Schweiz
Tourismus

Mühsame Touristen: SAC-Hüttenwartin tritt per Saisonende zurück

Zwei Wanderer geniessen die Aussicht auf den Limmerensee, einen Speichersee, aufgenommen am Montag, 10. Juli 2023, in Linthal. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Der Limmerensee ist ein beliebtes Sujet für Instagram-Posts.Bild: keystone

Wegen mühsamen Insta-Touristen – SAC-Hütte beim Limmerensee verliert ihre Hüttenwartin

Nach vier Jahren tritt die Hüttenwartin der Muttseehütte im Glarus zurück. Gründe seien anstrengende Gäste und die langen Arbeitstage.
21.08.2024, 14:1321.08.2024, 17:41
Mehr «Schweiz»

Claudia Freitag arbeitete für vier Jahre als Hüttenwartin für den Schweizer Alpen-Club (SAC) in der Muttseehütte oberhalb von Linthal im Glarus, nun hat sie ihre Stelle gekündigt.

Gegenüber den Glarner Nachrichten beschreibt sie ihre Zeit in der Hütte als sehr intensiv und wertvoll. Dennoch hat die anspruchsvolle Arbeit, die oft 15-Stunden-Tage beinhaltete und sieben Tage die Woche umfasste, ihren Tribut gefordert. «Die Arbeit braucht viel Energie, die ich nicht wieder zurückholen kann», erklärt sie. Deshalb habe sie beschlossen, ihre Stelle zum Ende der Saison aufzugeben.

Sie hoffe, in den Bergen in Zukunft wieder Erholung finden zu können.

SAC-Hütte wird immer beliebter

Die Beliebtheit der Muttseehütte ist in den letzten Jahren stark gestiegen, was sich auch in den Übernachtungszahlen zeigt: Seit 2013 sind die Übernachtungen um 124 Prozent gestiegen und trotz Corona wurde bereits 2023 das Niveau von vor Corona erreicht.

Der Limmerensee, der von der Muttseehütte aus sichtbar ist, zieht viele Gäste an, die oft nur für das «perfekte» Foto für ihre Social-Media-Profile kommen. Laut Freitag würden aber viele dieser Besucher nicht wissen, wie man sich in den Bergen verhalte. Oft seien sie unzureichend ausgerüstet und trügen schlechte Schuhe.

Zwei Wanderer geniessen die Aussicht auf den Limmerensee, einen Speichersee, aufgenommen am Montag, 10. Juli 2023, in Linthal. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Die Aussicht auf den Limmerensee.Bild: keystone

Das mangelnde Verständnis für die Gegebenheiten der Schweizer Alpen ist ein häufiges Problem. Viele Touristen sähen keinen Unterschied zwischen einer normalen Gaststätte im Tal und einer SAC-Hütte. «Diese Menschen sind in der Regel an einen ganz anderen Lebensstil gewöhnt und wissen es einfach nicht besser», sagt Freitag.

Wie Freitag erklärt, sei den Gästen oft nicht bewusst, welchen Aufwand die Hüttenwartin und ihr Team betreiben müssten. Dazu gehört unter anderem der komplizierte Abtransport von Abfällen oder das Kochen in der nicht perfekt ausgerüsteten Küche.

Einheimische bleiben fern

Laut Freitag entsteht der eigentliche Stress für das Hütten-Team durch die wachsenden Ansprüche der Gäste, insbesondere in Bezug auf das Essen. Allergien und Lebensmittelintoleranzen seien heutzutage weit verbreitet.

Dazu kommt, dass viel Restaurantgäste zu spät ankommen. Um 16 Uhr möchten sie dann etwas Warmes essen, während die Bahn nur bis 18 Uhr fährt. Daher hat Freitag das Küchenangebot angepasst: Warme Speisen werden nur bis 16 Uhr serviert, danach wird nur noch für Übernachtungsgäste gekocht.

Nico und Reto sind da übrigens auch schon hochgewandert:

Ein weiteres Problem sei, dass weniger Einheimische die Muttseehütte besuchen. Diese könnten oft mehr Verständnis für das Leben in den Bergen aufbringen und dem Team die Arbeit erleichtern. Freitag berichtet von langen Wartezeiten an der Seilbahn, wo Wanderer bis zu zwei Stunden anstehen, um zur Hütte zu gelangen. «Einheimische tun sich das nicht an, verständlicherweise», sagt sie.

SAC zeigt Verständnis

Wie Bruno Lüthi, Fachleiter Hüttenbetrieb des Schweizer Alpen-Clubs (SAC), gegenüber dem «Blick» erklärte, hätten viele Menschen während der Pandemie erstmals eine SAC-Hütte besucht, was die Besucherzahlen erfreulich steigerte. Hütten in der Nähe von Seilbahnen, wie die Cabane du Mont Fort oder die Weissmieshütte, hätten diesen Anstieg besonders gespürt. Allerdings bringen diese neuen Gäste oft hohe Erwartungen mit, wie À-la-carte-Menüs, Doppelzimmer mit täglichem Bettwäschewechsel, Duschen und öffentliches WLAN.

Limmernsee Muttseehütte SAC
Die Muttseehütte hat jeweils nur 76 Plätze pro Nacht. Hier ein Bild der Hütte aus dem Winter.

Lüthi betont jedoch, dass SAC-Hütten einfache Gebirgsunterkünfte bleiben, die nicht an öffentliche Strom-, Wasser- oder Abwassernetze angeschlossen sind. Deshalb muss sparsam mit Ressourcen umgegangen werden.

Viele Gäste seien sich dessen nicht bewusst, was zusätzlichen Erklärungsaufwand erfordere. Zudem hebt Lüthi hervor, dass es wichtig sei, sich rechtzeitig abzumelden, wenn etwas dazwischenkommen sollte. Bis zu 10 Prozent der Gäste tun dies nicht. Dies sei ärgerlich, da die Plätze dann ungenutzt bleiben, obwohl andere Gäste sie gerne belegt hätten. (ear)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
30 herrlich verrückte Autonummern, die du kennen musst
1 / 32
30 herrlich verrückte Autonummern, die du kennen musst
Die folgenden 29 Bilder zeigen dir herrlich verrückte Autonummern, die du kennen musst.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wanderung zum Limmernsee
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
151 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Relic of the fifties
21.08.2024 14:38registriert November 2019
Ich war gestern auf dieser schönen Hütte mit top Bedienung. Schon auffallend, wie Leute mit total ungeeigneten Schuhen, aber dafür mit sehr exklusiven Tops (und hochroten Köpfen) den Bergwanderweg nutzten. Meine „Hitliste“ angeführt hat ein Typ in Sneakers, welcher sich minutenlang selbst filmte, dabei irgendetwas erzählte und sich (beim Gehen!) dauernd um die eigene Achse drehte; dies notabene auf dem Wegabschnitt nach der Seilbahnstation, der ausdrücklich mit „nur für schwindelfreie Berggänger“ gekennzeichnet ist und bei dem ein Fehltritt fatale Folgen haben würde. Stupidity at its best!
26110
Melden
Zum Kommentar
avatar
rosen nell
21.08.2024 14:43registriert Oktober 2017
Ich bewundere diese Diplomatie😃 Eigentlich gehört diesen Insta Trullas und Trullos klar gesagt wie die Gämse in den Bergen läuft. Die kennen die Dresscodes um am Club-Türsteher vorbei zu kommen, ergo darf man sich auch fürs Gebirge den Gegebenheiten anpassen. Punkt. Und auf die Insta-Storry: „He Leute ich bekomm hier in der SAC Hütte nicht mal n‘Chai-Hafer-Latte mit Ceylon Zimt!“ freue ich mich schon jetzt.
19310
Melden
Zum Kommentar
avatar
Firefly
21.08.2024 15:45registriert April 2016
Gibts hier nicht...
Haben wir nicht...
Sie werden es überleben...

Einfache Antworten für komplizierte Kunden.
1826
Melden
Zum Kommentar
151
    Coop und Migros steigen im Ranking der grössten Detailhändler auf

    Die Schweizer Detailhandelsriesen Coop und Migros haben sich im internationalen Vergleich behauptet. Gemäss einer Studie des Unternehmensberaters Deloitte schaffte es Coop auf Rang 34 und Migros auf Platz 41 unter den 250 grössten Detailhandelsfirmen der Welt.

    Zur Story