Zu einem politischen Erdbeben kam es im Kanton Tessin. Dort wurde der bisherige CVP-Ständerat Filippo Lombardi abgewählt. Auch die FDP verliert nach 126 Jahren den Sitz im Stöckli. Jubeln konnten Marco Chiesa von der SVP und Marina Carobbio von der SP. Carobbio ist die erste Frau die für den italienischsprachigen Kanton nach Bern in die kleine Kammer zieht. Ihre Wahl sorgte für viel Applaus in den sozialen Netzwerken.
Liebe Marina, so viel Freude über deine Wahl in den Ständerat. Du bist eine hervorragende Ständerätin für uns Frauen und den Kanton Tessin. Brava!
— Leutenegger Oberholz (@SusanneSlo) November 17, 2019
Wow - Sensation im Tessin! Congratulazione @MarinaCarobbio!!! @spschweiz @PSSuisse @psticino
— Cédric Wermuth (@cedricwermuth) November 17, 2019
Chiesa schaffte die Wahl in den Ständerat mit 42'552 Stimmen. Marina Carobbio vereinte 36'469 Stimmen auf sich. Dahinter folgen der nicht wiedergewählte Lombardi mit 36'424 Stimmen (nur 45 Stimmen weniger als Carobbio) und Giovanni Merlini von der FDP mit 33'278 Stimmen.
Merlini hätte den Ständeratssitz des zurückgetretenen Fabio Abate verteidigen sollen. Die Tessiner FDP hat nach dieser Niederlage zum ersten Mal in der Geschichte keinen Sitz mehr im Stöckli. Mit Marina Carobbio erobert erstmals eine Frau einen Ständeratssitz für das Tessin. Carobbio ist zurzeit Nationalratspräsidentin.
In Bern blieb die Grüne-Sensation aus. Präsidentin der Partei Regula Rytz musste sich mit dem dritten Platz zufrieden geben. Gewählt wurden der Bisherige Hans Stöckli (SP) und Werner Salzmann von der SVP.
Die Stichwahl im Kanton Bern wurde zum Showdown der Machtblöcke. Das rotgrüne und das bürgerliche Lager schickten je ein Zweierticket ins Rennen und strebten so die ungeteilte Standesstimme an.
Rotgrün machte sich Hoffnungen auf die Sensation, weil Stöckli und Rytz im ersten Durchgang die ersten beiden Plätze belegt hatten. Die Bürgerlichen hofften auf die Stimmen der nicht mehr antretenden Mitte-Kandidatinnen und eine bessere Mobilisierung auf dem Land.
Das beste Resultat in der Stichwahl erzielte Hans Stöckli mit 157'750 Stimmen. Werner Salzmann brachte es auf 154'586 Stimmen. Regula Rytz holte 141'337 Stimmen und Christa Markwalder 115'163. Die Stimmbeteiligung betrug 44,4 Prozent, wie die Staatskanzlei am Sonntag mitteilte.
Yes! #HanswiederimStöckli eine starke Stimme für Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit für @kanton_bern pic.twitter.com/Fp5wFlUPQB
— Flavia Wasserfallen (@FWasserfallen) November 17, 2019
Die geteilte Standesstimme ist für den Kanton Bern nichts Neues. Seit 2011 hatten ein SP- und ein BDP-Mann die Berner Ständeratssitze inne.Jahrzehntelang war das anders. Bis 2003 gehörten beide Sitze den bürgerlichen Parteien SVP und FDP. Das änderte sich, als Simonetta Sommaruga einen Sitz für die SP eroberte. Seither verteidigten die Sozialdemokraten ihren Ständeratssitz, von einem mehrmonatigen Unterbruch einmal abgesehen. Die SVP holte jetzt ihren Sitz zurück, den sie 2008 quasi kampflos verloren hatte. Damals wechselte ihr Ständerat Werner Luginbühl zur BDP.
Über die Wahl von Werner Salzmann in den Ständerat freut sich auch Lars Guggisberg. Der bernische Kantonsparlamentarier ist erster Ersatzmann auf der SVP-Nationalratsliste und kann nun für Salzmann in die grosse Kammer nachrutschen.
Auch in Zürich blieben die Überraschungen aus. Der bisherige FDP-Ständerat Ruedi Noser wurde mit einem Glanzresultat wiedergewählt. Die Kriterien Frau und Grün haben nicht gereicht: Marionna Schlatter hatte das Nachsehen. «Ein bisschen Enttäuschung ist da. Ich hätte mich sehr über diese Sensation gefreut», sagt sie.
Schon bevor das Resultat in allen Gemeinden ausgezählt war, stand fest, dass die 39-jährige Schlatter viel weniger Stimmen holen würde als der wiedergewählte Ruedi Noser (FDP). Schlatter zu TeleZüri. «Ich hätte mir ein knapperes Resultat gewünscht.»
#WahlCH19 #ZH Das mutmassliche Wahlverhalten der Parteigänger im 2. Wahlgang der Ständeratswahlen. Auch das ein Modell - aber doch immerhin ein empirisch fundiertes (Zur Methode siehe z.B. https://t.co/d5N7e4OBfw) pic.twitter.com/MKPcXFqdof
— Peter Moser (@peterjamoser) November 17, 2019
Als einer der Gründe, weshalb die Zürcherinnen und Zürcher sie nicht wählten, nannte Schlatter die Mobilisierung durch die SVP. Diese Wähler hätten wohl konsequent Noser gewählt.
Zudem gebe es mit Daniel Jositsch (SP) schon einen linken Zürcher Ständerat. «Viele Bürgerinnen und Bürger wollten wohl noch das andere Spektrum berücksichtigen.» Vergessen dürfe man auch nicht, dass Noser bereits im Ständerat gewesen sei und Bisherige kaum abgewählt würden.
Nun freue sie sich auf ihr Amt als Nationalrätin, sagte Schlatter. Mit den vielen neuen Gesichtern im Parlament könne man vieles für die Umwelt und den Klimaschutz erreichen.
In Solothurn bleibt alles beim Alten. Roberto Zanetti (SP) bleibt Solothurner Ständerat. Wie schon 2015 schaffte der 64-Jährige den Sprung ins Stöckli im zweiten Wahlgang klar. Er holte gegenüber Christian Imark (SVP) 61 Prozent der Stimmen. Pirmin Bischof (CVP) schon war im ersten Wahlgang gewählt worden.
Die Zuger FDP behält immerhin einen Sitz im Bundesparlament. Nach dem Verlust des Nationalratsmandats hat ihr Kandidat Matthias Michel im zweiten Wahlgang den Ständeratssitz verteidigt. Er distanzierte seinen Hauptgegner Heinz Tännler von der SVP deutlich.
Der 56-jährige alt Regierungsrat Michel holte bei der Stichwahl am Sonntag 17'206 Stimmen und lag damit klar vor Finanzdirektor Tännler. Für den 59-Jährigen legten 13'857 Zugerinnen und Zuger den Wahlzettel in die Urne.
Die 49-jährige Kantonsrätin Tabea Zimmermann, die für die Alternative – die Grünen (ALG) noch einmal angetreten war, machte noch 6949 Stimmen, über 1200 weniger als im ersten Wahlgang. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,5 Prozent, im ersten Wahlgang waren es 52,8 Prozent gewesen.
Damals war Ständerat Peter Hegglin von der CVP bereits im Amt bestätigt worden. Zu vergeben war noch der Sitz von Joachim Eder (FDP), der nach zwei Legislaturen nicht mehr angetreten war. Wahlsieger Michel war von 2003 bis 2018 Zuger Regierungsrat, zuerst als Vorsteher der Direktion für Bildung und Kultur und zuletzt als Volkswirtschaftsdirektor. Davor sass er sieben Jahre im Kantonsrat. Er wohnt in Oberwil und ist Vater von vier Kindern.
Im Kanton St. Gallen ist bei den Ständeratswahlen eine Überraschung ausgeblieben: Die Bisherigen Benedikt Würth (CVP) und Paul Rechsteiner (SP) wurden im zweiten Wahlgang wiedergewählt. Die SVP scheiterte erneut mit Nationalrat Roland Rino Büchel.
Damit schickt der Kanton St. Gallen wie in den letzten beiden Legislaturen Paul Rechsteiner ins Stöckli. Für den SP-Kandidaten sind zweite Wahlgänge nichts Neues: Bereits bei seiner überraschenden Wahl 2011 und bei seiner Wiederwahl 2015 setzte er sich jeweils im zweiten Anlauf durch.
Geschafft! 62‘750 Stimmen.
— Paul Rechsteiner (@PaulRechsteiner) November 17, 2019
Ohne die selbstlose Arbeit von vielen Engagierten und Interessierten wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen. Ihnen allen danke ich herzlich für ihren Einsatz. pic.twitter.com/NypLet1rIm
Kaum Sorgen um die Wiederwahl musste sich CVP-Regierungsrat Benedikt Würth machen. Erst im vergangenen Mai war er bei der Ersatzwahl für Karin Keller-Sutter (FDP) relativ problemlos in den Ständerat gewählt worden. Im ersten Wahlgang verpasste er das absolute Mehr nur um 501 Stimmen. Im zweiten Wahlgang, bei dem nur noch drei Kandidaten antraten, erhielt Würth 77'893 Stimmen, gefolgt von Rechsteiner mit 62'750 Stimmen und Büchel mit 45'904 Stimmen.
Nächsten Sonntag geht es in die letzte Runde der zweiten Wahlgänge. Dann kommt es in den Kantonen Aargau, Baselland und Schwyz zum Showdown. Noch vier Sitze sind dann zu besetzen.
#WahlCH19 #Ständerat #Zwischenbilanz
— Claude Longchamp (@claudelongchamp) November 17, 2019
Noch sind vier Sitze im Ständerat ausstehend: CVP, FDP, SVP und GPS können noch maximal je 2 Sitze zulegen, die SP keinen mehr. Gewinne der einen Partei gehen jedoch zulasten der Gewinnmöglichkeiten der anderen Parteien.
Letzte Runde: 24.11.19 https://t.co/l4fZNZw2tI
Mit Material von der sda