Schweiz
Wirtschaft

Die UBS-Aktionäre befürchten scharfe Kapitalvorschriften

Benötigt die UBS mehr Eigenkapital? Bundesrat knöpft sich «Too big to fail»-Debatte vor

Die negative Börsenreaktion auf die Jahreszahlen zeigt: Die Investoren machen ihre Rechnung nicht ohne die Schweizer Politik.
10.02.2024, 11:4210.02.2024, 14:33
Daniel Zulauf / ch media
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«Viele denken irrtümlicherweise, die Credit Suisse sei uns geschenkt worden», sagte UBS-Chef Sergio Ermotti diese Woche dem «Corriere del Ticino», der Zeitung seines Heimatkantons.

Der Manager untermauerte seine Aussage mit einer simplen und durchaus plausibel erscheinenden Rechnung: Damals, im März 2023, habe man sich auf einen Kaufpreis von etwa 3,2 Milliarden Dollar geeinigt. Ohne den Deal hätte die UBS nun vielleicht, wie im Vorjahr, einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar ausweisen können.

epa10548383 Newly appointed Group Chief Executive Officer of Swiss Bank UBS Sergio P. Ermotti (R) and UBS Chairman Colm Kelleher attend a news conference in Zurich, Switzerland, 29 March 2023. Followi ...
Die Kapitalvorschriften sind eine wichtige Grösse in der UBS-Story, die Präsident Colm Kelleher (l.) und CEO Sergio Ermotti ihren Investoren schmackhaft machen wollen.Bild: keystone

Doch die UBS habe ihren Gewinn zum grossen Teil zur Deckung der Verluste der Credit Suisse verwenden müssen. Verluste, die auch im laufenden Jahr und darüber hinaus noch anfallen würden. So gesehen liesse sich auch behaupten, die Credit Suisse habe die UBS bis jetzt nicht 3,2 Milliarden, sondern an die 11 Milliarden Dollar gekostet.

Wer ist bei wem in der Schuld?

Das Geschäft ist längst gemacht, trotzdem bleibt die Diskussion um den Kaufpreis relevant. Denn es geht um die Frage, ob die Schweiz der UBS dankbar sein sollte, dass sie dem Land geholfen hat, die Schmach einer gewaltigen Bankenpleite zu verhindern – oder umgekehrt, ob die UBS der Schweiz etwas schuldig bleibt, weil sie das Jahrhundertgeschäft möglich machte.

Eine zuverlässige Antwort auf die Frage wird erst in einigen Jahren möglich sein. Dann, wenn die UBS die Beute verdaut hat und den Gewinn an ihre Aktionäre verteilen kann. Die negative Börsenreaktion auf das jetzt von der UBS vorgelegte Jahresergebnis zeigt, dass die Investoren nach der ersten Euphorie im Herbst wieder vorsichtiger werden.

Der Elefant im Raum ist die künftige Kapitalausstattung der Grossbank. Dass die Minimalanforderungen an die UBS steigen werden, steht im Prinzip fest. Das Gesetz verlangt, dass systemrelevante Banken mehr Kapital halten als andere Banken, um gegenüber unerwarteten Verlusten widerstandsfähiger zu sein. Dabei gilt: Je grösser die Marktanteile bei Krediten und Kundeneinlagen, desto mehr Kapital braucht es.

Die UBS selbst rechnet für die risikogewichtete Quote des Kernkapitals in den nächsten Jahren mit einem Zuschlag von etwa 2 Prozentpunkten auf die aktuelle Minimalanforderung von 10,6 Prozent. Das Kernkapital besteht im Prinzip aus einbezahltem Aktienkapital und aus Gewinnreserven und geniesst deshalb den Ruf einer hohen Qualität.

Allerdings hat gerade die CS-Krise gezeigt, dass die Definition des Kernkapitals auch «einige Schwachstellen» aufweist, wie die Schweizerische Nationalbank im Sommer 2023 in ihrem Finanzstabilitätsbericht unter Bezugnahme auf diverse Beispiele bemerkte.

Die von der UBS aktuell ausgewiesene Kernkapitalquote beträgt 14,5 Prozent, und die Bank plant diese mit Blick auf die erwartete Erhöhung langfristig bei etwa 14 Prozent zu halten. Im Herbst sagte Sergio Ermotti auf einer Investorenkonferenz, ein Zuschlag gegenüber der Minimalanforderung in Höhe von etwa 1,5 Prozentpunkten stehe im Einklang mit der Konkurrenz.

Tatsächlich bewegt sich die aktuelle Kapitalausstattung der UBS im internationalen Konkurrenzvergleich etwa im Mittelfeld (vgl. Grafik). Ob und in welchem Umfang die UBS ihre Kapitalvorsorge weiter verstärken muss, wird die Politik in den nächsten Jahren entscheiden.

eigenkapitalaustattung der UBS im Vergleich
Bild: ch media

Mit Spannung erwartet wird auf Anfang April ein Bericht des Bundesrates, der die aktuelle «Too big to fail»-Regulierung evaluiert und Empfehlungen für Reformen enthalten wird. Der Bericht wird der Regierung als Grundlage für konkrete Vorschläge zur Revision des Bankengesetzes dienen. Er stützt sich auf verschiedene Expertenmeinungen, darunter auch auf eine Analyse der Expertengruppe «Bankenstabilität» unter dem Vorsitz von Wirtschaftsprofessor Yvan Lengwiler von der Universität Basel zum «Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse», sowie auf ein Gutachten von Professor Manuel Ammann von der Universität St. Gallen. Beide Berichte wurden vom Eidgenössischen Finanzdepartement in Auftrag gegeben.

Die Experten sind nicht einer Meinung

Die beiden Berichte gelangen in Sachen Eigenkapitalausstattung der UBS zu unterschiedlichen Schlüssen und machen damit deutlich, wie gross der Spielraum in der politischen Debatte ist und wie hoch die Unsicherheit für die UBS-Aktionäre noch werden kann.

Im Raum steht die Forderung nach einer ungewichteten Eigenkapitalquote von 15 Prozent für global tätige Grossbanken, welche die frühere Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP Luzern) im Juni 2021 eingereicht hatte. Nach den Sommerferien sah der Bundesrat in seiner Antwort «keinen Anlass, die geltenden Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken massiv zu erhöhen». Die Massnahmen zur Stärkung der Widerstandskraft systemrelevanter Banken seien nach der Finanzkrise im Jahr 2008 deutlich erhöht worden.

Zwei Monate nach der Notübernahme der CS stimmte der Nationalrat -vermutlich noch unter Schockeinwirkung – der Motion Birrer-Heimo zu. Die ungewichtete Eigenkapitalquote ist ein einfacheres Kalibrierungsmass als die gewichtete Kernkapitalquote. Sie setzt das Kernkapital zuzüglich bestimmter nachrangiger Anleihen, die dem Kernkapital zugerechnet werden dürfen (AT1), ins Verhältnis zur Bilanzsumme.

Dieses Kapital soll einer Bank im Krisenfall helfen, eine Insolvenz zu vermeiden und eine Sanierung zu überstehen. Die UBS hat aktuell 93 Milliarden Dollar davon, was 5,5 Prozent der Bilanzsumme entspricht (Leverage Ratio). Die von Birrer-Heimo geforderte 15-Prozent-Quote könnte die UBS mit einer Verdreifachung ihres Going-Concern-Kapitals auf 279 Milliarden Dollar oder mit einer Verkleinerung der Bilanzsumme von aktuell 1718 Milliarden Dollar auf 622 Milliarden Dollar erreichen. Auch eine Zwischenlösung wäre möglich.

Abschied von der globalen Bühne

Es ist klar, dass die UBS ihre Ambitionen als «Global Player» im Bankengeschäft mit einer solchen Verschärfung beerdigen müsste. Die Bank wäre zwar noch immer mehr als doppelt so gross wie ihre nächste Konkurrentin in der Schweiz, die Raiffeisen-Gruppe, aber nicht einmal mehr halb so gross wie zum Beispiel die Deutsche Bank.

Es ist nicht anzunehmen, dass eine derartige Zäsur politisch eine Mehrheit in der Schweiz finden kann, zumal sich das Land die hinzugewonnene Finanzstabilität mit einem erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen erkaufen müsste.

Selbstredend würde sich auch das UBS-Management im Namen ihrer Aktionäre mit aller Kraft gegen eine derartige Beschneidung wehren. Sie würde argumentieren, dass sie mit einer solchen Kapitalvorgabe international absolut nicht mehr wettbewerbsfähig wäre und zudem auch im Heimmarkt gezwungen wäre, die Vergabe von Krediten an Unternehmen und Private massiv einzuschränken.

Solche Argumente wiegen schwer, aber mindestens aus wissenschaftlicher Sicht sind sie nicht sakrosankt. Professor Ammann schreibt in seinem Gutachten unter Verweis auf wichtige Quellen in der internationalen Wissenschaftsliteratur, dass verschärfte Kapitalanforderungen die Finanzierungskosten von Banken – wenn überhaupt – nicht erheblich erhöhen würden. Allerdings seien die Befunde über die Kreditvergabe weniger positiv.

Ein Danaergeschenk für die UBS-Aktionäre?

Dennoch: «Eine massvolle, aber doch substanzielle weitere Erhöhung der Eigenmittelanforderungen» sollte Teil der überarbeiteten «Too big to fail»-Regulierung bleiben, empfiehlt Ammann. Eine minimale Leverage Ratio in der Grössenordnung von 10 Prozent könne mittelfristig als Zielsetzung für die grössten systemrelevanten Banken betrachtet werden, heisst es in dem Gutachten. Auch eine solche Vorgabe wäre für die UBS ein Horrorszenario. Aktienrückkäufe und grosszügige Dividendenzahlungen, wie sie die Bank eben erst angekündigt hat, wären auf Jahre hinaus nicht mehr möglich.

Mit grosser Befriedigung wird die UBS-Führung aber zur Kenntnis genommen haben, dass die Expertengruppe Bankenstabilität im Hergang der CS-Krise «keine offensichtlichen Argumente» gefunden hat, die Eigenmittelvorschriften in der Schweiz generell quantitativ zu verschärfen. «Zudem sollte, wenn überhaupt, eine Verschärfung auf die risikogewichteten Aktiva abstellen.» Eine Erhöhung der Leverage Ratio, wie sie der Nationalrat im Mai 2023 gutgeheissen hatte, vermindere den Anreiz der Banken, sichere Anlagen zu forcieren, und schaffe eher einen Anreiz, riskante Projekte zu verfolgen.

Selbst unter Experten ist das Meinungsspektrum über die optimale Eigenmittelausstattung der UBS gross. Klar ist aber: Die Bilanzsumme der Bank ist mehr als doppelt so hoch wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz. Die Risiken für die Steuerzahler sind hoch und in der Credit-Suisse-Krise mehr als deutlich sichtbar geworden. Die UBS-Führung weiss, dass das Land zum Handeln gezwungen ist. Das wissen auch ihre Aktionäre, unter denen sich einige gerade fragen, ob die Credit Suisse vielleicht ein Danaergeschenk war. (aargauerzeitung.ch)

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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hans Jürg
10.02.2024 12:06registriert Januar 2015
Nein, mehr Eigenkapital hilft nichts
Die CS hatte viel Eigenkapital und ging zugrunde.

Solch monströs grosse Gebilde wie die UBS müssen zerschlagen werden und in kleinere Firmen aufgeteilt. So wird verhindert, dass ein Teil der UBS den ganzen Laden in den Abgrund mitreisst, wenn irgendwelche unfähige und grössenwahnsinnige Manager lusche Geschäfte machen.

Ausserdem ist so ein Moloch wie die UBS gar nicht vernünftig zu managen. Schon gar nicht von einem einzelnen CEO.
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Rethinking
10.02.2024 12:58registriert Oktober 2018
Die Bürgerlichen Politiker werden griffige Massnahmen zu verhindern wissen…
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Fischra
10.02.2024 13:20registriert Juli 2016
Besser würde die CS eigenständig weitergeführt. Diese Big Bank schsdet dem Finazplatz Schweiz nur.
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