wechselnd bewölkt
DE | FR
Schweiz
TV

Replay-TV wird teurer und unattraktiver

Replay-TV hat dem klassischen Fernsehen einen Schub gegeben – und wird jetzt beschnitten

Die Coronakrise hat dem tot geglaubten linearen Fernsehen einen neuen Schub verliehen, wie eine aktuelle Studie belegt. Doch eine besonders geschätzte Funktion wird nun beschnitten.
24.03.2022, 08:21
Stefan Ehrbar / ch media
Mehr «Schweiz»

«Das Internet? Gibt es diesen Blödsinn immer noch?», fragt Homer Simpson in einer Folge der gleichnamigen Fernsehserie aus dem Jahr 1999. Mittlerweile müsste er umgekehrt fragen: «Lineares Fernsehen? Gibt es das immer noch?». Denn das klassische Fernsehen hat in den letzten Jahren gelitten. Besonders jüngere Menschen nutzen lieber Streaming-Dienste wie Netflix oder Online-Plattformen und Apps wie Youtube und Tiktok.

Nun zeichnet sich ein überraschendes Comeback des linearen Fernsehens ab. Das zeigt der alljährliche Report des Streaming-Anbieters Zattoo, für den das Marktforschungsunternehmen Kantar Anfang Jahr 800 Internetnutzerinnen und -Nutzer in der Schweiz befragt hat.

Tv remote
Live-TV hat an Beliebtheit gewonnen. Bild: shutterstock

Live-Fernsehen mit neuem Schub

So gaben 42 Prozent der Befragten an, Live-Fernsehen über das Internet zu konsumieren. Das sind 2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und 8 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2020. «Die Zunahme der Live-TV-Nutzung in den letzten beiden Jahren wirkt entgegen dem abnehmenden Trend, der noch vor der Corona-Pandemie zu erkennen war», heisst es in der Studie.

Eine Erklärung wird nicht geliefert. Die Zunahme könnte zumindest teilweise darin begründet sein, dass immer mehr Menschen kein klassisches Fernsehabo mehr haben und deshalb übers Internet fernsehen. Das zeigt sich auch bei der Entwicklung der genutzten Empfangswege.

Kabel verliert weiter

So nutzten Anfang Jahr bereits 61 Prozent das Internet als Empfangsweg fürs Fernsehen, wozu neben Apps wie Zattoo oder Teleboy auch IPTV-Angebote wie jene der Swisscom («blue TV») oder Sunrise TV gehören.

Der Fernsehempfang via Kabel verlor erneut deutlich an Bedeutung und wird noch von 40 Prozent der Befragten genutzt. Im Vorjahr waren es 51 Prozent. Der Empfang über Satellit und digitales terrestrisches Fernsehen (DVB-T) kamen auf nur noch 7 respektive 3 Prozent.

Wie empfangen Sie in Ihrem Haushalt TV-Angebote?
bild: ch media

Dass lineares Fernsehen wieder an Beliebtheit gewinnt, heisst nicht, dass der Boom von Netlflix & Co. vorüber wäre. Im Gegenteil: Mit 23 Prozent nutzt bereits fast jeder vierte Online-Nutzer einen dieser Video-On-Demand-Dienste. Den Markt dominiert Netflix, das um elf Prozentpunkte zulegen konnte und mit einem Anteil von 79 Prozent das beliebteste Angebot bleibt. Um 7 Prozentpunkte zulegen konnte das Angebot Disney+, das im Jahr 2020 in der Schweiz lanciert wurde und bei den Nutzern von solchen Diensten bereits auf einen Anteil von 27 Prozent kommt.

Die Angebote der Swisscom («Blue Play») und der SRG («Play Suisse») vermögen weniger Menschen zu begeistern: Sie werden von 15 respektive 18 Prozent genutzt. Diese Werte sind erstaunlich tief, denn Play Suisse ist für alle und Blue Play für Swisscom-Fernsehabonnenten kostenlos nutzbar.

Weniger eindeutig sind die Resultate in Hinblick auf die Beliebtheit der Mediatheken der Fernsehsender. Jene des SRF («Play SRF») wurde Anfang 2022 von 53 Prozent genutzt und legte damit um zwei Prozentpunkte zu. Die Mediathek der ARD wurde hingegen nur noch von 30 Prozent genutzt. Im Vorjahr waren es 38 Prozent gewesen. Auch die Mediatheken von ProSieben und Sat.1 verloren und wurden noch von 21 respektive 18 Prozent frequentiert.

Das erstaunt nur auf den ersten Blick. Denn die Replay-Funktion, welche mittlerweile fast alle Verbreiter anbieten, bietet dieselben Annehmlichkeiten wie die Mediatheken - und zwar sowohl bei Internet-Angeboten wie Zattoo als auch auf klassischen TV-Boxen von Swisscom, Sunrise oder Salt. Replay TV ermöglicht das Anschauen von Sendungen bis zu 14 Tage aus der Vergangenheit, ohne diese aufgenommen zu haben

Video-Angebote im Internet
Bild: ch media

Diese Funktion dürfte auch massgeblich dazu beitragen, dass lineares Fernsehen noch immer sehr beliebt ist und sogar zulegen konnte. Unter den Nutzern von TV-Streaming-Angeboten nannten in der Befragung gar 42 Prozent das Replay als wichtigsten Vorteil – sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Für sie gibt es allerdings schlechte Nachrichten.

Denn die Funktion wird stark eingeschränkt. Einerseits darf sie neu nur noch maximal 7 statt wie bisher 14 Tage angeboten werden. Andererseits wird sie teurer. Verbreiter wie die Swisscom, Zattoo oder Sunrise müssen neu maximal 7 Franken pro Nutzer und Monat für den gleichen Funktionsumfang an die Sender abliefern. Bisher waren es 2 Franken gewesen.

Werden Konsumenten vergrault?

So soll die gesunkene Reichweite für Werbespots kompensiert werden, die von Nutzern häufig übersprungen werden. Geregelt ist das in einer Vereinbarung zwischen den Verwertungsgesellschaften und Nutzerverbänden. Darauf gedrängt haben Fernsehsender wie jene der SRG, die deutschen Privatsender wie Pro7 und RTL, aber auch jene von CH Media wie 3+, zu dem auch dieses Portal gehört.

Eine geringere Gebühr wird fällig, wenn Werbespots eingebaut werden, die von den Nutzern nicht überspult werden können. Das macht das Angebot aber deutlich weniger attraktiv - und ist technisch so komplex, dass sich die Einführung der neuen Regeln laut einer Aussage von Sunrise-Chef André Krause gegenüber der Agentur AWP um einige Monate verzögert.

Mit den Anbietern Init7 und Salt haben erste Anbieter bereits bekannt gegeben, die höheren Kosten auf die Kundschaft zu überwälzen. Weitere könnten folgen. Ob die Fernsehsender mit den Mehreinnahmen durch die neue Gebührenordnung langfristig mehr Geld einnehmen, als sie verlieren, weil sie Kunden vom Fernsehen vergraulen, ist eine offene Frage.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen

Samsung erfindet den Fernseher neu

1 / 11
Samsung erfindet den Fernseher neu
So sieht ein TV mit Micro-LEDs in der Realität aus. Das erste Modell, «The Wall», hat eine Diagonale von 146 Zoll. Künftig sollen mit der Modultechnik aber auch andere Bildschirmformen möglich werden.

Auf Facebook teilenAuf X teilenWhatsapp sharer

Und jetzt zerstört Emily «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel»

Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
57 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sa_Set
24.03.2022 08:34registriert Oktober 2019
Das lineare Fernsehen liegt im sterben und mitmder verteuerung des Replay-TV, schlagen sie nur einen weiteren Nagel in den Sargdeckel. Mir soll's recht sein.
7310
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mike7788
24.03.2022 09:19registriert Juni 2021
Bei welchem Anbieter gab es denn bitte 14 Tage Replay? Es gibt doch schon lange nur noch 7 Tage Replay.
433
Melden
Zum Kommentar
avatar
benn
24.03.2022 09:41registriert September 2019
ich nutze swisscom tv und das ist schon völlig überteuert, wenn swisscon nun noch für replay ohne werbung noch mehr geld verlangen würde bin ich weg!
363
Melden
Zum Kommentar
57
Ex-Bischof Bernard Genoud wegen sexueller Handlungen beschuldigt

Bernard Genoud, der 2010 verstorbene ehemalige Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, wird sexueller Handlungen an einer 19-jährigen Frau beschuldigt. Es ist das erste Mal, dass eine Persönlichkeit dieses Ranges ins Visier genommen wird.

Zur Story