Viele sagen, wer das urchige Wallis noch erleben will, müsse mal nach Isérables hoch. Gut 700 Meter über Riddes liegt der Ort, welcher – unten vom Tal gut sichtbar – am steilen Hang klebt.
Ich setze mich ins Restaurant, geniesse die Aussicht und frage nach Geschichten aus dem Dorf. Ich werde an drei ca. 80-jährige Frauen verwiesen, die am Stammtisch plaudern. Französisch natürlich. Deutsch haben sie nie gelernt. Alle drei sind hier aufgewachsen und haben ihr Leben hier oben verbracht.
Das war in ihrer Jugend noch ein völlig anderes Leben. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Isérables praktisch selbstversorgend. Ins Tal führte nur ein Pfad, welchen die Menschen mit Maultieren beschritten, um die wichtigsten Dinge hoch zu transportieren. Fast zwei Stunden habe das gedauert. Dann gab es auch noch einen «Kletterweg», mit vielen Leitern gesäumt, auf welchem man nur 45 Minuten ins Tal hatte. Angeblich zogen die Bewohner die Leitern Abends jeweils hoch, damit ja keine ungebetenen Gäste einfach nach oben kommen konnten.
An die Aussenwelt wurde Isérables 1942 angeschlossen. Mit einer der ersten Seilbahn im Wallis. Eigentlich hätte sie schon vier Jahre früher kommen sollen, aber dem Kanton fehlte nach der Abstimmung das Geld.
Über den Bau entschieden wurde 1937, weil in den Jahren zuvor wieder einmal einer tödlich verunglückte, als er die Transportbahn nutzte. Diese gab es schon einige Jahre und brachte vor allem Steinplatten für Dächer, die oben produziert wurden, ins Tal.
Das Bauwerk galt für viele andere Bahnen als Inspiration. Die Fahrt vom Berg ins Tal dauerte jetzt nur noch wenige Minuten.
Eine Strasse hoch zum Berg wird erst in den 1960er Jahren fertig gestellt. Sie bringt zwar viele Annehmlichkeiten, aber die Seilbahn bleibt weiterhin sehr wichtig. Alle 30 Minuten fährt sie zwischen dem 800-Seelendorf und Riddes und ist – im Gegensatz zu vielen anderen Seilbahnen in den Bergkantonen – meist gut ausgelastet.
Die drei Frauen erzählen von früher. Besser sei natürlich alles gewesen. Die Jungen heute hätten zu viel. Ein Auto beispielsweise. Das sei unvorstellbar gewesen. Dann zeigen sie auf ein Bilder hinter sich an der Wand:
«Das war das erste Auto, das nach Isérables kam. Mit der Seilbahn», lachen sie. Ein Jeep war's, irgendwann um 1960. «Ja, ein paar wenige Strassen hatten wir hier oben im Dorf schon, einfach keine Verbindung nach unten. Ein reicher Mann wollte unbedingt ein Auto haben. Da hat er es halt hochfahren lassen.»