Die Walliser Schwarznasenschafe hatten ihren grossen Auftritt als Maskottchen der neuen jurassischen Bundesrätin Elisabeth Baume- Schneider. Nun drängen auch die Schwarzhalsziegen ins Rampenlicht. Die ebenso typischen Vierbeiner der Walliser Alpen sind Hauptdarsteller in einer Posse, die mittlerweile Gerichtsstatus erreicht hat.
Den Anfang nahm die Geschichte im November 2019 an einer tierischen Leistungsschau in Visp, dem zweijährlichen Höhepunkt der Oberwalliser Geissenzüchter.
Ziegen, die von auswärtigen Experten streng nach Reglement mit hoher Punktzahl bedacht und prämiert worden sind, seien zuvor von ihren Züchtern manipuliert worden. Dies wollen Vorstandsmitglieder des Oberwalliser Ziegenzuchtverbandes (Oziv) festgestellt haben, die nächtens nach dem Wettbewerb die gemeinsame Stallung aufgesucht haben und den Prachtexemplaren zur Beweissicherung Haare ausgerissen und sie mit Wasser übergossen hätten.
Die Mutmassungen lauten: Die schwarzen Haare der Tiere seien so gekämmt worden, dass die darunterliegenden grauen Haare nicht ersichtlich gewesen seien. Mehr noch: Graue Haare seien ausgerissen beziehungsweise schwarz gefärbt oder gar schwarze Haare eingesetzt worden.
Am nächsten Morgen, als die Züchter ihre Tiere aus dem Stall holten, um sie nach Hause zu fahren, sollen Worte gefallen sein, die den Tatbestand der Beschimpfung anklingen lassen. Die Tiere hätten, fotografisch dokumentiert, nicht erklärbar kahle Stellen aufgewiesen, was auf Sachbeschädigung hindeutet. An einer Aussprache zwei Wochen später machte der Vorstand zudem Druck auf die Züchter, sie sollten ihre Schuld eingestehen. Es ist in der Folge die Rede von Nötigung.
Im Januar 2020, an einer tumulthaften ausserordentlichen Generalversammlung, wurden die Angeschuldigten schliesslich mit mehrjährigen Sperren belegt, wobei die Manipulation als Tatsache dargestellt wurde. Es wäre dies eventuell der Tatbestand der Ehrverletzung. Mit dieser Sammlung justiziabler Vorwürfe verfassten die Ausgesperrten jedenfalls nach ihrem Ausschluss eine Strafanzeige.
Die Schwarzhalsziegen sind eine Specie Rara, mit weissem Hinter- und schwarzem Vorderteil sowie mit mächtigen Hörnern bei Böcken wie bei Geissen. Sie seien eine stolze Rasse, schön, stolz temperamentvoll und mit einem harten Kopf «wie die Menschen in ihrer Heimat», lautet die Beschreibung der Stiftung Pro Specie Rara, die sich ihrer angenommen hat.
Sie unterscheide sich im Körperbau deutlich von allen anderen Schweizer Rassen. Die Erzählung dafür lautet, die Schwarzhalsziege sei «durch Einwanderung afrikanischer, vermutlich sarazenischer Völker im Jahr 930» ins Wallis gekommen. Die Sarazenen hatten als Krieger und Händler im Auftrag des lombardischen Königs Hugo die Grafschaft Wallis besetzt, bevor sie zwanzig Jahre später wieder vertrieben wurden.
Der Ursprung der Schwarzhalsziege ist ihr Mythos, eine strenge Zucht ist die Realität. Bilder vor hundert Jahren zeigen Exemplare mit deutlich kürzerer Haarpracht. Die Bodenfreiheit machte sie zu agilen Bewohnern der steilen Alpweiden. Heute reichen die Haare bis zum Boden. Für das tierische Schönheitsideal nehmen die Züchter eine aufwendige Fellpflege in Kauf. Die Tiere sind ihr Stolz, wenn auch längst keine Nutztiere mehr im eigentlichen Sinn. Dafür könnten sie mit ihrem «attraktiven Äusseren» im lokalen Tourismus punkten, meint Pro Specie Rara. Fördergeld des Bundes gibt es in jedem Fall.
Die mit der Strafanzeige betraute Staatsanwältin teilte nach vier Monaten Ermittlungen den Parteien mit, sie werde Anklage erheben. Daraus wurde jedoch nichts; die Anklägerin schied überraschend aus dem Staatsdienst aus, bevor sie die Klageschrift bei Gericht deponieren konnte. Ihre Nachfolgerin hatte nicht den gleichen Ehrgeiz und wollte die Ermittlungen einstellen. Dagegen legten die Gebrandmarkten Berufung ein, schliesslich seien sie als Züchter der Lächerlichkeit preisgegeben worden.
Das Walliser Kantonsgericht liess sich Zeit in der zunehmend unangenehmen Sache, doch schliesslich entschied es: Gegen zwei der drei Angeschuldigten habe die Staatsanwaltschaft weiter zu ermitteln. Eine weitere Beschwerde bei Bundesgericht, gegen alle drei müsse das Strafverfahren weiterverfolgt werden, lehnte das oberste Gericht aus formellen Gründen ab.
Die Anklageschrift liegt dieser Zeitung vor: Der Oziv-Verbandspräsident wird darin wegen übler Nachrede und eventuell der Verleumdung, der Kassier wegen Beschimpfung sowie versuchter Nötigung angeklagt. Der Strafantrag lautet auf eine Geldstrafe von je 30 Tagessätzen sowie Bussen in Höhe von 500 beziehungsweise 800 Franken. Für die Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Auf Anfrage wollen sie nicht Stellung nehmen.
Der Richter würde eigentlich gerne auf einen Prozess verzichten und hat um eine Schlichtung gefragt. Doch für die der Manipulation Bezichtigten kommt dies nur in Frage, wenn die Vorwürfe zurückgezogen und sie vom Verband vollständig rehabilitiert werden. Auch erwarten sie einen solchen Bericht im «Walliser Bote», der mehrfach berichtet hat. «Es wird zu einem Hauptverfahren kommen», sagt dazu einzig der Strafverteidiger. Pro Specia Rara hat es gewusst: Nicht nur die stolzen Schwarzhalsziegen hätten einen harten Kopf, auch die Menschen in ihrer Heimat.
(aargauerzeitung.ch)
Aber echt, man stelle sich mal vor, die (so stelle ich sie mir vor) älteren Herren des Vorstands schleichen sich des Nachts in den Stall und rasieren und duschen 🤔🤣