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Die SVP-Kandidaten im Vergleich: Einer tanzt aus der Reihe

Die Wahl der Nachfolge von Ueli Maurer kommt in die heisse Phase.
Die Wahl der Nachfolge von Ueli Maurer kommt in die heisse Phase.bild: keystone / montage: ch media

Die SVP-Kandidaten im Vergleich: Einer tanzt aus der Reihe

Die Findungskommission der SVP empfiehlt alle fünf Kandidaten zur Wahl in den Bundesrat und lobt deren Gleichförmigkeit. Unterschiede gibt es natürlich trotzdem.
12.11.2022, 10:0214.11.2022, 13:46
Anna Wanner / ch media
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Die Findungskommission der SVP erklärte am Freitag via Medienmitteilung, die Kandidatin und die vier Kandidaten seien «alle wählbar»: Sie verfügten nicht nur über einen «eindrücklichen Leistungsausweis», sondern auch über die «notwendige Führungserfahrung». Die Wahl der Nachfolge von Ueli Maurer kommt nun in die heisse Phase. Geht es nach der Findungskommission sollen zwei der fünf Kandidaten aufs Ticket, also der Bundesversammlung zur Wahl vorgeschlagen werden. Doch was wissen wir über sie - abgesehen von Geschlecht, Beruf und Herkunft?

Der Berner Nationalrat Albert Roesti anlaesslich der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz vom Samstag, 22. Oktober 2022 im Schulhaus Staffeln in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Nationalrat Albert Rösti.Bild: keystone

Während die beiden Berner Albert Rösti (55) und Werner Salzmann (60) als amtierende National- und Ständeräte für die Öffentlichkeit fassbar sind, weil sie sich zu wichtigen politischen Themen regelmässig äussern, gilt das für die anderen drei nur bedingt.

Der Berner Nationalrat Werner Salzmann anlaesslich der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz vom Samstag, 22. Oktober 2022 im Schulhaus Staffeln in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Ständerat Werner Salzmann.Bild: keystone

Albert Rösti machte sich in der Politwelt einen Namen, weil er die Kampagne für die Masseneinwanderungs-Initiative leitete und mit ihr - gegen alle Erwartungen - an der Urne obsiegte. Spätestens mit seiner Wahl zum Parteipräsidenten erlangte er auch in der breiten Öffentlichkeit Bekanntheit. Zuletzt trat er als konzilianter Energiepolitiker auf, der auch mal gegen die Interessen der Partei agiert. Werner Salzmann interessieren andere Themen: Als passionierter Schütze bekämpfte er erfolglos die EU-Waffenrichtlinie. Armeefragen stehen für ihn zuoberst auf der Prioritätenliste.

Bundesratskandidat Hans-Ueli Vogt posiert an der kantonalen Delegiertenversammlung der SVP Zuerich fuer ein Portrait, aufgenommen am Dienstag, 25. Oktober 2022 in Langnau am Albis. Vogt kandidiert bei ...
Ex-Nationalrat Hans-Ueli Vogt.Bild: keystone

Auch beim Zürcher Ex-Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt (52) lässt sich das Abstimmungsverhalten im Nationalrat nachvollziehen, gleichzeitig bleibt er der Öffentlichkeit in Erinnerung mit Themen, bei welchen er sich national exponierte - etwa bei der Selbstbestimmungs-Initiative, beim Kampf gegen die «fremden Richter» oder bei der «Ehe für alle».

Die Nidwaldner SVP Regierungsraetin Michele Bloechliger gibt ihre Bundesratskandidatur als Nachfolgerin des abtretenden Bundesrat Ueli Maurer bekannt, am Montag, 17. Oktober 2022 im Rathaus in Stans i ...
Regierungsrätin Michèle Blöchliger.Bild: keystone

Die Regierungsrätin Michèle Blöchliger (55) und der Regierungsrat Heinz Tännler (62) hatten diese grosse Bühne nicht. In Erscheinung traten sie trotzdem: Blöchliger wehrte sich als Gesundheitsdirektorin während der Coronapandemie gegen die Schliessung der Restaurantterrassen in Skigebieten. Gesundheitsminister Alain Berset setzte sich gegen die Nidwaldnerin durch und verlangte die Umsetzung der nationalen Massnahmen.

ARCHIVBILD ZUR BUNDESRATSKANDIDATUR VON HEINZ TAENNLER --- Der Zuger Regierungsrat Heinz Taennler anlaesslich einer Medienkonferenz des Kanton Zug zum Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf den Kanton ...
Regierungsrat Heinz Tännler.Bild: keystone

Auch Heinz Tännler ist kein Unbekannter, tritt er doch regelmässig als Finanzdirektor des zweitgrössten Geberkantons in Erscheinung. Bekannt ist der Zuger vielen wegen eines Auftritts im Schweizer Fernsehen, als er einen Monat nach Kriegsausbruch in der Ukraine befragt wurde und zur schleppenden Suche nach Oligarchengeldern in der Schweiz verärgert erklärte: «Ich sehe im Moment keinen konkreten Handlungsbedarf.»

In den Hauptthemen Migration, EU und Sicherheit auf Parteilinie

Inhaltlich vergleichen lassen sich die Kandidaten über die Wahlhilfe Smartspider vom Verein Politools. Die fünf Kandidaten haben 75 Fragen zu 15 verschiedenen Themenbereichen beantwortet. Dass sich das Spinnennetz der Kandidaten nicht markant unterscheidet und vor allem den Bereich unten rechts abdeckt, ist ihrer Parteizugehörigkeit geschuldet: Ganz in SVP-Manier unterstützen alle eine restriktive Migrationspolitik sowie den Kauf neuer Kampfflugzeuge. Überhaupt wollen sie alle mehr für die Landesverteidigung und mindestens gleich viel für die öffentliche Sicherheit ausgeben. Diese Treue zur Parteilinie lobt auch die Findungskommission: «Alle Kandidaten sprechen sich klar für die Neutralität und Selbstbestimmung der Schweiz aus.» Dazu zähle auch das Bekenntnis einer sicheren und bezahlbaren inländischen Energieversorgung, die Stärkung der inländischen Lebensmittelproduktion und die Entlastung des Mittelstandes von Steuern, Abgaben und Gebühren.

Tännler ausser Norm: Für Gletscher-Initiative, Umweltschutz und Kostenbremse

Trotzdem tanzt auf den zweiten Blick einer aus der Reihe: Heinz Tännler ist im Vergleich zu den anderen Kandidaten eher eingemittet. So ist er nicht in der gleichen Konsequenz für eine restriktive Migrationspolitik. Er stellt vor das Nein jeweils ein «eher». Tännler sympathisiert darüber hinaus als Einziger mit den Zielen der Gletscher-Initiative, welche den Verzicht auf fossile Energieträger bis 2050 erreichen will. So unterstützt er auch die Förderung erneuerbarer Energien. Ein Anliegen, das auch Hans-Ueli Vogt für richtig hält. Tännler ist gleichzeitig für einen ausgebauten Tier- und Umweltschutz. Und er ist der einzige Kandidat, der den Abbau der Sozialhilfe in den Kantonen eher ablehnt, mit einer Kostenbremse im Gesundheitswesen liebäugelt und auch der Reform der beruflichen Vorsorge kritisch gegenübersteht: Er ist eher dagegen, den Umwandlungssatz zu senken, der die Höhe der Pensionskassenrente bestimmt.

Zwei liberale Elemente

In der Gesellschaftspolitik hebt sich hingegen Hans-Ueli Vogt vom Kandidatenfeld ab. Er unterstützt die Individualbesteuerung sowie die gleichen Rechte für gleichgeschlechtliche Paare. Auch Michèle Blöchliger befürwortet diese Gleichberechtigung. Im Unterschied zu Vogt lehnt sie aber eine weitere Lockerung der Fortpflanzungsmedizin ab.

In Bildungsfragen setzt die Frau Akzente: Blöchliger findet als einzige, dass sich der Staat für gleiche Bildungschancen einsetzen muss. Sie befürwortet das Konzept der integrativen Schule und will bei Weiterbildungen und Umschulungen staatliche Unterstützung.

Interessant ist zudem die Frage zum nationalen Finanzausgleich: Sollen die Geberkantone entlastet werden? Die beiden Berner vertreten den grössten Nehmerkanton. Bern bezieht 2023 rund 1.1 Milliarden Franken Ausgleichszahlungen. Die beiden Berner lehnen eine Entlastung verständlicherweise ab. Blöchliger und Vogt verteidigen ebenfalls die Interessen ihrer jeweiligen Kantone: Nidwalden zahlt 2023 rund 43 Millionen und Zürich als grösster Geberkanton 500 Millionen Franken. Beide befürworten eine Entlastung. Wohingegen Heinz Tännler einmal mehr ausschert. Sein Kanton ist nicht nur der zweitgrösste Geber mit 366 Millionen Franken, sondern pro Einwohner zahlt er am meisten in den Finanzausgleich ein, nämlich 2864 Franken. Tännler hat bei der Frage, ob er eine weitere Entlastung der Geber befürworte, «eher Nein» angekreuzelt. Ein Signal an die Mehrheit des Parlaments, das in Geberkantonen lebt?

Nuancen in der Rentenpolitik und Regulierungsgelüste

Die Frage des Rentenalters spaltet das Kandidatenfeld. Vogt, Tännler und Rösti sprechen sich dafür aus, dass Erwerbstätige länger arbeiten sollen. Salzmann und Blöchliger sind für Rentenalter 65. Ob der steigenden Gesundheitskosten finden Vogt, Blöchliger und Tännler, dass sich die Versicherten stärker an den Gesundheitskosten beteiligen sollen, etwa über eine höhere Franchise. Während Rösti als einziger Kandidat den Schweizer Impfplan für Kinder zur Pflicht erheben will. Die Legalisierung des Cannabiskonsums findet hingegen niemand gut.

Schliesslich befürworten die Kandidaten neue Regulierungen - nicht nur ein Cannabisverbot oder ein schärferes Asylrecht. So wollen die beiden Berner (Tourismusvertreter) Onlinevermittlungsdienste wie Airbnb oder booking.com besser regulieren. Tännler lehnt als einziger Kandidat die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ab.

Was die Kandidaten bei all den Differenzen letztlich eint, ist nicht nur der Wille, das Land zu regieren. Sie haben alle einen starken Zukunftsglauben: Dass nämlich die Digitalisierung mehr Chancen bietet als Risiken. (aargauerzeitung.ch)

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quelle: keystone / peter klaunzer
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48 Kommentare
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Pafeld
12.11.2022 11:03registriert August 2014
«.... die Entlastung des Mittelstandes von Steuern, Abgaben und Gebühren.»

Wann kommt denn diesbezüglich mal eine echte Entlastung für den Mittelstand von der SVP? Bis jetzt haben von der SVPschen Entlastungspolitik exklusiv die Oberschicht und Unternehmen profitiert. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren: Welcher politische Vorstoss der SVP der letzten 30 Jahre hat zu einer spührbaren Entlastung des Mittelstandes geführt? Ansonsten muss ich schlicht davon ausgehen, dass auch alle anderen politischen Schwerpunkte nichts als Lippenbekenntnisse sind.
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Hösch
12.11.2022 10:56registriert März 2022
Und von Blöchlinger weiss man wirklich nicht mehr als das sie ein Kompetenzgerangel unter Notrecht verlor?

Bisschen Schlagzeilenlastig.
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Yunnan
12.11.2022 12:29registriert Oktober 2019
Behauptung: "Dazu zähle auch das Bekenntnis einer sicheren und bezahlbaren inländischen Energieversorgung"

AKW: Nicht sicher, aber teuer

Fossile: Nicht inländisch

Realität: SVP ist gegen ein sichere, bezahlbare und inländische Energieversorgung
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Zahl der künstlichen Befruchtungen nimmt ab – Männer öfter von Unfruchtbarkeit betroffen
Fast jedes dreissigste im Jahr 2022 in der Schweiz geborene Kind entstand durch künstliche Befruchtung. Insgesamt nahmen in diesem Jahr rund 6609 Paare medizinische Hilfe für den Kinderwunsch in Anspruch.

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