Die SVP hat in der Klimafrage keine Verbündeten mehr. Das zeigte sich vergangene Woche im Parlament, als der Nationalrat über den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative abstimmte. Alle waren dafür. Sogar das Initiativkomitee hat sich nun mit dem Gegenvorschlag des Bundesrates einverstanden gezeigt. Am Freitagabend sagte der Kopf der Gletscher-Initiative, Marcel Hänggi, in der «Arena»: «Wenn der Ständerat den Gegenvorschlag nicht abschwächt, werde ich mich dafür einsetzen, dass unsere Initiative zurückgezogen wird.» Mit anderen Worten: Alle sind happy – bis auf die SVP.
Wir rekapitulieren: Der Gegenvorschlag will, dass der Bund Privatpersonen und Unternehmen in Milliardenhöhe unterstützt, wenn sie beispielsweise Ölheizungen ersetzen und neuartige Technologien verwenden. Nach dem gescheiterten CO2-Gesetz vor einem Jahr will man so das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen. Der Vorschlag ist etwas schwächer als die Volksinitiative, dafür könnte das Gesetz schneller umgesetzt werden.
Ist dieser Gegenvorschlag ein solider Schritt fürs Klima oder bloss verpulvertes Geld? Mit dieser Frage eröffnete Moderator Sandro Brotz die «Arena», zu der er begrüsste:
Michael Graber wusste wohl, dass in dieser Runde niemand zu ihm halten wird. Der SVP-Mann wählte die Flucht nach vorn, nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Gleich zu Beginn, etwa nach 15 Minuten Sendezeit, erklärte der Walliser Nationalrat warnend: «Beim Zuschauer müssten spätestens jetzt alle Alarmglocken läuten.» Der Initiant sei zufrieden, die Grünen und die SP auch, die FDP lasse sich «als Steigbügelhalterin der verfehlten links-grünen Energiepolitik einspannen»: Das verhiess für den SVP-Mann nichts Gutes. «Alle sind happy: Das zeigt, dass dieser Gegenentwurf staatspolitisch nicht korrekt ist.»
Graber sah eine Verschwörung: Man wolle die Kantone umgehen. Kommt der Gegenvorschlag beim Ständerat durch, kann sich das Initiativ-Komitee die Abstimmungskampagne sparen und muss kein Ständemehr erreichen. «Und das, obwohl das Volk vor einem Jahr das CO2-Gesetz abgelehnt hat. Undemokratisch ist das Ganze also auch, man ignoriert den Volkswillen.»
Den harten Worten hatte Florence Brenzikofer von den Grünen kaum etwas entgegenzusetzen. Sie versuchte zwar argumentativ aufzuzeigen, dass mit diesem Vorschlag ein Kompromiss vorliege. «Alle verstehen das», sagte die Grünen-Nationalrätin.
Doch um diesen Gegner zu beeindrucken, mussten andere Geschütze aufgefahren werden. SP-Nationalrat Jon Pult setzte an: «Michael Graber, wenn wir nichts tun, wie es die SVP vorschlägt, wird es einfach enorm viel teurer.» Graber versuchte ihn zu unterbrechen, doch Pult fuhr unbeirrt weiter: «Ihr habt noch nie nur einen vernünftigen Vorschlag in der Klimapolitik gemacht.»
Der SVP-Nationalrat zeigt sich weiterhin unbeeindruckt. Er lächelt, grätscht seinem Rivalen ins Wort, was diesen erst richtig in Rage versetzt. «Es ist wichtig, dass wir jetzt etwas tun», sagt Pult mit Nachdruck. «Aber es ist unter anderem deshalb schwierig, weil die SVP alles sabotiert!»
Den nächsten Schlagabtausch lieferte sich Graber mit FDP-Frau Susanne Vincenz-Stauffacher. Ihm lag quer im Magen, dass sich die Liberalen nicht mit den Bürgerlichen verbündet haben. Vincenz-Stauffacher hatte für ihren Teil zwar die Steigbügel-Schlappe von vorhin weggesteckt, doch was nun kam, liess sie nicht auf sich sitzen.
Graber warf der FDP-Nationalrätin vor, dass sie hier eine «Verbotspolitik» unterstütze. Er referierte von den freiheitlichen, liberalen Grundsätzen, schweifte dabei umständlich ab, dass Vincenz-Stauffacher die FDP-Frauen Schweiz präsidiere. Obwohl man nicht genau verstand, worauf Graber eigentlich hinauswollte, hatte er sein Ziel erreicht: Er wirkte überlegen.
Vincenz-Stauffacher setzte zum Gegenangriff an. Ohne Graber direkt zu antworten, wandte sie sich ans Publikum: «Weil wir heute Abend Schülerinnen und Schüler hier haben: Das war jetzt ‹Mansplaining›. Ein Mann hat mir erklärt, was die FDP-Basis denkt.»
Die FDP-Nationalrätin versuchte noch zu verdeutlichen, warum es sich bei diesem Gegenvorschlag nicht um Verbotspolitik handle und dass bei der FDP jeder und jede für sich selber entscheiden dürfe. Das sei nämlich auch ein liberaler Wert.
In der Folge wurde über die Benzinkosten diskutiert. Hier kam der Höhepunkt für den SVP-Mann. Nachdem Grünen-Nationalrätin Brenzikofer über den Individualverkehr und den ÖV referiert hatte, setzte Graber an und der Rest konnte nur noch ratlos zuschauen. Vorhin hätten sie über die Gletscher-Initiative gesprochen, jetzt über die Benzinpreise, und er stelle eines fest, so Graber. «Es sind immer alle gegen die SVP, aber die Einzigen, die etwas für den Mittelstand tun, ist in Gottes Namen die SVP!»
Eine gefühlte Ewigkeit sagte niemand etwas. Und Graber lächelte zufrieden.
Der bürgerliche «Arena»-Debütant hat sich gut geschlagen. Was er sagte, war inhaltlich nicht immer nachvollziehbar, doch er punktete, indem er sich nicht aus der Ruhe bringen liess. Er provozierte seine Rivalinnen und Rivalen, ohne gehässig zu wirken – er war dabei fast schon wieder charmant.
Ich nehme eher an, die Nicht-SVPler waren fassungs- und sprachlos. Bei soviel Bildungs- und Beratungsresistenz, wie sie die SVP immer wieder an den Tag legt, kann man gar nicht mehr anders. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie bei allen anderen ständig das Facepalm-Emoji vor dem inneren Auge aufscheint …
Da liegt wohl eher Fassungslosigkeit vor, wie man solchen Quatsch mit voller Inbrust verbreiten kann.
Es ist fast unmöglich mit jemandem zu diskutieren der keine Fakten anerkennt und sich die Welt so hinbastelt wie er es gerne haben will. Das ist Trumpismus in Reinkultur.