Kehrtwende beim Plastik-Recycling: Coop verkündet eine neue Regel – schon wieder
«Flasche leer», sagte der ehemalige FC-Bayern-München-Trainer Giovanni Trapattoni einst in einer legendären Schimpftirade und beendete diese mit der Aussage «Ich habe fertig». In Sachen leere Flaschen hat Coop derweil noch nicht fertig.
Der Detailhändler sorgte im Sommer für Wirbel. Denn dort, wo der neue, kostenpflichtige Plastik-Sammelsack Recybag eingeführt wurde, erlaubte Coop keinen Einwurf von einzelnen leeren Shampoo-, Bodylotion- oder Milchflaschen mehr. Der Recybag war Anfang Jahr mit der Idee lanciert worden, die Recycling-Quote von Plastikverpackungen und Getränkekartons hierzulande zu steigern, also auch von Joghurtbechern oder Plastik-Salatschüsseln. Hinter der Öko-Offensive stehen die grossen Branchenplayer, nebst Coop auch Firmen wie Migros, Emmi und Nestlé, die sich in der Organisation Recypac vereinigt haben.
Doch die Hauruck-Änderung kam bei der Coop-Kundschaft nicht gut an, wie sich in vielen Online-Kommentaren zeigte. «Das ist für mich überhaupt nicht praktisch», enervierte sich S.K.*, eine pensionierte CH-Media-Leserin über die Coop-Massnahme. Sie gehe etwa zweimal pro Woche für kleinere Einkäufe in die nächstgelegene Coop-Filiale.
Coop-Chef reagierte auf Kritik
«Dabei nehme ich oft ein paar wenige leere Plastikflaschen mit, um sie dort fürs Recycling einzuwerfen.» Dies sei für sie deutlich einfacher als das Mittragen eines neuen Sammelsacks, sagte S.K.. «Ich werde meine Milchflaschen künftig in den normalen Kehricht werfen, was ich schade finde. Denn das ist ja nicht im Sinne der Nachhaltigkeit.»
Auch die Organisation Pro Senectute äusserte Bedenken. Die Migros, die den neuen Sammelsack ebenfalls zur Entsorgung annimmt, erlaubte derweil weiterhin den Einwurf einzelner Flaschen.
Coop-Chef Philipp Wyss versuchte im hauseigenen Magazin die Wogen zu glätten. In einem Kommentar betonte er, dass die Kundschaft PET-Flaschen weiterhin gratis entsorgen könne – was gar nie zur Debatte stand. Zudem würden leere Plastikflaschen von Shampoos oder Waschmitteln «in den allermeisten» Supermärkten ebenfalls weiterhin kostenlos entgegen genommen. Unerwähnt liess er jedoch die Tatsache, dass in Filialen mit Recybag-Stationen genau diese Plastikflaschen eben nicht mehr einzeln entsorgt werden konnten.
Beobachtungen von CH Media zeigten, dass Leserin S.K. mit ihrer Einstellung denn auch nicht allein war: Kundinnen und Kunden begannen, ihre einzelnen Milch- oder Waschmittelflaschen im Containereinwurf zu entsorgen, der eigentlich nur für den Recybag gedacht ist.
Neue Sticker an der Recycling-Wand
Nun reagiert Coop – und macht rechtsumkehrt. Der Händler hat in den Filialen jener Ortschaften, in denen der Recybag eingeführt wurde, Sticker an den Recycling-Wänden angebracht mit dem Hinweis: «Auch einzelne Plastikflaschen». Sie kleben unter dem Recybag-Einwurfloch.
Coop-Sprecher Caspar Frey bestätigt die Massnahme. Mit den neuen Stickern stelle man sicher, dass die Kundschaft Plastikflaschen einfach und umweltgerecht entsorgen können. In wie vielen Supermärkten die Kleber bereits zum Einsatz kommen, verrät Frey nicht. Einzig: «Die nationale Branchenlösung Recypac wird schrittweise eingeführt, dazu gehört auch die Anbringung dieses Stickers.»
CH Media weiss allerdings: Die Coop-Sticker sind nur eine temporäre Notlösung, um die Kundschaft schrittweise an das Recybag-System heranzuführen. Denn sobald auch die anderen Händler wie die Migros komplett darauf setzen und den Einwurf einzelner Plastikflaschen unterbinden – wovon man bei Coop ausgeht – verschwinden die Sticker wieder. Und dann können Milch- und Shampooflaschen nur noch im kostenpflichtigen Sammelsack entsorgt werden. Coopintern ist denn auch Missmut zu vernehmen, dass die anderen Händler nicht gleich handelten und die Einzelentsorgung stoppten.
Doch wie erfolgreich ist der Recybag knapp ein Jahr nach seiner Einführung? «Die Nachfrage nach den Sammelsäcken entspricht den Erwartungen», sagt Coop-Sprecher Frey. Wie gross diese Erwartungen waren, wurde allerdings nie kommuniziert.
Und es gibt nach wie vor Hürden, wie zum Beispiel der Preis. Bei der Lancierung des Recybags Anfang Jahr hiess es seitens der Initianten, Ziel sei es, dass die Sammelsäcke nicht teurer als übliche Kehrichtsäcke zu kaufen seien. Damit solle sich die separate Plastik-Entsorgung nicht nur ideell, sondern auch finanziell lohnen. Das ist mehrheitlich der Fall – doch es gibt prominente, bevölkerungsreiche Ausnahmen.
So sind die Recybags à 17 Liter in Bern, Zürich und im Limmattal bis zu 30 Rappen teurer als die Gebührensäcke für den herkömmlichen Abfall. Und in Bern kostet der 35-Liter-Recybag 20 Rappen mehr als der gleich grosse Kehrichtsack, wie eine Auflistung der Branchenorganisation Recypac zeigt. Die Preisgestaltung der Abfallentsorgung sei Sache der Gemeinden oder Abfallzweckverbände, schreibt die Organisation auf Anfrage. Für den Recybag habe man sich bewusst für einen schweizweiten Einheitspreis entschieden.
Zudem hängt der Erfolg des neuen Sammelsacks auch von der Anzahl Rückgabestandorte ab. Und bisher beteiligen sich die drei grossen Discounter hierzulande – Aldi, Lidl und Denner – nicht daran. Sie verkaufen den Recybag bloss.
Heute ist die Sammlung der Plastikflaschen eine freiwillige Initiative der Detailhändler und wird von ihnen finanziert. Das könnte sich allerdings nächstes Jahr ändern. Denn im Sommer hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur künftigen Verpackungsverordnung eröffnet. Gemäss dem Vorentwurf wären alle Hersteller und Händler, die Plastikverpackungen und Getränkekartons in Umlauf bringen, künftig verpflichtet, diese auch wieder zurückzunehmen. Ob es dazu kommt, dürfte sich laut Recypac im ersten Halbjahr 2026 zeigen.
Aktuell gibt es den Recybag in 9 Städten und mehreren Gemeinden. Das Ziel ist die schweizweite Implementierung. (aargauerzeitung.ch)
