«Essen, Wasser und Unterkunft – mehr brauchst du nicht», sagt Ron. «Da kann der reichste Mann der Welt kommen. Wenn er kein Wasser mehr hat, ist fertig.» Ron weiss, wovon er spricht. Zweimal wäre er in Mosambik fast verdurstet, als er sein Velo durch totales Niemandsland über eine Sandpiste schob. Eineinhalb Tage lang hatte er jeweils keine Menschenseele getroffen, doch just als er seinen letzten Schluck Wasser trank, kam die zufällige Rettung.
Das war vor über zwei Jahren. Ron startete am 30. Juni 2013 mit seinem Velo in Kapstadt. Ziel war, jedes Land auf dem afrikanischen Festland zu durchfahren. Nach Ägypten hängte er noch Europa an. Ich treffe ihn auf Einladung des Snow Bike Festivals in Gstaad. Manchmal fühlt es sich surreal an. Er erzählt von Erlebnissen, Gedanken, Weltanschauungen – und ich habe das Gefühl, ich höre mich selbst sprechen. Nur, dass es sich bei meiner Tour um die Kindergrösse handelt, er aber mit der XXL-Version daher kommt.
Seine 27-monatige Fahrt endet Mitte September mit dem letzten Teilstück von Paris nach Brighton an die Rugby-WM. Über 40'000 Kilometer hat der Südafrikaner dabei zurückgelegt. Vor dem Start verkaufte er alles. «Wenn ich nach der Rugby-WM zurückreise, weiss ich gar nicht wohin. Ich habe kein Zuhause mehr.» Aber die Zukunft wird ihm schon was Gutes bescheren. Momentan sagt er – und man glaubt's ihm aufs Wort: «Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.»
Natürlich beinhalte die Reise Risiken. Ron aber sagt: «Ich glaube, das grössere Risiko ist, dass ich nicht das mache, was ich will, aber darauf hoffe, mir eines Tages damit die Freiheit erkaufen zu können.» Im Leben gehe es nicht um Besitztümer, sondern um Erlebnisse.
Die Fahrt durch Afrika sei unvergleichbar. «Wenn du Afrika nur von CNN kennst, musst du ja glauben, dass da alles im Eimer ist», holt er aus, «aber ich glaube, dass 99,9 Prozent der Menschen gut sind und meine Erfahrungen bestätigen dies. Egal wo ich war, nie wurde ich abgelehnt. Überall durfte ich mein Zelt aufstellen. Die Ärmsten der Armen schenkten mir ihr Wasser und ihr Essen. Und meine Gegenleistung? Ein Bild von ihnen, das ich ihnen auf dem Display meiner Digitalkamera zeigen konnte.»
Der Drahtesel sei für so ein Abenteuer das perfekte Fortbewegungsmittel. «Du merkst jede Steigung, jedes Lüftchen, du fühlst alles. Das ist ein einmaliges Gefühl.» Dabei habe er früher immer schon gerne Berichte oder Bücher von modernen Abenteurern gelesen. Und irgendwann sagte sich der Rugby-Narr: «Warum immer nur die anderen? Warum nicht ich?» Also setzte er sich vor die Afrika-Karte und zeichnete seine geplante Route ein.
Gewidmet ist die Fahrt Lettie. Eine gute Kollegin von Ron, welche an Krebs erkrankte und während der Tour verstarb. Ihr und dem Leben, der Gesundheit, der Möglichkeit, solche Dinge zu tun. Sein Fahrrad taufte Ron ebenfalls Lettie, die Tour «Lettie's Ride». Zudem gibt's eine Spendenaktion für Krebsleidende.
In diesen Tagen geniesst Ron die Schweiz. Europa sei sowieso wie «Ferien vom Abenteuer» und die Schweiz nochmals speziell. «Es fühlt sich an, als ob ich die ganze Zeit durch eine nicht enden wollende Postkarte fahre», lacht er. Vergessen sind die Leiden, als er im Busch campierte, sein Zelt abfackelte, fast 40 Tage keine richtige Dusche sah, das Velo durch die Wüste schob, bei fast 50 Grad schmachtete, Visaprobleme hatte, in Kriegsgebiete geriet. Die Anekdoten sind endlos. Ron sagt: «Das Schwierigste war, anzufangen. Du musst einfach mal loslegen. Nur wer aus seiner Komfortzone geht, erlebt das richtige Leben.» Bei ihm sei das jetzt diese Tour, bei jemand anderem vielleicht nur schon zehn Minuten joggen: «Es gibt nichts Schöneres, als wenn mir fremde Menschen schreiben, ich hätte sie inspiriert.»
Ah ja, fast vergessen. Der wichtigste Tipp von Ron, falls jemand mal durch Afrika reisen möchte: «Schreibt einen Brief, was ihr macht und ergänzt dieses mit einem Photoshop-Bild von euch, Arm in Arm mit Nelson Mandela – es wirkt Wunder.»