Der Herbst 1974 hätte zur Katastrophe für die Schwalben in der Schweiz werden können. Ein aussergewöhnlich abrupter Kälteeinbruch im September mit Schneefall bis ins Flachland plagte die Zugvögel. Die Schwalben, die sich von Fluginsekten ernähren, fanden keine Nahrung mehr. Noch lange nach ihrem üblichen Abflugfenster in den Süden drängten sie sich auf Fenstersimsen und hockten auf Telefonleitungen zusammen.
In einer beispiellosen Rettungsaktion, koordiniert von der Vogelwarte Sempach, wurden Tierfreunde im ganzen Land aktiv. Hunderttausende der entkräfteten Tiere wurden eingefangen und in den Süden spediert. Swissair, SBB und Private füllten Frachträume, Zugabteile und Kofferräume mit Kisten voller Schwalben. Die hungrigen und müden Vögel wurden so nach Norditalien und Südfrankreich gebracht, wo sie wieder Futter fanden und gestärkt ihre Reise in den Süden fortführen konnten. Fast eine halbe Million Tiere konnte so gerettet werden, auch wenn ein Teil davon den Transport nicht überstand.
Laut Livio Rey von der Vogelwarte Sempach kommt es immer wieder vor, dass die Tiere ihren Aufbruch in den Süden aufschieben. Wenn es stark regnet, fliegen die Schwalben nicht los. Grund dafür ist, dass sich die Schwalben, anders als andere Vogelarten, kein grosses Fettpolster anfressen. Sie müssen laufend Insekten finden, um an Energie zu kommen. Auch würde der Regen das Gefieder schwerer machen, was das Fliegen zu einer anstrengenden Sache mache. Die nassen Federn isolieren die Tiere zudem auch nicht mehr so gut.
Damit der Regen für die Schwalben zum Problem wird, muss das nasskalte Wetter aber für mehrere Tage anhalten. Bei den Überschwemmungen in Österreich wurden letzte Woche Schwalben gesichtet, die geschwächt zusammen hockten. In der Schweiz ist der Herbst aktuell aber weder kalt noch nass genug, um die Schwalben am Abflug zu hindern.
«Wenn man ein Tier in Not sieht, möchte man helfen», sagt Rey. Das ist heute bestimmt nicht anders als vor 50 Jahren.
Sollte man an Regentagen einmal eine Schwalbe auf dem Fenstersims vorfinden, empfehle sich, sie einfach in Ruhe zu lassen. Eine wirklich hilfsbedürftige Schwalbe erkenne man etwa daran, dass sie sich einfach einfangen lasse. Dann könne man das Tier in einer luftdurchlässigen Kiste an einen ruhigen, warmen und dunklen Ort bringen, damit es sich erholen kann. Rey rät dazu, im Zweifelsfall die Vogelwarte zu kontaktieren. Fachpersonen könnten beurteilen, ob die Tiere beispielsweise verletzt sind und noch weitere tierärztliche Hilfe brauchen. Davon, Zugvögel auf eigene Faust in den Süden zu bringen, rät er dringend ab.
Ob aber eine Rettungsaktion im Stil von 1974 möglich wäre, gilt es zu bezweifeln. Die Vorgaben zum Flugtransport von Abertausenden geschwächten Vögeln dürften etwas komplizierter geworden sein. «Langfristig kann man den Schwalben helfen, wenn wir naturnahe Landschaften mit vielen Fluginsekten schaffen und erhalten.»
Diese Woche habe ich einen riesigen Schwarm Schwalben gesehen, bestimmt etwa >1000 Tiere, der sich gemächlich in Richtung Westen bewegt hat. War sehr eindrücklich.
"«Langfristig kann man den Schwalben helfen, wenn wir naturnahe Landschaften mit vielen Fluginsekten schaffen und erhalten.»"
Das wird nach der letzten Abstimmung bestimmt nicht einfacher 😔.