Jetzt wird wieder geschwitzt. Heute öffnen die rund 1200 Fitnessstudios wieder ihre Türen, sofern sie die Vorschriften des Bundesamts für Gesundheit erfüllen. Jeder zehnte Schweizer ist Kunde in einem Fitness- oder Gesundheitszentrum. Das Ausdauer- oder Krafttraining mussten die Mitglieder die letzten zwei Monate allerdings im Freien oder in den eigenen vier Wänden durchführen.
Der Schweizerische Fitness- und Gesundheitscenter Verband hat für die Wiedereröffnung ein Hygienekonzept erarbeitet. Dazu gehören Empfehlungen, wie das Social Distancing eingehalten werden kann, oder dass Angestellte und Kunden mit Krankheitssymptomen dem Training fern bleiben müssen. Geräte werden regelmässig gereinigt und die Center vermehrt gelüftet.
Besonders gefordert ist die Krafttrainingsgruppe Kieser mit 280'000 Kunden und 160 Filialen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Australien und Luxemburg, wovon drei Viertel im Franchise-System geführt werden. Denn bei der Kette ist der Anteil der älteren Kundschaft überdurchschnittlich hoch. Für sie hat die Firma ein spezielles Konzept erarbeitet.
«Für Kunden über 65 und solche mit Vorerkrankungen stellen wir separate Zeitfenster für das Training zur Verfügung.» An vier Tagen pro Woche können Sie früh morgens bei Türöffnung bis elf Uhr trainieren. «Dann ist das Center frisch gereinigt und die Zutrittszahl wird gesenkt», sagt Geschäftsführer Michael Antonopoulos. Jüngere Kunden müssen sich mit den restlichen Öffnungszeiten begnügen. «Wenn nötig, würden wir verlängerte Öffnungszeiten ins Auge fassen.»
Kieser gilt als Pionier in der hiesigen Fitness-Branche. Werner Kieser (79) gründete 1967 ein erstes Kraftstudio in Zürich und baute in den Jahren danach eine grosse Kette auf, die heute 160 Millionen Franken erwirtschaften. Der Erfolg brachte ihm den Namen «Fitness-Papst der Schweiz» ein. In Kieser-Studios gibt es keine Sauna, keine Saftbar und auch keine hippe Hintergrundmusik. Im Zentrum stehen die Geräte zur Stärkung der Muskeln.
Antonopoulos, der die Firma 2017 zusammen mit dem Unternehmer Nils Planzer übernommen hat, rechnet mit einem grossen Andrang. Viele Kunden hätten sich gemeldet und über zurückkehrende Knie-, Rücken- oder Nackenschmerzen geklagt. «Es gibt zwar viele Apps und Übungen auf Youtube, aber wahrscheinlich trainiert man zu Hause weniger diszipliniert als im Studio», sagt Antonopoulos.
Doch der spontane Studiobesuch ist nicht mehr so simpel. Neu müssen sich die Kunden online oder per Telefon anmelden, da die Anzahl Trainierende begrenzt ist. Für den nötigen Abstand werden rund 25 Prozent der Maschinen stillgelegt. Die Studios würden zwei Mal täglich gründlich geputzt, sagt der 48-jährige Aargauer. Zudem stehen Desinfektionstücher zur Verfügung, um die Übungsmaschinen vor und nach Benutzung zu reinigen. Beim Eingang stehen Desinfektionsspender. «Diese dürften über die Krise hinweg bleiben.»
Eine Maskenpflicht gilt in den Centern nicht, ausser, wenn der 2-Meter-Abstand nicht eingehalten wird. Dann tragen die Angestellten einen Mundschutz, die Kunden müssen nicht, aber sie dürfen. In der Umziehkabine werden manche Spinde für die nötige Distanz abgeschlossen. Zudem werden die Kunden gebeten, bereits umgezogen zum Training zu erscheinen. Das Fiebermessen beim Eingang, so wie es zum Teil Grosskonzerne machen, ist vom Branchenverband nicht vorgesehen.
In Deutschland und Österreich, wo Kieser die Mehrheit seiner Studios betreibt und ab heute ebenfalls wieder die Türen öffnet, sei die Situation komplizierter, sagt Antonopoulos. «Die Vorschriften sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.» In Bayern müsse man beispielsweise die Kundenzutrittszahl stärker beschränken. Und in Österreich gebe es für Kunden und Personal eine Maskenpflicht. In Australien, wo 17 Franchising-Studios existieren, sei das Virus erst später angekommen, entsprechend bleiben Geschäfte noch zu.
Diese Krise gehe natürlich ins Geld, sagt Antonopoulos stellvertretend für die Branche, die 2018 gemäss Verbandszahlen rund 900 Millionen Franken umsetzte. Denn wie viele andere Ketten verlängert auch Kieser die Abos der Kunden. «Diese zwei Monate an Umsatz sind verloren, einfach weg.» Natürlich sei es möglich, dass manche verängstigte Kunden das Abo nicht erneuern. Kieser habe aber eine äusserst treue Kundschaft, er sei zuversichtlich.
Dank Kurzarbeit seien auch keine Entlassungen oder Preiserhöhungen geplant. Dafür müssen die Kunden länger mit bisherigen Geräten trainieren. «Wir wollten einige Innovationen in die Studios bringen, die müssen nun etwas warten», sagt Antonopoulos. Dennoch gibt er sich zuversichtlich. Das Thema Gesundheit sei wegen der Pandemie nun in aller Munde. «Insofern könnte das Gesundheitstraining einen höheren Stellenwert in Zukunft erhalten.» Gründer Werner Kieser, der bald seinen 80. Geburtstag feiert und die Firma nur noch als Mentor begleitet, gehe es übrigens gut, sagt Antonopoulos. «Er hat sich mit viel Hanteltraining zu Hause fit gehalten.»