Frau Galladé, Sie haben nach der Waffeninitiative in Sachen Schusswaffen erneut eine politische Niederlage erlitten. Wann geben Sie auf?
Gar nicht. Natürlich mag es mich ein bisschen, dass heute die Waffenregistrierung abgelehnt worden ist im Nationalrat. Es ist eine verpasste Chance, die Sicherheit der Polizisten im Einsatz zu erhöhen und die Täterermittlung zu erleichtern.
Die sonst so polizeifreundlichen Bürgerlichen haben ihre Vorlage gebodigt, warum konnten sie mit diesem Argument keine Mehrheit schaffen?
Die Waffenlobby ist eine der stärksten, grössten und aggressivsten Lobbies im Wirtschaftsbereich und das nicht nur in der Schweiz sondern international. Natürlich kann ich das nicht beweisen, aber die Waffenlobby ist nicht nur bei grossen Rüstungsgeschäften involviert, sondern auch in den Gesetzgebungsprozessen, wenn es um Kleinwaffen geht, nach dem Motto: Wehret den Anfängen.
Damit sprechen Sie die Rüstungsfirmen an, aber die Schützenvereine sind doch die wichtigere Klientel der ländlich-konservativen Volksvertreter. Die lassen sich eher mit Stimmen schmieren statt mit Geld. Warum haben Sie die nicht ins Boot geholt?
Weil es nichts bringt. Wir haben schon bei der Waffeninitiative, die die Waffen aus den Haushalten hätte verbannen sollen, Ausnahmen für Sportschützen vorgesehen. Trotzdem sind die Schützenverbände gegen die Vorlage in einer Art und Weise Sturm gelaufen, dass es selbst mich erstaunt hat. Die Schützenvereine sind rationalen Argumenten nicht zugänglich. Es erhöht die Sicherheit aller, wenn die Waffen kurz registriert werden und nachher immer auffindbar und zurückverfolgbar sind.
Zuviel bürokratischer Aufwand, sagen die Gegner.
So ein Formular auszufüllen ist wirklich kein grosser bürokratischer Aufwand und er sollte es insbesondere denjenigen Leuten Wert sein, die viel Zeit mit ihren Waffen verbringen und das nach wie vor gute Image der Sportschützen und schiesspflichtigen Armeeangehörigen erhalten wollen. Aber die geistige Landesverteidigung, der Miliz-Gedanke und die überkommene Tradition der Volksarmee scheinen auch im 21. Jahrhundert immer noch nachzuwirken.
Wir sind jetzt mal böse und unterstelle Ihnen einfach, dass Sie mit dem Waffenthema Ihr persönliches Politmarketing betreiben. Wenn die Polizei sich nicht auf Schusswaffen-Einsätze vorbereiten kann, dann ist dies ein Ausbildungs- oder Taktikproblem und keine politische Frage der Registration.
Diese Unterstellung können Sie aber auch nur machen, wenn Sie mich als Politikerin überhaupt nicht kennen. Die Kontrolle und Eindämmung der Schusswaffen ist mir ein zentrales Anliegen, seit Beginn meiner politischen Tätigkeit. Die heutige Abstimmung geht zurück auf das erste Traktandum, das ich gesetzt habe als Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat. Da war jeglicher Wahlkampf weit entfernt. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Gegner der Waffenregistration habe ich Polizeistreifen auf ihren Einsätzen begleitet und kann davon erzählen, was es heisst, wenn man unvorbereitet, innert Minuten auf einen Notruf wegen einer Auseinandersetzung oder eines Falles von häuslicher Gewalt anrücken muss.
Was heisst es?
Die Polizisten haben nur sehr wenig Vorbereitungszeit und wissen nicht, was sie erwartet. Natürlich spielt es auch bei längerfristig planbaren Einsätzen eine Rolle, dass man weiss, ob und wie viele Waffen jemand besitzt. Man braucht immer möglichst viele Informationen. Aber insbesondere auch bei kurzfristigen Einsätzen, die eine schnelle Reaktion verlangen, sind möglichst viele Informationen wichtig. Wenn die Polizisten wissen, dass in einem Haushalt ein Sturmgewehr vorhanden ist, dann müssen sie die schwerere Schussweste anziehen, als wenn sie mit dem Einsatz einer Pistole rechnen müssen.
Die können ja einfach immer die schwere Weste anziehen.
Die schwere Weste lässt aber weniger Bewegungsfreiheit zu und macht deswegen anfälliger auf Verletzungen und Überraschungen. Wir müssen die Beurteilung der Situation schon den Fachleuten an der Front überlassen. Unsere Aufgabe ist es, dass sie optimale Bedingungen und maximale Sicherheit für sich selber haben. Es ist letztlich heute über die Frage abgestimmt worden, ob wir Polizisten in solchen Notfalleinsätzen im Stich lassen oder nicht. Denn wenn man als Polizist oder Polizistin in eine unbekannte Situation reingehen muss, dann möchte man über so viele Informationen wie möglich verfügen, die in der kurzen Zeit noch einholbar sind. Solche Situationen sind beängstigend und alles was die Angst mindert und ein Mehr an Information darstellt, erhöht die Sicherheit der Polizisten. Ausserdem erleichtert die Registration die Ermittlungsarbeit.
Warum? Rocker und Mafiosi schiessen mit unregistrierten Waffen.
Ja, aber die meisten Gewaltdelikte mit Schusswaffen werden nach wie vor unter Bekannten im näheren oder weiteren Umfeld abgefeuert. Findet man eine solche Waffe und kann sie einer Tat zuordnen, findet man auch den mutmasslichen Täter rascher und kann so die Sicherheit für alle erhöhen.
Wie sieht der Fahrplan für die Vorlage nun aus?
Ich gehe gehe davon aus, dass wir zumindest die Vernetzung der kantonalen Waffenregister in der Sommersession im Ständerat durchkriegen und dann mit der Umsetzung rasch beginnen können. Ich habe aber natürlich immer noch eine kleine Hoffnung, dass der Ständerat die Registrierung weiterhin will und der Nationalrat letztlich einschwenkt. Insbesondere wenn eine nächste Abstimmung im Nationalrat nach den Wahlen im Herbst terminiert würde.
Warum schätzen Sie die Chancen nach den Wahlen besser ein?
Es ist Wahlkampf, die Parlamentarier sind in dieser Phase noch anfälliger für Druckversuche der Waffenlobby. Unterschätzen Sie die bitte nicht. Es geht dabei um riesige supranationale Player. Ich habe kürzlich auf einem Kongress mit einer US-Senatorin gesprochen, die mir gesagt hat, die US-amerikanische National Rifle Organisation (NRA) habe auch in den Abstimmungskampf um die Waffeninitiative eingegriffen. Das mag stimmen oder auch nicht, es zeigt einfach, dass diese internationale Industrie auch international lobbyiert und fast nirgends fliesst soviel Geld wie bei Waffengeschäften. Nach wie vor.