Tötung von 120 Hunden in Ramiswil: Kritik an Behörden hält an
120 Hunde mussten im solothurnischen Ramiswil eingeschläfert werden. Es kamen schnell Zweifel auf, ob das in diesem Ausmass wirklich nötig war. Es sei jeder Fall einzeln beurteilt worden, kein Hund sei zu retten gewesen, sagen die Solothurner Behörden. Doch der Schweizer Tierschutz STS schreibt, dieser Fall werfe nicht nur Fragen zur Verantwortung der Halterin auf, sondern auch zur Rolle der Behörden.
Der STS fordert Transparenz und vertiefende Angaben darüber, weshalb aus Behördensicht eine Tötung derart vieler Tiere unausweichlich gewesen sei. Ohne diese Information entstehe ein Vertrauensverlust – denn weder aus Expertensicht noch für die breite Öffentlichkeit sei dieses Vorgehen derzeit nachvollziehbar.
Viele dieser getöteten Hunde waren anscheinend grosse Herdenschutzhunde. Es soll neben Kangalmischlingen auch Hunde von klassischen Herdenschutzhunde-Rassen auf diesem Betrieb gegeben haben – von den grossen italienischen Herdeschutz-Rassen Maremmano und Abruzzesen. Es stellt sich die Frage, ob diese Herdenschutzhunde überhaupt zu vermitteln gewesen wären.
Auch Herdenschutzhunde könnten vermittelt werden
Auf Anfrage sagt Felix Hahn von der Fachstelle Herdenschutz Schweiz, er kenne die Zusammensetzung der Hunderassen nicht und es sei nicht bekannt, ob diese Hunde als Herdenschutzhunde eingesetzt worden seien. Auch nicht, ob sie ständig bei Nutztieren waren oder im Zwinger.
Um etwas über die Vermittelbarkeit dieser Hunde zu sagen, müsste die Fachstelle etwas zum Ausbildungsstand dieser Tiere wissen. «Unseres Wissens gab es in Ramiswil keine Hunde, welche gemäss Jagdgesetzgebung als ‹anerkannte Herdenschutzhunde› galten», sagt Hahn. Dafür hätten sie die entsprechende nationale Eignungsprüfung erfolgreich absolvieren müssen, was der Fachstelle bekannt wäre.
Grundsätzlich sei kein Hund nur aufgrund seiner Rasse nicht vermittelbar, schreibt der Schweizer Tierschutz STS auf Anfrage. «Grosse und massige Hunde sind jedoch schwerer zu vermitteln.» Herdenschutzhunde benötigen viel Platz und eine Aufgabe. Wie bei allen Hunden müssen gemäss Auskunft des STS die individuellen Eigenschaften und der Ausbildungsstand der Hunde in Betracht gezogen werden.
«Nichtsdestotrotz: Auch Herdenschutzhunde können grundsätzlich vermittelt werden, auch wenn dies nicht ganz einfach sowie kostenintensiv ist – und viel Zeit in Anspruch nimmt», schreibt die Sprecherin des STS. In der Vergangenheit gab es gemäss der Tierschutzorganisation schon länderübergreifende Vermittlungen von Herdenschutzhunden aus Tierschutzfällen.
Unsicher ist auch, ob überhaupt jemand in der Lage gewesen wäre, die verwahrlosten, kranken Hunde aufzupäppeln. Dafür brauche es in der Schweiz ein engmaschiges System an staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren für mehr Tierschutz und Tierwohl, antwortet der STS. Tierschutzorganisationen wie der STS ergänzten die Arbeit der Behörden bereits heute schon unentgeltlich. Zum Beispiel unterstützen die Organisation die Behörden auch bei der Umplatzierung von beschlagnahmten Tieren.
Ein Nachbar erzählt, wie er den Fall Ramiswil erlebt hat:
Es gab zuvor bereits Kontrollen vom Veterinäramt
Wer selbst einen Hund hat, weiss, dass sich dieser schnell bemerkbar macht, wenn er Hunger hat. Dementsprechend wundert man sich, dass dieser Fall so lange beinahe unbemerkt blieb, auch wenn der Hof in Ramiswil sehr abgelegen ist. «Es gab Kontrollen vom Veterinäramt, diese wurde aufgrund einer Meldung aus der Öffentlichkeit gemacht», schreibt der STS.
Auch der STS habe 2024 eine Meldung ans Veterinäramt Solothurn weitergeleitet, zu der man aus Datenschutzgründen keine näheren Angaben machen könne. Bis anhin seien dem Schweizer Tierschutz allerdings keine Fälle bekannt, bei denen das Veterinäramt Solothurn Anlass zur Kritik gegeben habe.
Allerdings müssen generell die kantonalen Veterinärämter personell und finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen können. Aktuell sei dies nicht in allen Kantonen gleichermassen der Fall. Zudem fehle es oft an Koordination.
Bereits vor dem Fall Ramiswil hat der STS seine bestehenden Angebote zu einer nationalen Meldestelle Tierschutz zusammengeführt. «Die Meldestelle wird ab 2026 personell verstärkt und ist für Meldungen aus der Öffentlichkeit unkompliziert erreichbar», schreibt die Sprecherin vom STS.
Wenn ein Verdacht auf Missbrauch bestehe, werde dieser abgeklärt und in einem ersten Schritt das Gespräch gesucht. Sollte das zu keiner Lösung führen, würde durch den STS die Unterstützung durch die zuständigen Veterinärämter und anderen Behörden angefordert.
