Martin Gruenberg wirft das Handtuch. Der einflussreiche amerikanische Bankenaufseher, der kürzlich Kritik an der CS-Rettungsaktion geübt hatte, gab diese Woche seinen Rücktritt bekannt. Sobald ein Nachfolger für seinen Posten an der Spitze des Einlagensicherungsfonds FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) bestimmt sei, werde er abtreten, kündigte Gruenberg an.
Der FDIC-Chef, der seit fast zwei Jahrzehnten für die politisch unabhängige Aufsichtsstelle tätig ist, stolperte über seine Führungsqualitäten. Ein kürzlich veröffentlichter Untersuchungsbericht beschrieb das Arbeitsklima in der FDIC als toxisch und «patriarchalisch». Die externen Spezialisten warfen der Führungsriege der Behörde vor, allerlei Missstände ignoriert zu haben. So wurden weibliche Angestellte über Jahre hinweg massiv sexuell belästigt.
Der 71 Jahre alte Gruenberg soll zudem im persönlichen Umgang ein schwieriger Mensch gewesen sein; er habe sein Temperament nicht zügeln können und Untergebene häufig beleidigt. Die FDIC zählt gegen 6000 Angestellte; die Behörde verwaltet nicht nur den Einlagensicherungsfonds für amerikanische Sparer; sie ist auch die Aufsichtsstelle für rund 5000 meist kleinere Banken.
Gruenberg, ein Demokrat, wurde aufgrund der Missstände in der FDIC nicht nur von Republikanern in Washington kritisiert. «Sie sollten sich schämen», sagte ein rechter Senator vorige Woche während einer parlamentarischen Anhörung. Auch Parteifreunde setzten ihn unter Druck, seinen Posten vorzeitig abzugeben. Zuletzt hatte er das Vertrauen des einflussreichen Abgeordneten Sherrod Brown verloren.
.@SenJohnKennedy: "You believe your the person to clean up the FDIC?"
— CSPAN (@cspan) May 16, 2024
FDIC Chair Martin Gruenberg: "I do, Senator."
Kennedy: "Do you also believe that Elvis is alive?"
Gruenberg: "Not to my knowledge."
Kennedy: "Do you also believe in Big Foot? Have you read this report?" pic.twitter.com/ibNV1qg7gY
Mit Rücktrittsforderungen hielten sich viele Demokraten aber bis zuletzt zurück. Denn die Probleme des Einlagensicherungsfonds, die auch dank einer Artikelserie des «Wall Street Journal» publik wurden, stellen für die Präsidentenpartei ein Problem dar. Zum einen wird es im Wahljahr 2024 nicht einfach sein, einen Nachfolger für Gruenberg ins Amt zu hieven. Zum anderen will die Partei von Präsident Joe Biden unbedingt verhindern, dass an der Spitze eines wichtigen Bankenaufsehers ein Republikaner steht - würde Gruenberg umgehend zurücktreten, dann übernähme sein republikanischer Stellvertreter das Amt.
Unter Bankenexperten galt der FDIC-Chef als Verfechter einer aggressiv auftretenden Bankenaufsicht. So unterstützt Gruenberg den Plan, gegen den Widerstand der Finanzindustrie strengere Kapitalanforderungen für die grössten Institute umzusetzen.
In der Schweiz hatte der Bankenaufseher zuletzt für Aufsehen gesorgt, als er im April in einem Zeitungsinterview und einer Rede die CS-Rettungsaktion kritisierte. Gruenberg sagte sinngemäss, dass die Credit Suisse hätte abgewickelt werden müssen; und er deutete an, dass den Schweizer Behörden der Mut gefehlt habe, auf die «vernünftigen» Abwicklungspläne zurückzugreifen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wies diese Kritik in der Folge als «völlig unverständlich» zurück. Sie rief den amerikanischen Bankenaufseher indirekt dazu auf, vor der eigenen Tür zu kehren. (aargauerzeitung.ch)