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Wirtschaft

Finma musste sich gegen die CS sechsmal per Verfügung durchsetzen

Marlene Amstad, VR-Praesidentin FINMA, rechts, und Urban Angehrn, Direktor FINMA, waehrend einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 5. April 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Urban Angehrn, Direktor der Finma, und Marlene Amstad, Präsidentin des Verwaltungsrats, bei der Medienkonferenz. Bild: keystone

«Das passiert selten»: Finma musste sich gegen die CS sechsmal per Verfügung durchsetzen

Die Finma wandte sich am Mittwoch an die Medien, wo sie nochmals die Handlungsoptionen zur Rettung der CS besprach, den Wunsch nach mehr Kommunikation äusserte und ihre Instrumente erklärte. Instrumente, die gegen die CS unüblich häufig zum Zug kamen.
05.04.2023, 11:1505.04.2023, 14:04
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Noch letzte Woche sagte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ihre traditionelle Jahresmedienkonferenz ab. Finma-Sprecher Tobias Lux begründete den Entscheid gegenüber Blick mit dem «aktuell starken Fokus auf die Arbeiten rund um die Fusion von UBS und CS».

Am Mittwoch gab die Finma nun kurzfristig eine Pressekonferenz. Ziel davon war es, über Aufsichtshandlungen, Instrumente der Finma und über die Handlungsoptionen bei der CS-Rettung zu sprechen.

Üblicherweise würde die Finma nicht über solche Aufsichtshandlungen berichten, wie sie dies jetzt täte, so Marlene Amstad, die Präsidentin des Verwaltungsrats der Finma. Die Begründung dafür lieferte sie bereits Ende März gegenüber der NZZ:

«Aber gerade, wenn wir scharf vorgehen, wird das meistens nicht öffentlich. Stellen Sie sich vor, es wäre bekannt geworden, dass wir bereits im November an der Sanierungsverfügung der CS arbeiteten oder die CS aufgefordert haben, alternative Lösungen für den jetzt eingetretenen Fall vorzubereiten.»

In diesem Fall aber bestehe ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis, so Amstad an der Konferenz. Sie beginnt ihre Ausführungen bei den «Too big to fail»-Regulierungen.

«Too big to fail» hat geholfen

Die Finma müsse die «Too big to fail»-Regulierungen analysieren und die Lehren daraus ziehen. Im Falle der CS seien viele Elemente dieser Regulierung angewandt worden. So hätten etwa Kapital- und Liquiditätspolster die CS lange reguliert, was laut Amstad wichtig gewesen sei. Denn:

«Ansonsten wäre die CS bereits im Herbst 2022 zu Ende gewesen.»

Konkurs und Sanierung nach «Too big to fail»-Regeln wären Instrumente der letzten Hoffnung gewesen. Damit hätten die Behörden riskiert, eine sich abzeichnende Finanzkrise auszulösen, statt sie zu stoppen. Ein Flächenbrand und eine globale Finanzkrise hätten gedroht.

Marlene Amstad, VR-Praesidentin FINMA, spricht waehrend einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 5. April 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Marlene Amstad während der Pressekonferenz.Bild: keystone

Trotzdem habe «Too big to fail» verschiedene Optionen eröffnet. Das Element der Sanierung sei schlussendlich nicht gewählt worden, da aufgrund der Risiko- und Chancenabwägung bessere Optionen vorgelegen hätten.

6 Verfügungen gegen die CS

Die Finma verfüge über diverse Instrumente, mit denen sie das Aufsichtsrecht durchsetzen könne, erklärte Amstad. Der Fall CS habe bezüglich des Werkzeugkastens der Finma allerdings einige Fragen aufgeworfen. Vor diesem Hintergrund wolle die Finma ihre generellen Möglichkeiten und Grenzen ausführen.

Die stärkste Waffe der Finma sei das Enforcement, so Amstad. Das bedeutet das Durchsetzen des Aufsichtsrechts auf gerichtlicher Ebene. In der Öffentlichkeit kriege man davon nicht viel mit:

«Die fünf Medienmitteilungen pro Jahr sind nur die öffentlich sichtbar gewordene Spitze des Eisbergs.»

Im Schnitt gebe es 40 abgeschlossene Verfahren (Enforcements) und 600 Enforcement-Abklärungen pro Jahr. Meistens reiche eine Abklärung aus und in über 90 Prozent der Fälle werde der ordnungsgemässe Zustand innerhalb von drei Monaten wiederhergestellt. Doch nicht immer reiche das:

«Zu einem Verfahren kommt es bei gravierenden Fällen oder wenn sich ein Institut den auferlegten Massnahmen widersetzt. Das ist selten der Fall.»

Dass sich die Finma wie im Falle der CS sechsmal – und damit wiederholt – per Verfügung habe durchsetzen müssen, sei selten, betonte Amstad.

Zusätzlich zu den Enforcements könne die Finma gegen Personen Berufsverbote aussprechen. Seit 2009 habe sie 60 Berufsverbote ausgesprochen, die bei zwei Dritteln der Fälle die obere Chefetage betroffen hätten.

Zum Sinn und Zweck dieser Instrumente erklärte Amstad:

«Alle Instrumente zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts sind nicht dazu da, eine Strategie aufzudrücken oder das Vertrauen der Kunden zu gewinnen – das ist Aufgabe der Bank.»

Wunsch nach Ausbau der Instrumente

Der Finma sei es ein Anliegen, ihre Arbeit öffentlich sichtbarer zu machen, so Amstad. Die Ereignisse rund um die CS hätten gezeigt, dass die Finma in extremen Fällen mit ihren Aufsichtsinstrumenten an die Grenzen stosse. Deshalb lohne es sich, über einen entsprechenden Ausbau nachzudenken.

Konkret würde die Finma zwei zusätzliche Instrumente begrüssen: die Bussenkompetenz und das Senior-Managment-Regime. Im Gegensatz zu anderen Finanzplätzen im Ausland dürfe die Finma bislang keine Bussen aussprechen. Diese Kompetenz würde sie gerne besitzen. Gerne würde sie auch das Senior-Management-Regime einführen. Damit sollen die Verantwortlichkeiten auf den Bank-Chefetagen genauer definiert werden.

Amstad betont:

«In beiden Fällen gilt: Die Finma ist keine Strafbehörde. Das wollen wir auch nicht sein.»

Eine intensivere Kommunikation über abgeschlossene Verfahren sowie die zwei neuen Instrumente würden ihren Werkzeugkasten ergänzen und komplettieren.

Die Handlungsoptionen im Fall CS

Nach den Ausführungen Amstads ergriff Urban Angehrn, Direktor der Finma, das Wort. Er wolle nochmals auf die verschiedenen Handlungsoptionen bezüglich der Rettung der CS eingehen. Ihnen hätten drei Optionen offengestanden: die Sanierung der Finma durch Verfügung, die temporäre Verstaatlichung durch den Bund und die Fusion der CS mit der UBS. Eine vierte Option, die vorbereitet gewesen, aber früh depriorisiert worden sei, sei der Konkurs und Notfallplan gewesen.

Finma Konferenz
Eine während der Pressekonferenz gezeigte Grafik zu den Handlungsoptionen.Bild: finma pressekonferenz screenshot

Die Finma hätte eine Sanierung anordnen können, wodurch sie die Kontrolle über die Bank übernommen hätte. Das erste Ziel wäre dabei gewesen, die Dienstleistungen fortführen zu können. Doch wie Angehrn anmerkte: «Diese Option funktioniert allerdings nur, wenn das Kapital verstärkt und die Liquidität der Bank gesichert wird.» Wie bei der Fusion hätte es dafür die Schweizerische Nationalbank mit Liquiditätsgarantien gebraucht. Bei dieser Option hätten aber Zweifel bestanden, ob das Vertrauen in die Bank hätte erhalten werden können.

Urban Angehrn, Direktor FINMA, spricht waehrend einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 5. April 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Der Direktor der Finma: Urban Angehrn. Bild: keystone

Im Falle einer Verstaatlichung der Bank wäre der Staat Alleinaktionär geworden. Aus «ordnungspolitischen Überlegungen» habe der Bundesrat dieses Modell abgelehnt.

Dann sprach Angehrn über die schlussendlich gewählte Option: die Fusion. Im Gegensatz zur Sanierung schaffe diese mehr Vertrauen. Aus diesem Grund seien die Beteiligten alle zum selben Schluss gekommen:

«Alle Beteiligten kamen zum gleichen Schluss: In unserer Situation ist die Übernahme der beste Fall.»

Der Konkurs und Notfallplan sei als vierte Option aufgrund der damit einhergehenden drastischen Konsequenzen früh depriorisiert worden. Er wäre nur zum Zuge gekommen, wenn keine anderen Optionen geholfen hätten. In diesem Falle wären die CS holding group und das Mutterhaus CS AG mit all ihren Niederlassungen untergegangen. Einzig die CS Schweiz AG wäre verblieben, da diese hier systemrelevant sei.

«Das heisst, eine sehr grosse Schweizer Bank, die CS Schweiz AG, wäre gerettet worden, aber das Mutterhaus CS AG wäre im Konkurs gewesen.»

Das hätte eine verheerende Wirkung gehabt: Viele andere Banken hätten mit einem Bankrun rechnen müssen, so wie die CS das im vierten Quartal erlebt habe. Zwar hätten die systemrelevanten Optionen in der Schweiz gerettet werden können, doch der Schaden für den Wirtschaftsstandort Schweiz wäre enorm gewesen. Darum stand fest:

«Im Vergleich mit den anderen Optionen, die auf dem Tisch lagen, wären Konkurs und Notfallplan unverhältnismässig gewesen.»

Zur Grösse der UBS

Durch den Zusammenschluss der UBS und CS sei eine sehr grosse und weiter systemrelevante Bank entstanden. Dies habe zu intensiven Diskussionen in Politik und Medien geführt. Das «Too big too fail»-Reglement sehe in der Schweiz vor, dass die Kapitalanforderungen progressiv zur Bank wachsen müssten.

«Eine doppelt so grosse Bank muss doppelt so viel Kapital halten.»

Das wird nach der Übergangsphase auch für die UBS gelten. Die Finma werde das überwachen und durchsetzen. Ab 2024 gelten zudem neue Liquiditätsanforderungen, wonach für systemrelevante Banken noch zusätzliche Liquiditätsanforderungen gelten.

Der nächste Meilenstein sei der Vollzug der Fusion von CS und UBS. Dafür brauche es die Zustimmung diverser Behörden im In- und Ausland. Einige seien noch ausstehend. (saw)

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75 Kommentare
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Graf von Rüdesheim
05.04.2023 11:30registriert Februar 2022
Das ist aber äussert interessant. Die FINMA probierte schon 2020 Gegensteuer zu geben und der Ueli Käluscht trat noch Ende letztes Jahr vor die Medien uns sah keinen Handlungsbedarf. Es ist ja bald Ostern.
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Pafeld
05.04.2023 11:53registriert August 2014
Spannend. Der Zeitraum, wo man mit Sicherheit weiss, dass die tbtf-Richtlinien für die Stabilitätsbewertung der CS nicht ausreichen und man möglicherweise tbtf in einer Nacht- und Nebelaktion per Notrecht (war ja zu dem Zeitpunkt gerade populär geworden) aushebeln müsste, liegt mittlerweilen bei mindestens zwei Jahren. Plötzlich wird auch klar, warum Ueli Maurer aus heiterem Himmel keine Lust mehr hatte. Und der "Vorteil" der Fusion gegenüber der Sarnierung liegt wohl primär darin, dass die CS-Aktionäre zumindest noch einen Trostpreis erhalten und die Politik möglichst wenig zu melden hat.
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Janster
05.04.2023 12:42registriert März 2021
60 Berufsverbote seit 2009? Im Bankensektor? Und hauptsächlich im oberen Management? Davon höre ich zum ersten Mal. Sind diese Fälle öffentlich geworden? Das sagt ja auch schon einiges aus über die Arbeitsweise der Top Manager bei den Banken....Da muss ja vermutlich viel passieren bis die ein Berufsverbot aussprechen...
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