Jahrzehntelang hatten der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und die amerikanische CIA ausländische Staaten abgehört, die Chiffriergeräte bei der Zuger Firma Crypto AG gekauft hatten – im Vertrauen auf die schweizerische Neutralität. Einen entsprechenden Verdacht gab es schon in den 1990er Jahren, doch erst diese Woche wurde das ganze Ausmass der Affäre publik.
Beteiligt an der Aufdeckung von Cryptoleaks war neben ZDF und «Washington Post» auch die «Rundschau», die bereits 1994 über die Anschuldigungen gegen die Crypto AG berichtet hatte. Am Freitag wollte die «Arena» nachlegen – und stiess rasch an ihre Grenzen. Kaum einmal in der bald 30-jährigen Geschichte der Sendung war es so schwierig, eine Gästeliste zu erstellen.
Moderator Sandro Brotz hatte auf Twitter angedeutet, dass die Redaktion reihenweise Absagen kassiert hatte: «Noch selten so oft gehört: ‹Darüber kann/will/darf ich nicht reden.›» Konkret nannte er in der Sendung den früheren Verteidigungsminister Kaspar Villiger und Ex-Geheimdienstchef Peter Regli. Beide waren eingeladen, wollten aber nicht auftreten.
Mangels Zeitzeugen und Insidern blieben am Ende nur Mitglieder des aktuellen Parlaments, die kaum mehr über die Affäre wussten, als in den Medien zu lesen war. Wobei nach wie vor wichtige Punkte offen sind, wie Fiona Endres erklärte, eine der an der Recherche beteiligten «Rundschau»-Reporterinnen. Das betrifft besonders die Frage, wie weit die Schweiz darin verwickelt war.
Unklar ist etwa das Ausmass der Mitwisserschaft von Nachrichtendiensten und Landesregierung. «Ganz offen» ist laut Endres, ob die hiesigen Nachrichtendienste von der Operation profitiert haben: «Das kann niemand mit Sicherheit sagen.» Ein Rätsel sei auch, warum der vom historischen Dienst der CIA verfasste Bericht gerade jetzt an die Öffentlichkeit gelangt ist.
Angesichts der dünnen Faktenlage standen Moderator wie Teilnehmer der «Arena» vor einer schwierigen Aufgabe. Einig war man sich darin, dass die Affäre schonungs- und vor allem «lückenlos» – das am häufigsten verwendete Wort in der Sendung – aufgeklärt werden muss. Aber soll dafür eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt werden?
«Es braucht das härteste parlamentarische Instrument», sagte der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina, sekundiert von Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli. Die drei bürgerlichen Teilnehmer hingegen wiegelten ab. Erst solle die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) an die Arbeit gehen. Sie ist ohnehin zuständig für die Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes (NDB).
Ihr Präsident, der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer, kündigte am Donnerstag die Eröffnung einer Untersuchung an. Heer war ebenfalls eingeladen und wollte dann doch nicht kommen. An seiner Stelle vertrat der Solothurner Nationalrat Christian Imark die SVP. Diese ist in der Regel die feurigste Verteidigerin des Sicherheitsapparats, doch Cryptoleaks stürzt sie in ein Dilemma.
Denn für die SVP ist die Neutralität der Schweiz ein Dogma ähnlich der unbefleckten Empfängnis. «Diese Affäre hat mein Verständnis von Neutralität erschüttert», gab Imark zu. Auch das Vertrauen in die Schweiz sei erschüttert. Gleichzeitig bemühte er sich, den Ball flach zu halten: «Spionagesumpf ist ein grosses Wort.» Eine «lückenlose» Aufklärung forderte aber auch er.
Weil Imark wenig zu sagen hatte, sprang die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder als «Verteidigerin» der offiziellen Schweiz in die Bresche. Solche Geschichten seien geeignet, die gute Reputation des Landes zu beschädigen, räumte sie ein. Gleichzeitig betonte sie, dass im Ausland «kein riesiges Interesse» bestehe. Tatsächlich wirft Cryptoleaks dort keine hohen Wellen.
Eine PUK will Markwalder «als Option» in der Hinterhand behalten, «falls die GPDel nicht weiterkommt». Was bei Fabian Molina auf Widerspruch stiess: «Man kann die PUK aus dem Parlamentsrecht streichen, wenn man sie jetzt nicht einsetzt.» Worauf Sandro Brotz ihm vorhielt, dass die SP in den letzten Jahren neun Mal eine PUK gefordert habe.
Das vielleicht stärkste Argument für eine PUK lieferte Balthasar Glättli, der mangels kompetenter Gäste in die zweite Reihe «verbannt» worden war: «Wichtige Puzzlesteine waren seit Jahren bekannt. 2015 wurde vieles entklassifiziert. Es stand in den Zeitungen. Warum fand die GPDel, es interessiere sie nicht, obwohl Neutralität und Souveränität der Schweiz auf dem Spiel standen?»
Für die Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann hat die GPDel dennoch genügend Kompetenzen, um «ein zusätzliches Türchen» zu öffnen: «Sie kann Bundesratsprotokolle einsehen und ehemalige Bundesräte aufbieten. Sie müssen Auskunft geben.» Für Brotz war dies das passende Stichwort, denn vor allem ein Bundesrat steht derzeit im Fokus: Kaspar Villiger.
Neben ihm haben weitere Freisinnige einen Bezug zu den Nachrichtendiensten und zur Zuger Crypto AG. «Ist das alles Zufall?» wollte Brotz von Christa Markwalder wissen. Die Bernerin liess sich auf diese eher plumpe Provokation nicht ein: «Sie konstruieren eine parteipolitische Nähe.» Auch die Integrität von Alt-Bundesrat Villiger zweifle sie nicht an, betonte Markwalder.
Spätestens an diesem Punkt war klar, dass aus dieser Cryptoleaks-Arena nichts Substanzielles herauszuholen war. Mehr erfährt man vielleicht, wenn die «lückenlose» Untersuchung des Parlaments abgeschlossen ist, ob durch die GPDel oder eine PUK. Im Juni soll zudem der vom Bundesrat in Auftrag gegebene Bericht des früheren Bundesrichters Niklaus Oberholzer vorliegen.
Auf den Punkt brachte es Fabian Molina, der immer für ein knackiges Quote gut ist und damit zum Stammpersonal in der «Arena» aufgerückt ist: «Entweder haben wir den schlechtesten Nachrichtendienst der Welt oder er hat etwas gewusst.»
Ihre Behauptung, es gebe kaum öffentliche Reaktionen aus dem Ausland auf #Cryptoleaks, ist extrem naiv für jemanden seit 2003 in der APK sitzt. Der Schaden wird graduell kommen z.B. bei Wahlen in internationalen Gremien, UN, etc. Da ist der ganze Goodwill der Schweiz nun für Jahre weg. Immerhin muss FDP-Bundesrat Cassis jetzt einen grossen Teil des Schadens selber ausbaden.
Die anderen bürgerlichen Parteien sind wohl mit-involviert, haben aber weniger von einer schonungslosen Aufdeckung des Skandals zu befürchten.
Also spielen sie auf Zeit und mimen eine (gut eingeübte) Rolle als Schein-Opposition.
Der Präsident der GPDel, Heer (SVP) ist doch ein Kalter Krieger wie aus dem Bilderbuch!