Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Wahlen statt. Dabei werden für die 51. Legislaturperiode (2019-2023) alle 200 Nationalratssitze und 45 der 46 Ständeratssitze vom Volk neu besetzt*. Das neu zusammengesetzte Parlament wiederum entscheidet voraussichtlich am 11. Dezember 2019 im Rahmen der Gesamterneuerungswahl über die Zusammensetzung des Bundesrats für die nächsten vier Jahre.
(*Der Kanton Appenzell-Innerrhoden hat seinen Ständeratssitz bereits an der Landsgemeinde vom 29. April 2019 neu bestimmt. Daniel Fässler von der CVP rückt für seinen zurücktretenden Parteikollegen Ivo Bischof nach).
Im Prinzip handelt es sich bei den eidgenössischen Wahlen um 26 gleichzeitig stattfindende Wahlen in den einzelnen Kantone. Sie bilden auch die Wahlkreise. Die Wahlberechtigten können jeweils die National- und Ständeräte ihres Kantons bestimmen.
In den Ständerat kann jeder Kanton zwei Vertreter entsenden, die Halbkantone (Appenzell-Ausserrhoden, Appenzell-Innerrhoden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Nidwalden, Obwalden) je einen. Die Anzahl Nationalräte eines Kantons hängen von dessen Bevölkerungsgrösse ab. Zürich als bevölkerungsstärkster Kanton schickt 35 Nationalrätinnen und Nationalräte nach Bern. Die beiden Appenzell, Glarus, Ob- und Nidwalden sowie Uri haben hingegen je nur einen Nationalratssitz.
Ausser bei den Kantonen mit nur einem Sitz handelt es sich bei den Nationalratswahlen um so genannte Proporzwahlen. Das bedeutet, dass die Sitze eines Kantons entsprechend der Wählerstärke der Parteilisten vergeben werden. Zur Illustration: Bei den Nationalratswahlen 2015 holte die SVP im Kanton Zürich 30.33 Prozent der Stimmen und gewann 12 der 35 Nationalratssitze des Kantons.
Bei der Berechnung des Sitzanspruchs werden auch die Listen- und Unterlistenverbindungen herbeigezogen. Je nach Kanton kommen dabei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung. Hierzu wird watson im Vorfeld der Wahlen noch detaillierter informieren.
Die Ständeratswahlen finden mit zwei Ausnahmen* in allen Kantonen im so genannten Majorzverfahren statt. Das bedeutet, dass die Wahlberechtigten eine Liste mit zwei (in Halbkantonen einer) leeren Linie erhalten und dort die Namen ihrer bevorzugten Ständeratskandidaten aufschreiben. Damit ein Kandidat gewählt ist, muss er das absolute Mehr erreichen. Das heisst, auf mehr als der Hälfte der abgegeben, gültigen Wahlzettel muss sein Name stehen. Erreicht nur einer oder gar keiner der Kandidierenden beim ersten Wahlgang das absolute Mehr, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Dort gewinnen jene Kandidierenden, die am meisten Stimmen auf sich vereinen. Ein absolutes Mehr ist nicht mehr nötig.
(*In den Kantonen Neuenburg und Jura werden auch die Ständerate nach dem Proporzverfahren gemäss Parteilistenstärke gewählt.)
Noch sind die Nationalratslisten für die Wahlen im Oktober 2019 nicht finalisiert. Normalerweise treten bei den Nationalratswahlen eine Vielzahl von Parteien auch, darunter auch viele Kleinparteien ohne Chancen auf einen Sitzgewinn an. Im Kanton Zürich etwa traten bei den letzten Wahlen im Jahr 2015 22 Parteien zur Wahl an – die Jungparteien-, Senioren-, Frauen oder Migrantenlisten etablierter Parteien nicht mitgezählt. Darunter waren exotische Namen wie die Anti-PowerPoint-Partei oder die Tierpartei Schweiz.
Gesamtschweizerisch traten 2015 SVP, SP und FDP in allen 20 Kantonen an, in denen mehr als ein Sitz zu vergeben war, die CVP und die Grünen in 19 der 20 Kantone mit mehr als einem Sitz. Die Grünliberalen waren in 17 Kantonen am Start, die BDP in vierzehn, EVP und EDU in je zwölf Kantonen. Die Lega dei Ticinesi und das Mouvement Citoyen Genevois (MCG) traten 2015 nur im Kanton Tessin bzw. in Genf an, konnten dort aber Nationalratssitze gewinnen.
Noch kann sich vieles ändern bis zu den Wahlen im Oktober. Anfang Juni wären gemäss dem jüngsten SRG-Wahlbarometer vom Anfang Juni 2019 die Grünen (+3.0 Prozentpunkte beim Wähleranteil) und die Grünliberalen (+1.8 Prozentpunkte) die grossen Wahlsieger gewesen. Am stärksten Federn lassen müsste die SVP (-2.9 Prozentpunkte). Auch die BDP (-1.2 Prozentpunkte) und die CVP (-1.0 Prozentpunkte) hätten Anfang Juni gemäss dem Wahlbarometer Wähler verloren.
Auch bei den dominierenden Themen kann bis zum 20. Oktober kann noch viel passieren. Eine Prognose, über welche Themen besonders heftig debattiert wird, ist deshalb mit Vorsicht zu geniessen. Gemäss dem SRG-Wahlbarometer von Anfang Juni 2019 gehörten für 42 Prozent aller Befragten die Krankenkassenprämien zu den drei wichtigsten Problemen und Herausforderungen der Schweizer Politik – das Sorgenthema Nummer eins. Auf Platz zwei folgen der Klimawandel und die Beziehungen zur EU mit je 37 Prozent. Diese drei Themen dürften auf jeden Fall im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen.
Stand heute treten sämtliche sieben Bundesräte im Dezember zur Wiederwahl an. Eine Abwahl von amtierenden Bundesräten ist in der Schweizer Geschichte eine absolute Ausnahme. Selbst wenn sich bei den Parteistärken deutliche Veränderungen ergeben sollten und beispielsweise die Grünen die CVP überholen sollten, wäre eine parteipolitische Veränderung im Bundesrat eine grosse Überraschung. Schliesslich wird der Bundesrat von der 246-köpfigen Vereinigten Bundesversammlung aus National- und Ständerat gewählt und widerspiegelt in etwa die Fraktionsstärke in der Bundesversammlung. Und dort dürfte die CVP selbst bei deutlichen Zugewinnen von Grünen dank ihrer Stärke im Ständerat viertstärkste Kraft bleiben.