche Anekdoten, etwa, dass Ex-Juso-Chef Wermuth mit Bundesrätin Sommaruga einst einen harzigen Start hatte, sie ihn aber überraschte, als sie ihn als jungen Parlamentarier in ihr Büro einlud – und nicht Tee, sondern Bier anbot.

Am Schluss stellen sich die beiden jeweils Publikumsfragen, die sie innert 15 Sekunden beantworten. Dadurch zeigt sich nach fast einer halben Stunde: Die beiden können sich auch kurzfassen.

Bei den Grünen gibt's ebenfalls Persönliches zu erfahren, es wirkt aber etwas angestrengt. «Gibt es drei Adjektive, die dich gut beschreiben?», wird etwa gefragt (Mazzones Antwort: «Neugierig, ein bisschen schüchtern, vor allem auf Deutsch, und ungeduldig, was als Mutter nicht einfach ist – aber tief atmen hilft.»). Daneben fokussiert der Podcast jeweils auf ein Thema. Es gehe primär darum, Themen «vertieft zu beleuchten und unsere vielfältigen und engagierten Exponentinnen und Exponenten vorzustellen», heisst es bei den Grünen.

Die Schwierigkeiten

Kritisches Nachhaken und Widerspruch fehlen komplett. Da darf Wermuth etwa erklären, wie die SP «für alle ein besseres Leben» ermöglichen würde – ohne eine Frage zur Finanzierung beantworten zu müssen. Gleiches bei den Grünen. Für die Parteien ist dies natürlich wunderbar. Doch die Gespräche drohen in harmlosen Plaudereien abzudriften.

Eine zweite Schwierigkeit: Die Grünen führen ihren Podcast auf Hochdeutsch und auf Französisch – sehr vorbildlich, aber zumindest in der ersten Episode der Spontanität abträglich. Meyer und Wermuth plaudern auf Schweizerdeutsch; die SP will im neuen Jahr aber einen französischsprachigen Podcast lancieren.

Ziehen andere nach?

Die beiden Podcasts könnten noch Konkurrenz erhalten – und zwar von der GLP. «Wir sind Podcasts am Prüfen, es ist noch nicht entschieden», erklärt Co-Generalsekretär Ahmet Kut. Auch die SVP könnte nachziehen: Podcasts seien «schon länger ein Thema in der Kommunikationsplanung», heisst es bei der SVP.

Mitte und FDP winken hingegen ab. Beide haben schon mal einen Podcast lanciert (die FDP 2019, die Mitte im November 2021) – und wieder eingestampft. Der Aufwand sei hoch, sagen sie. Bleibt abzuwarten, ob die Grünen und die SP bis zu den Wahlen im Oktober 2023 durchhalten. (aargauerzeitung.ch)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sweeneytodd
11.11.2022 10:56registriert September 2018
Podcast welche nur in einer Wohlfühloase stattfinden sind das langweiligste was die Pandemie hervorgebracht hat. Wenn kritische Fragen oder auch mal Themen ausserhalb der Bubble fehlen, dann ist es nur reine Selbstdarstellung ohne Mehrwert für den Zuhörer. Wer ausser den Hardcore Wähler der jeweiligen Parteien möchte dies hören? War wohl auch der Grund wieso die Mitte und FDP schon wieder den Stecker zogen.
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