Ich hatte schon immer eine Faszination für den weiblichen Körper, für seine Fähigkeit, ein neues Lebewesen entstehen zu lassen. Den ganzen Schwangerschaftsprozess zu begleiten, das finde ich spannend.
Als Hebamme bist du bei einem einschneidenden, wenn nicht dem einschneidendsten Moment im Leben von den Menschen dabei.
Ich merke immer wieder: Jedes Paar ist anders und bringt eine andere Familienkonstellation mit. Und trotzdem ist es bei allen immer schön, sie mit dem neuen Baby vertraut zu machen und sie auf das Elternsein vorzubereiten.
Trotzdem gibt es da einige Kandidaten – Männer, um genauer zu sein –, die mich in den vergangenen Jahren richtig genervt haben. Am meisten stört es mich, wenn sie den gebärenden Frauen und dem ganzen Geburtsprozess nicht den nötigen Respekt entgegenbringen.
«DEINE FRAU BRINGT GERADE EIN KIND ZUR WELT!», denke ich in diesen Momenten. Es gibt so viele Männer, denen die Schmerzen der Frau so egal sind. Die sitzen gemütlich im Sessel und sind am Handy. Oder sie finden gerade ein Fussballspiel wichtiger. Es gibt sogar welche, die im Kreisssaal gamen. Sie kapseln sich ab und chillen. Während die Frau daneben extreme Schmerzen hat und sich – in den meisten Fällen – die Unterstützung ihres Partners wünschen würde.
Solches Verhalten kommt nicht selten vor: Aus meinen Erfahrungen sind Männer bei jeder vierten Geburt teilnahmslos.
Es sind dann aber dieselben Männer, welche die ganze Zeit auf den Notfall-Knopf drücken und sagen, dass wir Hebammen ihren Frauen helfen sollten, denn diese hätten Schmerzen. Da denke ich jeweils: «Du kannst auch etwas machen und deine Frau unterstützen.» Eine Massage kann bei vielen Frauen etwa schon für etwas Entspannung sorgen.
Die Schlimmsten sind aber die, die dem Spitalspersonal gegenüber frech werden. Es ist nur logisch, dass eine Frau während der Geburt Schmerzen hat – und klar sind wir Hebammen dazu da, diese Schmerzen zu lindern. Aber wir können den Frauen nicht alle Schmerzen nehmen. Es gibt immer wieder Männer, die das einfach nicht begreifen. Sie haben das Gefühl, dass Hebammen und Ärzte versagen.
Was ich schon für Geschichten gehört habe: Ein Mann hat einen Stuhl nach einer Hebamme geworfen, ein anderer hat einen Glastisch zerschlagen. In beiden Fällen musste der Sicherheitsdienst einschreiten. Sie spüren sich überhaupt nicht.
Bei uns gebären auch Frauen, die beschnitten wurden. In einigen Fällen heisst das, dass ihre Vagina enger zusammengenäht wurde. Diese Naht platzt während der Geburt automatisch, oder der Arzt muss sie aufschneiden, sonst kann das Kind nicht herauskommen.
Nach einer Geburt wird die Geburtsverletzung genäht, also der Teil, der während der Geburt gerissen ist. Bei diesen Frauen nähen wir die Vagina so zusammen, wie es normal ist, also nicht so eng wie bei einer Beschneidung. Einige Männer kommen danach aber trotzdem und fragen: «Können Sie das nicht wieder enger nähen?» Das kommt zwar selten vor. Aber nur schon die Tatsache, dass es überhaupt vorkommt, befremdet mich.
Wir antworten jedes Mal, dass das in der Schweiz nicht erlaubt sei. Oft argumentieren sie, dass sie in ein anderes Spital gehen würden. Wir sagen jeweils, dass sie das dort versuchen könnten, aber wir machen das nicht und kennen auch niemanden, der so etwas machen würde.
Mir tut die Frau in solchen Momenten so leid. Ich denke dann: «Das ist jetzt wirklich dein einziges Problem, nachdem deine Frau gebärt und Schmerzen hat?»
Nach der Geburt darf die Frau ungefähr sechs Wochen keinen Sex haben. Es muss schliesslich alles zuwachsen können. Ein Mann hat mich – direkt nach der Geburt – im vollen Ernst gefragt: «Aber darf man den Hintereingang benutzen?»
Da denke ich mir: «Lass deine Frau doch sechs Wochen erholen!»
Ab und zu kommt es während der Geburt auch zu Diskussionen zwischen den Paaren. Viele Frauen sagen ihrem Partner vor der Geburt, dass sie ohne PDA, eine starke Schmerzspritze, gebären wollen. Aber während der Geburt herrscht oftmals Ausnahmezustand und die Frauen entscheiden sich, doch eine PDA legen zu lassen. Da gibt es jeweils Partner, die sagen: «Aber du sagtest doch, du willst das nicht.»
Ich verstehe, dass die Männer intervenieren und verwirrt sind. Aber wir sagen ihnen oft, dass sie nun den Entscheid der Frau akzeptieren sollten. Wichtig in solchen Fällen ist die Nachbesprechung nach der Geburt, damit klar ist, weshalb sich die Frau doch umentschieden hat und der Mann das nachvollziehen kann. Das ist elementar für die Schlichtung.
Eine Geburt kann das Schönste und das Traurigste sein, das Menschen erleben – in beiden Fällen stehe ich den Frauen zur Seite. Das liebe ich an meinem Job. Bei den traurigen Ereignissen – also Fehlgeburten, Totgeburten oder unerwartete Behinderungen –, da kann mein Job auch fordernd sein.
Das Traurigste, was ich während meiner Karriere erlebt habe, ist eine Frau, die bereits acht Fehlgeburten hinter sich hatte. Sie war erneut schwanger. In den wöchentlichen Kontrollen sah alles gut aus. Doch in der 38. Schwangerschaftswoche, also eigentlich am Geburtstermin, verlor sie ihr Kind trotzdem. Die Geburt muss in solchen Fällen trotzdem eingeleitet werden und die Frau muss das Kind gebären.
Da leide ich als Hebamme sehr mit. «Warum hat man dieses Kind nicht eine Woche vorher per Kaiserschnitt geholt?», das sind Fragen, die ich mir gestellt habe. Aber mit dem muss ich lernen umzugehen und zu sagen: «Ich habe mein Bestes gegeben.»
Dieser Fall bestärkt mich darin, dass ich mich immer wieder dafür entscheiden würde, Hebamme zu werden. Denn ich möchte Frauen – wie dieser – beistehen und ihnen helfen.