Lieferketten-Finanzierungen à la Greensill und Credit Suisse: Die UBS hat ein Déjà-vu
Kreditverluste sind das tägliche Brot jeder Bank. Im Normalfall bleiben sie so gering, dass sie keinen grösseren Schaden anrichten. Das sollte im Prinzip auch beim amerikanischen Autoersatzteilhersteller First Brands der Fall sein, der Ende September Gläubigerschutz angemeldet hat.
Das Unternehmen mit seinen weltweit 26'000 Angestellten und einem Jahresumsatz von 5 Milliarden Dollar sitzt auf einem Schuldenberg von 10 Milliarden Dollar. Doch die bilanzielle Schuldenstruktur des Unternehmens deute nicht darauf hin, dass sich daraus ein grösseres Problem für die kreditgebenden Banken entwickeln könnte. Das kann man aus einer aktuellen Analyse der Kreditbewertungsagentur Fitch herauslesen.
Wer sind die Gläubiger von First Brands?
Stattdessen schreiben die Spezialisten von Fitch: Die Probleme von First Brands scheinen auf Finanzierungen in Milliardenhöhe ausserhalb der Bilanz zurückzugehen. Dazu gehören Vereinbarungen über Vorfinanzierungen von verkauften Lieferungen und Leistungen sowie von Lagerbeständen. Diese ausserbilanziellen Finanzierungen können unter dem Begriff «Privatkredite» subsumiert werden, da die Verbindlichkeiten privat zwischen First Brands und seinen verschiedenen Kreditgebern eingegangen wurden. Sie unterscheiden sich jedoch von der traditionellen direkten Kreditvergabe, die typischerweise auf der Bilanz steht und durch eine erstrangige, alle Vermögenswerte umfassende Sicherheit für die Kreditnehmergruppe abgesichert ist.
Wie ist UBS in die First-Brands-Pleite involviert?
Die UBS scheint nicht zu den gewöhnlichen Kreditgebern von First Brands zu gehören. Nach dem bisherigen Kenntnisstand haben amerikanische Anleger dem insolventen Unternehmen Geld über spezielle Investmentfonds von UBS und Tochterfirmen von UBS geliehen. Es geht nach bisherigen Erkenntnissen um 516 Millionen Dollar, die diese Anleger über UBS-Fonds mit den Namen «UBS Hedge Fund Solutions» oder «1977 O'Connor» sowie um drei weitere Fonds von UBS Asset Management (Americas) bei First Brands investiert haben.
Offenbar bestehen für die gewährten Kredite der beiden erstgenannten Fonds in Höhe von 351 Millionen Dollar keine Sicherheiten. Es soll sich bei diesen Krediten um die von Fitch beschriebenen ausserbilanziellen «Vorfinanzierungen von verkauften Lieferungen und Leistungen» handeln. Diese Art von Kreditgeschäften hatte einst die untergegangene Credit Suisse mit ihren Fonds für Lieferkettenfinanzierungen berühmt und berüchtigt gemacht. Die sogenannten Greensill-Fonds, mit denen die Credit Suisse bei rund 1000 offiziell als versiert eingestuften Kunden insgesamt 10 Milliarden Dollar eingesammelt hatte, um mit dem Geld auch notleidende und letztlich zahlungsunfähige Firmen zu finanzieren, war einer der Gründe für den Untergang der Credit Suisse.
Warum sind Anlageverluste von Kunden ein Problem für die Bank?
Von den 10 Milliarden Dollar dieser Greensill-Investments konnte Credit Suisse 2,6 Milliarden Dollar nicht mehr zurückgewinnen. Es kam zu Klagen gegen die Bank, welche die Investments zu Unrecht als «risikoarm» vermarktet hatte.
Um den Reputationsschaden kleinzuhalten, hat die UBS im vergangenen Jahr 90 Prozent dieser Verluste ausgeglichen. Unter welchem Titel UBS die Fonds mit den First-Brands-Krediten vermarktet hat, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass die UBS den Investoren versprach, dass in den Fonds keine Einzelinvestments mehr als 20 Prozent der investierten Summe ausmachten. Ein Artikel von der «Financial Times» weckt Zweifel, ob dieses Versprechen eingehalten wurde. Der 1977-O’Connor-Fonds habe seinen Investoren kürzlich dargelegt, dass der Fonds zu 9,1 Prozent direkt bei First Brands und zu 21,4 Prozent indirekt bei Kunden von First Brands investiert sei. Was indirekt genau bedeutet, lässt sich ohne weitere Informationen nicht eindeutig feststellen. UBS hat gegenüber der Zeitung aber erklärt, der Fonds habe keine Leitlinien und Anlagevorschriften verletzt.
Es geht für UBS um 500 Millionen Dollar: Warum so viel Aufheben?
Das First-Brands-Engagement der UBS-Fonds zeigt ein grundsätzliches Problem, das eben auch schon Greensill gezeigt hatte: Auch das Vermögensverwaltungsgeschäft birgt potentiell hohe Risiken. Die UBS betreibt ein sehr grosses Vermögensverwaltungsgeschäft in den USA, dessen Risiken auch Eingang in die stark verschärften Kapitalanforderungsvorschläge des Bundesrates an die Bank gefunden haben. Die UBS wehrt sich gegen die «übertriebenen» Kapitalvorschriften des Bundesrates mit dem Argument, sie beitreibe ein risikoarmes Geschäftsmodell.
Für grosses Aufheben sorgt aber auch der weltweit aufgeblähte Markt für die von Fitch beschriebenen «Privatkredite». Es gibt wenig Transparenz über die Grösse und die Gefahren dieses Schattenbankensystems. Der Fall First Brands zeigt aber, dass hier erhebliche Risiken ausserhalb der Firmenbilanzen schlummern.
Die UBS sagt auf Anfrage: «Dies ist ein branchenweites Ereignis mit Auswirkungen auf viele Anbieter von Private-Credit- und Working-Capital-Lösungen. Die Situation verändert sich laufend, und wir analysieren derzeit die Auswirkungen auf unsere wenigen betroffenen Fonds, wobei wir alles daransetzen, die Interessen unserer Kundinnen und Kunden zu schützen.»
Sowohl im Fall Greensill als auch im Fall First Brands investierten Anleger in Fonds, die mit Engagements in strukturschwache Branchen teilweise hohe Renditen versprachen. Die aktuellen Entwicklungen sind ein deutlicher Fingerzeig an Renditejäger und Schönwetteranleger, solche Angebote zu ignorieren. (aargauerzeitung.ch)