Das Geschäft mit sauberen, fairen und ehrlichen Finanzanlagen ist am Ende. Das zeigt auch der Austritt des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock aus dem Klimabündnis «Net Zero Asset Managers Initiative».
Nach dem abrupten Abgang ihres wichtigen Mitglieds hat die Organisation ihre Tätigkeiten vorerst eingestellt und die Mitgliederlisten und Mitgliedsbedingungen vom Netz genommen. Die Initiative werde «überprüft», um sicherzustellen, dass sie «im neuen globalen Kontext» zweckmässig bleibe, heisst es auf ihrer Website. Die «Überprüfung» dürfte aller Voraussicht nach zu einer starken Verwässerung der Mitgliedsbedingungen führen.
Unter dem «globalen Kontext» ist mehr als alles andere die massive politische Gegenbewegung in den USA zu verstehen, die den langjährigen Trend zum verantwortungsvollen Anlageverhalten gerade umkehrt.
In den vergangenen Wochen haben die grössten US-Banken mehr oder weniger geschlossen die unter dem Patronat der UNO stehende Net Zero Banking Alliance verlassen. Sechs Monate davor war es in der Net Zero Insurance Alliance zum kollektiven Exodus der grössten Mitglieder gekommen. Die Teilnehmer dieser Allianzen hatten sich verpflichtet, die Finanzierung beziehungsweise die Risikodeckung von Produzenten fossiler Energieträger einzudämmen.
Dass Goldman Sachs, JP Morgan, Bank of America und andere ihren Abschied just vor der Vereidigung Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten gaben, ist kein Zufall. Die neue Wirtschaftspolitik im Weissen Haus stehe wieder unter dem Motto «Oil first», konstatiert der Zürcher Finanzunternehmer Reto Ringger, ein Nachhaltigkeitspionier im Anlagegeschäft.
Ringger erfand in den 1990er-Jahren den Dow Jones Sustainability Index, eine Art Schaufenster, in dem sich Grossunternehmen erstmals aus der Nachhaltigkeitsperspektive mit ihren im brancheninternen Wettbewerb besten Geschäftsmodellen hervortun konnten. Seit jenen Zeiten hätten sich die Kurse der Aktien von Konzernen, die sich einem verantwortungsvollen Umgang mit ökologischen, sozialen und rechtlichen Themen verschrieben haben, zunehmend besser als der Durchschnitt entwickelt, sagt Ringger.
Anfang 2022 kam es zum Bruch. Seit der Invasion Russlands in die Ukraine liegen die Aktien der alten Fossilwirtschaft wieder vorne. Tatsächliche oder befürchtete Knappheitserscheinungen auf den Rohstoffmärkten sind der Hauptgrund dafür. Auch politisch hat die Lobby der «Old Economy» zu alter Stärke zurückgefunden.
In der Bevölkerung kommt solches offenbar nicht schlecht an. «Der amerikanische Konsument will einfach einen tiefen Benzinpreis», sagt Ringger. «Das war schon immer so und hat sich bis heute nicht geändert.» Damals, vor 30 Jahren, sei er vielleicht naiver, mit mehr Idealismus ans Werk gegangen, aber dass die Welt mit freiwilligem Konsumverzicht zu heilen sei, daran habe er nie wirklich geglaubt.
Deshalb bleibt Ringger auch in diesen eher düsteren Zeiten optimistisch: «Die neuen Technologien, die Grosses verändern können, werden billiger. Sie werden deshalb vermehrt eingesetzt.» Die Technologien seien auch hilfreich dabei, den Einsatz der Ressourcen zu verbessern und neue Möglichkeiten zu finden, wie die wachsenden Konsumbedürfnisse der vielen Menschen in den grossen Schwellenländern effizient befriedigt werden könnten.
Was aber denkt der 61-Jährige über die spektakuläre politische Kehrtwendung der ganzen amerikanischen Technologie-Elite, die in vielen dieser Technologien eine Schlüsselrolle spielt? Es ist noch nicht lange her, als Tesla-Erfinder Elon Musk einer der eindringlichsten Klimawarner war. Jetzt sagt der «First Buddy» und Berater Trumps, die Klimarisiken würden überzeichnet.
Für Amazon-Chef Jeff Bezos und Open-AI-Gründer Sam Altman war Trump einst eine Gefahr für die Demokratie. Nun spenden die beiden Millionen für dessen Inthronisierungszeremonie und hofieren Trump beim Nachtessen in dessen Residenz in Florida. Er verschaffe Amerika eine Dominanz gegenüber China im Bereich der künstlichen Intelligenz, lobt Altman stellvertretend für die ganze Tech-Kaste. Ist das die Technologiebranche, welche die besten Lösungen für die grössten ökologischen, sozialen und politischen Probleme der Welt bereitstellen wird?
«Dieses Verwandlungstheater macht mich als Beobachter sprachlos», räumt Reto Ringger ein.
Der Finanzmarktkenner mag nicht darüber spekulieren, wohin diese Mischung letztlich führen wird. Als positiv wertet er, dass mit Elon Musk immerhin kein Erdölmagnat und auch kein Diamanten- oder Luxusverkäufer zum reichsten Menschen der Erde geworden sei, sondern ein Unternehmer, dessen Technologien für den Klimaschutz hilfreich sind.
In Europa gäbe es nach wie vor einen gesellschaftlichen Druck, das Verantwortungsbewusstsein der Wirtschaft zu fördern. «Umweltfreundliche Produkte haben in unseren Breitengraden eine höhere Akzeptanz», weiss Ringger aus seiner Erfahrung im Finanzmarkt.
Wann verfügt ein Anlagefonds über die Kriterien, die ihn unter den EU-Offenlegungspflichten für nachhaltige Finanzanlagen zu einem grünen Investmentpapier qualifizieren? Was braucht es, damit die Farbe des Fonds von Grün auf Dunkelgrün wechselt, damit das Investment also nicht nur passiv als verantwortungsvoll, sondern sogar aktiv als wirkungsvoll gelten kann?
«Die europäische Regulierungslandschaft ist ein Labyrinth für Juristen und Berater», sagt Ringger.
Die Schweiz mache es besser mit den vom Bund entwickelten «Swiss Climate Scores». Die Fondsanbieter sind frei, das Label zu verwenden oder nicht. Es bewertet nur die Klimafreundlichkeit einer Anlage und beschränkt sich auf 15 Kriterien. «Auch dieses System ist für Laien nicht einfach zu verstehen, aber im Vergleich mit der EU-Regulierung ist es dennoch pragmatisch», findet Ringger.