Die Schweiz zeigt sich solidarisch mit den Opfern des russischen Krieges gegen die Ukraine. Zehntausende sind bereit, ukrainischen Geflüchteten ein Zimmer, eine Wohnung oder sogar ein Haus zur Verfügung zu stellen. Bis Anfang Woche zählte die Schweizerische Flüchtlingshilfe rund 55'000 Betten. Die Flüchtlingshilfe koordiniert die Vermittlung von privaten Unterbringungen im Auftrag des Bundes und in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Rund 80 Prozent der erwachsenen geflüchteten Menschen in der Schweiz sind Frauen; ukrainische Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen.
Doch hegen alle Hilfsbereiten nur gute Absichten? Aus Deutschland erreichen uns besorgniserregende Nachrichten von Versuchen, Geflüchtete sexuell auszubeuten. Demnach tummeln sich etwa am Berliner Hauptbahnhof einige Männer, welche gezielt allein reisende Frauen oder minderjährige Flüchtlinge ansprechen, um ihnen Geld und dubiose Übernachtungsangebote zu unterbreiten. «Es gibt leider Menschen, die die Verzweiflung und Not der ankommenden Flüchtlinge ausnutzen möchten», sagte ein Sprecher der Bundespolizei Berlin gegenüber der «Deutschen Welle». Sie seien so auffällig, dass sie sowohl den freiwilligen Helfern als auch den Mitarbeitern der Bundespolizei ins Auge stechen würden. «Diese Fälle bewegen sich im unteren zweistelligen Bereich», so der Sprecher weiter. Per Twitter warnte die Bundespolizei Frauen und alleinreisende Jugendliche vor «auffälligen Übernachtungsangeboten».
Auf Prävention setzt auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe. «Wir wollen das Risiko von Missbrauch und Menschenhandel minimieren», sagt Direktorin Miriam Behrens. Die Flüchtlingshilfe ruft die Geflüchteten daher auf, sich nicht bei fremden Menschen über soziale Medien einzuquartieren, sondern sich zuerst registrieren zu lassen. Damit werden die Daten der Geflüchteten und ihrer Gastgeber registriert. Beide erhalten die wichtigsten Meldestellen und Notfallnummern im Wohnkanton.
Die Flüchtlingshilfe verlangt zusätzlich einen Strafregisterauszug von allen Privatpersonen, die Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufnehmen. Sie will sich vergewissern, dass die Kriegsflüchtlinge nicht plötzlich in einem Haushalt landen, in dem eine Person lebt, die Delikte gegen Leib und Leben auf dem Kerbholz hat. Ein Eintrag zum Beispiel wegen eines Verkehrsdeliktes sei aber kein Hinderungsgrund, sagt Behrens. Die Flüchtlingshilfe kontrollierte schon bei früheren Gastfamilienprojekten den Strafregisterauszug. Diese Massnahme sei bei den Gastfamilien auf grosses Verständnis gestossen, sagt Behrens. Die Flüchtlingshilfe betreibt zudem eine Hotline und wird die Gastfamilien und ihre Gäste rasch besuchen, um sich selber ein Bild vor Ort zu verschaffen.
Auch der Bundesrat ist für das Thema Menschenhandel und Ausbeutung im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine sensibilisiert. «Wir haben das extrem auf dem Radar», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Montag in der Fragestunde des Nationalrats. Und: «Ich hoffe wirklich, dass es nicht irgendwie zu Zwischenfällen kommt.» Die Bundespolizei beobachte die Lage. Und sie werde versuchen, mit der Fachstelle Frauenhandel und Migration FIZ zusammenzuarbeiten.
Doro Winkler von der FIZ sagt, es brauche jetzt sichere Fluchtrouten, wobei direkte Transporte eine ganz wichtige Massnahme wären. Wer direkt mit dem Auto oder Zug fliehe, sei weniger Gefahren ausgesetzt. «Aber diejenigen, die jetzt in Moldawien, Rumänien oder in Polen stranden, kein Geld und kein Transportmittel mehr haben, sind höchst gefährdet.» Winkler erwartet, dass Fälle von Ausbeutung passieren werden. «Wir wissen aus langjähriger Erfahrung, dass Menschen auf der Flucht besonders verletzlich sind.»
Wieso gibt es so armseelige Männer?