Es ist das Spiel aller Spiele: Am Freitag um 18 Uhr trifft die Schweiz in der Gazprom-Arena in St.Petersburg auf Spanien. Im Stadion mitfiebern wird auch Walter Denz, der seit 30 Jahren in der Zaren-Metropole am finnischen Meerbusen lebt.
«Es ist wahnsinnig toll, dass die Schweizer Nati ausgerechnet in meiner zweiten Heimat das Viertelfinale bestreitet. Nach dem Sieg gegen Frankreich haben wir mit einer Flasche Vodka angestossen und freuen uns auf einen einmaligen Match», so der 56-jährige Zürcher.
Mit Denz werden wohl die meisten der rund 50 in St.Petersburg lebenden Schweizerinnen und Schweizer in das Zenit-Stadion pilgern. Und natürlich einige hundert Fans, die per Flugzeug aus der Schweiz anreisen. Dazu kommen weitere in Moskau lebende Eidgenossen. «Wenn am Schluss 1000 Nati-Fans im Stadion sind, ist das schon viel. Denn es gibt keine grosse Schweiz-Community in Russland.» Inzwischen ist bekannt, dass Bundesrätin Viola Amherd die Nati im Stadion anfeuern wird. Total stehen den Schweizer Fans 1500 Tickets zu.
Wegen Corona dürfen nur 34'000 statt 68'000 Personen ins Stadion. Die meisten davon werden «neutrale »Zuschauer sein. Wem drücken die Petersburger die Daumen? «Die Russen mögen Underdogs. Darum werden die Sympathien der Zuschauer wohl eher bei der Schweiz als bei den Spaniern liegen», so Denz.
Die Freude über die EM-Spiele in St.Petersburg ist jedoch getrübt. Denn die Delta-Variante von Corona wütet in der Stadt, die dritte Welle hat Russland voll erfasst. Spitäler stehen unter grossem Druck, die Betten sind knapp. Täglich sterben über 100 Menschen bei 5,5 Millionen Einwohnenden. Denz beobachtet bei den Leuten eine grosse Feierlaune und eine «gewisse Sorglosigkeit». Bars und Restaurants seien offen und gut besucht. «In den Beizen wird gefeiert. Und in den Gassen wird es schon mal eng, ohne dass Masken getragen werden.»
Die Infektionszahlen schnellen derzeit in die Höhe. Dies erklärt sich auch mit der tiefen Impfquote von rund 13 Prozent. «Es ist schon paradox. Obschon Russland einen eigenen Impfstoff hat, lässt sich fast niemand impfen», so Denz, der sich schon im Januar mit Sputnik V impfen lassen konnte. Viele Leute glaubten, dass sie schon Corona gehabt hätten – oder trauten der Regierung nicht.
Wer aus der Schweiz anreise und doppelt geimpft sei, gehe kein grosses Risiko ein. «Die Abstände im Stadion werden gut eingehalten. In die Fanzone würde ich aber jetzt nicht gehen», so Denz. Trotz all den Vorsichtsmassnahmen infizierten sich zuletzt hunderte finnische Fans mit Corona, als sie an das Gruppenspiel in St.Petersburg pilgerten. Dies sollte die Schweizer Schlachtenbummler zu Vorsicht mahnen.
Wer den Trip in das frühere Leningrad auf sich nimmt, der wird für die Strapazen belohnt. Das Stadion liege wunderschön direkt am Meer. «Petersburg ist mit all den Palästen, der Kultur und ausserordentlichen Architektur eine der schönsten Städte der Welt.» Kreml hin oder her, man dürfe nicht alle Menschen und Städte in denselben Topf werfen. «In Petersburg gibt es europäische Kultur vom Feinsten zu entdecken. Die Leute sind sehr kultiviert und belesen.»
Nun hofft Denz natürlich, dass er am Freitag in seiner zweiten Heimat einen weiteren historischen Triumph der Schweizer Nati feiern kann.