2011 beschloss der Bundesrat die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat, dieses Jahr soll es nun soweit sein: Anfang Juni wird die Schweiz mit grosser Wahrscheinlichkeit in den Sicherheitsrat gewählt. Für die zur Verfügung stehenden zwei Sitze für westliche Staaten kandidieren nämlich nur die Schweiz und Malta.
Nicht alle im Bundeshaus sind von der Schweizer-Kandidatur begeistert. Insbesondere bei der SVP regt sich Widerstand. Sie fürchtet sich vor dem Verlust der Neutralität. Aus diesem Grund will sie in der Frühlingssession eine ausserordentliche Session der Räte erzwingen. Die SVP habe die Anträge bereits deponiert, sagte Fraktionspräsident Thomas Aeschi (ZG) gegenüber dem »SonntagsBlick«. Der Antrag sei zustande gekommen, bestätigten zudem die Parlamentsdienste gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Die SVP will, dass der Bundesrat auf die Bewerbung verzichtet. «Die Ukraine-Krise zeigt, dass unser wichtigster friedenspolitischer Beitrag darin besteht, uns als Vermittlerin anzubieten», sagt SVP-Nationalrat Franz Grüter (LU), der die Aussenpolitische Kommission präsidiert, in der »NZZ am Sonntag«. Kaum ein Land sei besser geeignet, Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen, wie dies die Schweiz in Genf tue, so Grüter. Das setze man nun aufs Spiel. Denn im Rat werde man gezwungen sein, Stellung zu beziehen, ist er überzeugt. Als Folge würde die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit Schaden nehmen.
Auch SVP-Aussenpolitiker und St.Galler Nationalrat Roland Rino Büchel findet gegenüber «Sonntagsblick» klare Worte: «Wir sind auf dem besten Weg, unsere Neutralität auf dem Müllhaufen zu entsorgen.»
Das Vorhaben der SVP ist klar. Wie Thomas Aeschi gegenüber «SonntagsBlick» sagt: «Die SVP will, dass sich alle Parteien vor der geplanten Wahl der neutralen Schweiz in den UN-Sicherheitsrat im Juni 2022 nochmals für oder gegen die Kandidatur aussprechen.» Auch er sieht die Schweizer Neutralität akut gefährdet.
Im Aussendepartement (EDA) zeigt man sich weniger besorgt. Von den 50 bis 70 Resolutionen, die im Sicherheitsrat jährlich beschlossen würden, seien die grosse Mehrheit Routinegeschäfte, beschwichtigt Frank Grütter gegenüber der «NZZ am Sonntag». Die Schweiz habe sich zu vielen Fragen schon in anderen Kontexten positionieren müssen, so der Chef der Uno-Abteilung im EDA weiter. Schlussendlich komme man eh nicht darum herum, zu grossen Fragen Stellung zu beziehen.
So hat Bundespräsident Ignazio Cassis am Freitag einen Brief vom russischen Aussenminister Sergej Lawrow erhalten, wie der «Tagesanzeiger» berichtete. Lawrow wollte wissen, wie die Schweiz zur Sicherheit in Europa und zur Natio-Osterweiterung stehe. Das Aussendepartement trifft zu den Fragen nun Abklärungen.
Ob es der SVP schlussendlich gelingt, eine Kandidatur der Schweiz für den Sicherheitsrat zu verhindern, bleibt fraglich. Zwar finden sich in der Mitte-Fraktion und in der FDP auch einige kritische Stimmen. Dennoch dürfte dies kaum reichen, um das Vorhaben des Bundesrates so kurz vor dem Ziel zu stoppen. (saw)