Es sind nurmehr wenige Tage bis zu den Schweizer Wahlen. Wer gut abschneiden möchte, muss möglichst viele Wähler mobilisieren. Das Motto ist klar: Jeder Stimme zählt. Eine Gruppe von Wahlberechtigten geht dabei jedoch leicht unter: Die Auslandschweizer. Wer sie vergisst, schneidet sich jedoch ins eigene Fleisch, wie die «NZZ» berichtet.
Bekannte Politikpersönlichkeiten, wie etwa Magdalena Martullo-Blocher, wären ohne die Auslandschweizer nicht in den Nationalrat gewählt worden. Gemäss der «NZZ» leben rund 180'000 wahlberechtigte Schweizer im Ausland – das entspricht der Einwohnerzahl des Kantons Thurgau. Entsprechend umkämpft sind daher ihre Stimmen.
Das Beispiel von Tim Guldimann (SP) zeigt auf, wie die Parteien die Wähler ansprechen wollen: Mit Kandidaten, die selbst Auslandschweizer sind. Der Zürcher war fünf Jahre lang Schweizer Botschafter in Berlin.
Denn wer kennt die Probleme der im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer besser, als einer oder eine aus den eigenen Reihen? Von Guldimann erhofften sich viele, dass er unter anderem eine Lösung dafür findet, wie Schweizer im Ausland problemlos ein Konto eröffnen können.
Eine Sache liessen die Wähler jedoch ausser Acht: Die geographische Distanz beziehungsweise die Differenz zwischen dem Berliner Kiez und dem Bundesbern. Nach zweieinhalb Jahren trat Guldimann zurück.
Es stellt sich die Frage, ob Auslandschweizer in Zukunft wieder einen ihresgleichen wählen? Die Auswahl wäre in diesem Jahr auf jeden Fall gross: 73 Kandidaten, die im Ausland leben, stellen sich zur Wahl.
Ein besonders grosses Augenmerk auf die Auslandschweizer haben die beiden Polparteien SP und SVP gelegt, doch auch Parteien wie die CVP und die GLP haben Kandidaten, die nicht in der Schweiz leben. Für die SVP und die SP hat sich die Strategie gemäss der «NZZ» bereits ausbezahlt: So gewann die SVP im Kanton Graubünden dank den Auslandschweizern den Parlamentssitz von Magdalena Martullo-Blocher. Auch die SP kann Ähnliches vorweisen – die internationale Liste verschaffte der Partei den Nationalratssitz von Manuel Tornare in Genf. Für diese Wahlen setzt die SP in den Kantonen Bern, Luzern, Freiburg und Genf auf internationale Listen.
Die Strategie, im Ausland lebende Kandidaten aufzustellen, steht auch in der Kritik. Sie erweist sich zwar als effektives Mittel für den Stimmenfang, gilt jedoch gegenüber den Wählern als unkorrekt. Roger Kölber von der FDP International gegenüber der «NZZ»: «Für Auslandschweizer ist es wichtig, dass am Ende ein Politiker im Parlament sitzt, der sich wirklich für sie einsetzt». Die separate internationale Liste bewirkt jedoch das Gegenteil, da die Kandidaten chancenlos sind und andere Kandidaten indirekt profitieren.
Die SVP macht keinen Hehl aus ihrer Absicht: Die internationalen Listen sind für den zusätzlichen Stimmengewinn gedacht. Sowohl die SP als auch die SVP bestätigen der «NZZ», dass die Kandidaten von ihrer Chancenlosigkeit wissen. Es gehe darum, dass sie im Wahlkampf die Interessen der Auslandschweizer einbringen können.
Die Hürden zum Wählen sind für Auslandschweizer hoch. So müssen sie sich etwa in ein Stimmregister eintragen lassen und dürfen in den meisten Fällen lediglich den Nationalrat wählen. Das sorgt für Frust und eine tiefere Wahlbeteiligung.
Die briefliche Wahl ist eine komplizierte Angelegenheit. Den Wählern stehen zwei Optionen offen: Entweder sie schicken das Wahlcouvert per Post oder sie geben es persönlich ab. Da die Unterlagen oft sehr spät eintreffen, ist nicht mehr genügend Zeit, um per Postweg zu wählen. Dadurch gehen viele Stimmen verloren.
Das E-Voting könnte Abhilfe schaffen. Die Schweiz liegt in dieser Angelegenheit jedoch noch weit zurück. Für diese Wahlen existiert diese Option nämlich für keinen einzigen Kanton. Das möchte der Bundesrat auch nicht ändern – die Sicherheitsbedenken sind zu gross.
Werden damit politische Rechte verweigert? Für die Auslandschweizerorganisation (ASO) ist diese Frage mit «ja» zu beantworten. Die Sicherheit sei zwar wichtig, doch gemäss «NZZ» ist sich die ASO sicher: «Wenn Bund und Kantone wollen, dass die Auslandschweizer politisch aktiv sind, müssen sie endlich eine Alternative zur brieflichen Wahl bieten.» (mim)