Er gilt weltweit als führender Athletenanwalt bei Dopingfällen. Rund 300 Sportlerinnen und Sportler hat US-Jurist Howard Jacobs vor Sportgerichten bei Dopinganschuldigungen oder nach erstinstanzlichen Verurteilungen vertreten. Gemäss eigener Aussage hat er in rund 75 Prozent der Fälle eine Strafminderung erreicht - unter anderem in den Fällen von Maria Scharapowa und Marin Cilic im Tennis. Auch Olympiasieger aus der Leichtathletik oder aus dem Schwimmen gehörten zu seinen Klienten.
Nun auch der Schweizer Leichtathlet Alex Wilson. Während Jacobs bislang die Interessen des beliebten Sprinters in den USA vertritt, wo im Zusammenhang mit einem weiteren Dopingverfahren ermittelt wird, konzentrierte sich das Schweizer Anwaltsteam von Wilson auf das Verfahren in der Schweiz wegen seiner positiven Dopingprobe des anabolen Steroids Trenbolon vom März 2021.
Hier erlitt Alex Wilson nun eine herbe erstinstanzliche Niederlage. Die Disziplinarkammer des Schweizer Sports (DK) schenkt der Sabotage-Theorie des Athleten und seiner Anwälte keinen Glauben und verurteilt den 31-jährigen Basler mit jamaikanischen Wurzeln zur Maximalstrafe von vier Jahren.
Für den Schweizer Rekordhalter über 100 m und 200 m eine schwere Enttäuschung und aus seiner Sicht eine grosse Ungerechtigkeit. Wilson beteuert weiterhin seine Unschuld und will den Kampf ultimativ fortsetzen. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung durch die DK - was noch mehrere Wochen dauern kann - wird er vom Recht Gebrauch machen, das Verfahren ans Internationale Sportgericht in Lausanne (CAS) zu ziehen.
In diesem Prozess soll nun Staranwalt Howard Jacobs als bisher nicht genutzte Geheimwaffe eingesetzt werden. Wilson hofft zumindest auf eine deutliche Strafreduktion. Schenkt das CAS der Argumentation des Athleten mehr Glauben als die Schweizer Richter, ist im besten Fall ein Freispruch möglich.
Wahrscheinlicher wäre bei diesem Szenario, welches Jacobs in Dutzenden von Fällen erfolgreich durchexerziert hat, eine Strafreduktion. Wie aus dem Umfeld von Wilson zu erfahren ist, würde der Athlet eine einjährige Sperre akzeptieren.
Ein solches Strafmass ist für die anklagende Behörde von Swiss Sports Integrity keine Option. Im mehr als ein Jahr dauernden Prozess gegen Wilson hat man die nun ausgesprochene vierjährige Sperre explizit gefordert. «Eine Sperre gegen Alex Wilson von nur einem Jahr hätten wir aufgrund der Faktenlage nicht akzeptiert», sagt Direktor Ernst König.
Bis zu einem definitiven Urteil des CAS, welches im Bezug auf formelle Fehler letztinstanzlich ans Schweizer Bundesgericht weitergezogen werden könnte, wird es mehrere Monate dauern. So lange bleibt der Basler Sprinter so oder so gesperrt.
Doch Alex Wilsons Antrieb ist nicht die Fortsetzung seiner Karriere, sondern Gerechtigkeit. Ein Insider sagt sogar, dass der schnellste Schweizer bei einem erstinstanzlichen Freispruch per sofort zurückgetreten wäre. Den Athleten Alex Wilson wird man also mutmasslich unabhängig vom Ausgang des Falls nie mehr erleben.
Eine Beurteilung des Falles durch den Internationalen Sportgerichtshof hätte eine weitere Konsequenz. Da im Gegensatz zum Schweizer Sportgericht die Urteile des CAS öffentlich gemacht werden, würde die geheimnisvolle Sabotage-Theorie endlich bekannt. Bislang gibt es dazu nur Mutmassungen. Ein Konkurrent soll Alex Wilson Böses wollen.
Die gleichen Kreise sollen im Juli 2021 auch ein Video an die Medien weitergeleitet haben, das Wilson zusammen mit einem lebenslänglich gesperrten jamaikanischen Trainer zeigt. Und die per Video ausgesprochene Anschuldigung, Wilson habe vom texanischen Naturheilpraktiker Eric Lira Dopingmittel erworben, stamme von der gleichen Urheberschaft.
Wilsons US-Anwalt hat inzwischen Klage gegen eine Person eingereicht. Und Wilsons Anwaltsteam will im Verfahren vor dem CAS auch Zeugen und Experten präsentieren.
Eric Lira steht im Fokus von Ermittlungen des FBI, der US-Antidopingbehörde und der Dopingjäger des Welt-Leichtathletikverbands. Der Texaner soll mehrere Athletinnen und Athleten mit unerlaubten Substanzen versorgt haben. Er verweigert die Aussage. Wilson gab bei einer Einvernahme durch den Weltverband zu, dass er Lira kennt und bei ihm zweimal in legaler Behandlung war - wegen Rückenschmerzen und zur Olympia-Vorbereitung in einer Unterdruckkammer.
Sollte er trotzdem auch in diesem Fall auf der Anklagebank landen, drohen weitere vier Jahre Sperre. Allerdings liegt die Beweislast in diesem Verfahren beim Ankläger und nicht bei Alex Wilson. (aargauerzeitung.ch)