Mit 113'000 Unterschriften wurde die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» diesen Freitag bei der Bundeskanzlei in Bern eingereicht. Für Moderator Jonas Projer Anlass, das Thema Organspende im «Arena»-Studio zu diskutieren.
Die sogenannte «Widerspruchsinitiative» sieht eine Verfassungsänderung vor, die auf dem Grundsatz einer «vermuteten Zustimmung» beruht. Damit würden alle Menschen zu Organspendern, sofern sie dem zu Lebzeiten nicht explizit widersprochen haben oder die Angehörigen nicht wissen, ob sich die verstorbene Person gegen eine Organspende ausgesprochen hat.
Von Projer geladen waren illustre Gäste, darunter der Comedian und SRF 3-Moderator Stefan Büsser oder alt National- und Ständerat Felix Gutzwiller. Büsser kämpft an vorderster Front für die Organspende. Das, weil der Comedian selbst bald auf eine neue Lunge angewiesen sein könnte. Der 34-Jährige leidet an der Erbkrankheit Cystische Fibrose. Wegen eines Zelldefekts bilden sich in seinem Körper zähflüssige Sekrete, die allen voran die Lunge angreifen. Entsprechend emotional beteiligte sich Büsser auch an der Diskussion.
Überraschend war die Position der alt Grünen-Nationalrätin Yvonne Gilli. Während meist die bürgerliche Seite die Rolle des Nein-Sagens übernimmt, kämpfte Gilli vehement gegen die geforderte Widerspruchslösung. Sie selbst habe sich zwar für eine Organspende entschieden, sei aber gegen die lancierte Initiative. Der Sterbeprozess sei eine sehr heikle Phase, die allen voran die Angehörigen betreffe. «Hier reicht eine Widerspruchslösung nicht. Es braucht eine viel sorgfältigere Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende.» Gilli appelliert an die Bildung. «In der Schule ist das Thema Tod ein Tabu. Das muss sich ändern.»
Wenig davon hält alt-Parlamentarier Felix Gutzwiller. Einmal das Wort erhalten, redet er sich in Rage. «Pro Jahr sterben 70 bis 100 Menschen, die auf ein neues Organ warten. Dieser Zustand ist einfach nicht mehr haltbar, es muss sich jetzt etwas ändern.» Er überlasse es zwar jedem selbst, zu entscheiden, ob man seine Organe spenden wolle oder nicht. «Aber eine solche Widerspruchslösung wäre ideal für diejenigen Menschen, die ihre Organe eben nicht spenden wollen. So müssen sie nur einmal Nein sagen und der Fall ist klar.»
Zwei Reihen links von Gutzwiller steht Peter G. Kirchschläger, Professor für theologische Ethik an der Universität Luzern. Eben noch zu Gast in der «Arena» zu 5G, darf Kirchschläger auch in der Organspende-Arena seine Meinung zum Thema kundtun. Für ihn ist die Widerspruchslösung eine Verletzung der Menschenrechte. «Unser Körper gehört uns. Wir haben ein Recht auf Selbstbestimmung, diese Initiative verletzt dieses Recht», so Kirchschläger.
Comedian Büsser ist’s ob dieser Aussage keineswegs zum Lachen zu Mute. «Das letzte was ich will, ist jemanden dazu zwingen. Ich will kein Organ von jemanden, der nie spenden wollte.» Doch seine Erfahrung habe gezeigt, dass nur die Widerspruchslösung funktioniere. «Glauben Sie mir, mir wäre es auch lieber, wir bräuchten diese Initiative nicht.» Er kämpfe seit Jahren für die Organspende. Doch passieren tue «rein gar nichts». «Das tut als Betroffener unglaublich weh.»
Eine weitere Kritikerin der Initiative sitzt im Publikum. Sie hat sich im Vorfeld der Sendung gemeldet. Die Mutter und Hausfrau Alica Engler beginnt mit einer aufhorchenden Aussage: «Mit 22 Jahren ist man unsterblich, man setzt sich nicht damit auseinander was passiert, wenn man einmal stirbt.» So jung sei man noch nicht bereit, solch einschneidende Entscheidungen zu fällen.
«Es freut mich für sie, dass sie das Gefühl hatten, sie wären mit 22 Jahren unsterblich. Diese Vorstellung hat man mir mit 13 bereits genommen», kontert Büsser sichtlich angespannt. Doch Engler stichelt weiter: «Das ist auch eine Lebenshaltung Herr Büsser, ob man neue Organe braucht oder nicht.» «Bei mir geht’s nicht um eine Wellnessoperation, es geht ums Überleben!», faucht Büsser zurück.
Bevor der Wortwechsel komplett eskaliert, greift Moderator Projer ein. Er sei Büsser dankbar, dass er hin stehe und über ein so persönliches Thema spreche. «Aber die Frage, ob sich so junge Leute bereits mit dem Tod auseinandersetzen müssen, ist berechtigt.»
In die Bresche für Büsser springt Franz Immer, Direktor von Swisstransplant. Aus der zweiten Reihe bemerkt er, dass sich die Jungen sehr wohl mit dem Thema auseinandersetzen und sich keineswegs für unsterblich halten. «Es ist sehr plakativ zu sagen, dass man als Teenager nicht über den Tod reden will. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten jungen Menschen dem Organspenden sehr positiv gegenüber stehen.»
Mit dem Finger auf Kirchschläger und Gilli deutend fügt Immer an: «Ihr verteidigt ein System, das unzumutbar ist für die Angehörigen. Sie müssen sich im Moment des Todes innert kürzester Zeit dafür entscheiden, ob die Organe gespendet werden sollen oder nicht. Diese Situation ist nicht tragbar.»
«Es gibt auch andere Wege, die Angehörigen auf diesem Weg besser zu unterstützen», kontert Kirchschläger mit ruhiger Stimme. Welche Wege das genau sind, führt der Ethiker aber nicht weiter aus.
Um die volle Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft zurückzugewinnen, packt Moderator Projer nach drei Vierteln der Sendung seine stärkste Waffe aus. Im Publikum sitzt eine junge Frau, die dank einer Herzspende heute ein normales Leben führen kann. 31 Tage bangte Michelle Hug wegen eines angeborenen Herzfehlers auf ein Spenderherz. Sie hatte Glück. Hugs Geschichte legt einen Schleier der Stille über die Arena. Selbst Projers Fragen werden kaum merklich leiser. Doch Hug scheut sich keineswegs davor klar und deutlich Stellung zu beziehen: «Ich akzeptiere, wenn sich jemand gegen eine Organspende ausspricht. Aber dann selbst Organe annehmen – das kann ich nicht nachvollziehen.»
Mit ihrer gefassten Art bringt die junge Frau selbst Ethiker Kirchschläger ins Rudern. An ihn gewandt fragt sie provokativ: «Aber finden sie es richtig, dazustehen und zu sagen ‹Organe nehme ich, aber spenden will ich nicht›. Wo kommen wir denn da hin?»
Kirchschläger gerät ob der Frage einen kurzen Moment ins Stocken. Natürlich sei es ethisch wünschenswert, Organe zu spenden. «Aber genauso wie man jemanden der nicht abstimmt, nicht die politischen Rechte aberkennen kann, ist das auch beim Organspenden. Das Recht auf Gesundheit haben alle Menschen.»
Ganz zum Schluss schreitet Arena Dompteuer Projer wieder ins Publikum. Und übergibt den viel zitierten «jungen Menschen» ein letztes Mal das Wort. Ein junger Herr nutzt die Gunst der Stunde und meint: «Vielleicht sollten wir unsere Zeit besser nutzen und uns anstatt die drei Memes auf Insta anzusehen, uns mit Organspenden auseinandersetzen.»
mit Material von sda
Warum nicht Organspender auf den Wartelisten automatisch den Nicht-Spendern vorziehen?
Schätze das hätte eine ziemlich motivierende Wirkung und scheint mir nichts als fair.