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«Jeder kann beleidigt werden» – wie TikToker mit Cybermobbing umgehen

3 Tiktoker über Cybermobbing, Alayah Pilgrim, Kristian Grippo, Marina Fischer
Schweizer TikToker: Alayah Pilgrim, Kristian Grippo, Marina Fischer (v. l. n. r.)Bild: pexels/zVg

Hass im Netz – 3 Schweizer Influencer erzählen, wie sie damit umgehen

Hassnachrichten im Internet können alle treffen. Jeder vierte Jugendliche in der Schweiz hat schon einmal Cybermobbing erfahren. Drei TikToker erzählen ihre Tipps, wie sie mit beleidigenden Kommentaren und Nachrichten klarkommen – und welche sie zur Anzeige bringen würden.
21.11.2022, 12:0122.11.2022, 16:03
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Hast du schon einmal eine Hassnachricht erhalten?

Täglich werden allein über den Messenger-Dienst WhatsApp rund 100 Milliarden Nachrichten verschickt. Wie viele davon wohl Beleidigungen sind? Die Dunkelziffer kennt niemand.

Fakt ist, im Jahr 2022 kann jeder Hassnachrichten zugeschickt bekommen. Wer Messenger-Dienste wie WhatsApp oder soziale Medien wie TikTok auf seinem Handy installiert hat, der macht sich angreifbar für Beleidigungen, Bedrohungen, Blossstellungen oder Belästigungen. Automatisch setzt man sich so der Gefahr von Cybermobbing aus – ob man will oder nicht.

Es verwundert darum nicht, dass jede vierte Jugendliche in der Schweiz zwischen 14 und 19 Jahren bereits einmal erlebt hat, dass man sie online fertigmachen wollte, wie die JAMES-Studie der ZHAW aufzeigt. Im Internet gemobbt zu werden, ist schon lange kein Einzelphänomen mehr. Es gehört für viele Jugendliche zum Alltag.

Opfer von Cybermobbing kann jeder werden. Doch am meisten ausgesetzt sind der Gefahr Menschen mit einer hohen Präsenz in den sozialen Medien. Wer online viel postet und ein öffentlich einsehbares Profil hat, kann Anfeindungen in der Kommentarspalte kaum vermeiden.

Erfahrungen von Influencern

«Du bist kein richtiger Mann! Wenn du mir auf der Strasse begegnest, musst du aufpassen», kommentierte jemand ein TikTok-Video von Kristian Grippo, einem 20-jährigen Influencer aus Basel.

«Typisch für so eine scheiss Blondine», meinte ein anderer User zu einem Video von Marina Fischer, die in Zürich eine TikTok-Agentur führt. Kommentare wie: «Wem willst du etwas beweisen? Frauen können kein Fussballspielen», liest die 19-jährige Fussballspielerin Alayah Pilgrim aus Muri regelmässig.

Die drei TikToker möchten ihre Erfahrungen teilen, die sie mit Cybermobbing gemacht haben, und erzählen, wie sie damit umgehen. Doch der Reihe nach.

Mit 5,4 Millionen TikTok-Followern und einer Million auf Instagram gehört Kristian Grippo zu den reichweitenstärksten Influencern der Schweiz. Seine Videos, in denen er tanzt, sich schminkt oder virale Trends mitmacht, wurden hunderte Millionen Mal angeschaut.

Kristian Grippo, Influencer aus Basel
Als TikToker kann man beleidigende Kommentare schwer vermeiden: Influencer Kristian Grippo.Bild: screenshot instagram/kris8an

«Wenn ich etwas poste, habe ich schnell zwischen 300 und 1000 Kommentare», sagt Kristian zu watson. Einige Videos erreichen sogar über 10'000 Kommentare. Wie viele davon beleidigend sind, zählt er schon lange nicht mehr. Doch das war nicht immer so.

Über Cybermobbing reden

«Als ich mit TikTok angefangen habe, verletzten mich böse Kommentare sehr», sagt er. Gerade als Jugendlicher frage man sich mehr, ob andere recht haben würden, findet der Basler. Mittlerweile ignoriere er negative Nachrichten aber einfach: «Wenn ich mich schminke oder auf andere Art kleide als ein stereotyper Mann, muss mir niemand sagen, dass das falsch ist.»

Der 20-Jährige rät deshalb allen, solche Nachrichten zu ignorieren. «Ich habe gelernt, nicht darauf einzugehen, um noch mehr Hass zu vermeiden», erklärt Kris. Wenn jemand aber konkrete Drohungen ausspreche oder sogar die Wohnadresse kommentiere, solle man zur Polizei gehen, sagt der Influencer.

Wurdest du schon einmal online gemobbt?

Wichtig sei zudem, in diesen Situationen nicht allein zu sein: «Mit Freunden oder der Familie über Cybermobbing zu reden, kann sehr hilfreich sein.» Wer lieber mit einer Fachperson rede, könne dies am Sorgentelefon147 von Pro Juventute machen.

Die gleiche Taktik mit Hasskommentaren verfolgt die Profisportlerin Alayah Pilgrim. Die 19-jährige Aargauerin empfiehlt, böse Nachrichten sofort zu löschen. Aus den Augen – aus dem Sinn. «Noch besser ist es, beleidigenden Kommentaren keine Aufmerksamkeit zu schenken», sagt Alayah, deren TikTok-Videos über eine Million Mal gelikt wurden.

Alayah Pilgrim
Die Fussballerin Alayah Pilgrim empfiehlt, beleidigende Kommentare nicht zu beachten. Bild: watson/Aya baalbaki

Wenn jemand immer wieder negativ auffalle, sollte man diese Person blockieren, findet sie. Und: «Sofort der Plattform melden sollte man zudem Profile, die deine Bilder stehlen und sich unter einem neuen Account als dich ausgeben.»

Ihrem Freund und ihr selbst sei das schon mehrmals passiert, sagt Alayah. Generell empfehle sie Cybermobbing-Betroffenen zudem, über die Erfahrungen zu sprechen, um sie besser zu verarbeiten.

«Diskussion, die kein Ende findet»

Auch die 28-jährige Marina Fischer wird immer wieder in den sozialen Medien angefeindet. «Du fettes Schwein» sei ein Kommentar, der sie früher verletzt habe. «Egal ob ich 80 oder 48 Kilogramm war, diese Nachrichten erhielt ich beides Mal», sagt Marina. In ihren Teenagerjahren habe sie in solchen Situationen oft wütend und verletzt «zurückgeschossen». Genützt habe das aber jeweils wenig.

«Wenn man auf eine Beleidigung eingeht, beginnt eine unangenehme Diskussion, die meistens kein Ende findet», sagt Marina aus Erfahrung. Wirksam könne höchstens sein, dem anderen zu schreiben, wie man sich als angegriffene Person fühle.

Aber grundsätzlich empfehle sie, beleidigende Kommentare zu löschen und diese Profile, wenn es öfter vorkomme, zu blockieren. Zudem soll unterschieden werden zwischen Hasskommentaren und Meinungen.

Marina Fischer, Gründerin Tiktok-Agentur FINNA
Die Gefühle mitteilen, empfiehlt Marina Fischer.Bild: zVg

Die drei TikToker raten alle, sich nicht zu fest auf Hasskommentare einzulassen, diese zu löschen und die betroffenen Profile zu blockieren. Schlimme Fälle und konkrete Drohungen sollten zudem polizeilich zur Anzeige gebracht werden.

Und am besten verarbeiten könne man Cybermobbing, indem man mit dem Umfeld darüber spreche. Denn die meisten Menschen haben Erfahrungen damit gemacht, da heutzutage jeder Hasskommentare zugeschickt bekommen kann.

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45 Kommentare
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Schlüsselblüemli
21.11.2022 14:10registriert April 2020
Man muss nicht mal Influencer sein, auch hier in den Kommentaren ist oft eine extreme Gehässigkeit zu spüren und null Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Die Menschheit verkümmert und der einzige Selbstschutz ist nicht mehr online zu sein. Was ist nur aus den Menschen geworden?!
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Symphonica
21.11.2022 16:28registriert August 2020
Wenn all die Hater ihre Worte direkt jemanden ins Gesicht sagen müssten, würden die meisten den Schwanz einziehen und sagen, ist imfall nicht so gemeint....feiges Pack!
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RaisingPhoenix
21.11.2022 16:38registriert September 2021
Ich verstehe weder dieses übertriebene Mitteilungsbedürfnis ubd dieses ewige Haschen nach Aufmerksamkeit in Form von Klicks und Followern genau so wenig, wie die Aggressivität gegenüber anderen Meinungen, Ansichten etc.

Und nein, es hat mit "victim blaming" nix zu tun, wenn man das Offensichtliche ausspricht:

Wer im Internet postet (und somit nach Aufmerksamkeit sucht), der muss sich bewusst sein, dass positive wie negative Aufmerksamkeit kommen wird.

Aber ja... die heutige Gesellschaft hat es verlernt, anständig miteinander umzugegen.
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