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Doppelt so viele Geldspiel-Süchtige – Gespa wartet auf «seriöse Zahlen»

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Kann schnell ins Geld gehen: Online-Casinos.Bild: AP/AP

Gespa-Direktor: «Wir halten den Ball flach» – doppelt so viele Geldspiel-Süchtige

Laut einer Studie hat sich die Zahl der Geldspiel-Süchtigen innert drei Jahren verdoppelt. Auch in der universitären psychiatrischen Klinik in Basel spürt man eine stärkere Nachfrage. Doch die interkantonale Geldspielaufsicht will vorerst keine neuen Massnahmen umsetzen. Bis «seriöse Zahlen» vorliegen.
25.02.2023, 21:3627.02.2023, 07:16
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Es wirkt wie schnell verdientes Geld, doch oft endet es mit einem angehäuften Schuldenberg: Weil Online-Glücksspiele immer beliebter werden, steigt auch die Zahl der Geldspiel-Süchtigen.

Dies zeigt eine neue Studie der Stiftung Sucht Schweiz sowie des Suchtverbands Grea, die dafür 1395 Spielende aus der Deutsch- und Westschweiz befragt haben. Sie wollten herausfinden, wie sich das Verhalten der Spielenden seit der Einführung des neuen Geldspielgesetzes 2019 verändert hat.

Innerhalb von drei Jahren soll sich laut der Studie die Zahl der problematischen Glücksspieler verdoppelt haben: von 2,3 Prozent im Jahr 2018 auf 5,2 Prozent im Jahr 2021. Nun schliessen sich zum ersten Mal alle Kantone für eine gemeinsame Präventionskampagne zusammen. Doch auf nationaler Ebene wird vorerst nichts unternommen.

«Seriöse Zahlen»

«Wir halten den Ball flach», sagt Manuel Richard, Direktor der interkantonalen Geldspielaufsicht (Gespa), gegenüber watson. Aktuell seien keine neuen Massnahmen geplant. Der Grund dafür: Die Ergebnisse von Sucht Schweiz würde man mit Vorsicht betrachten, da nur Online-Spieler befragt wurden.

Manuel Richard Direktor Geldspielaufsicht Gespa
Wartet noch mit Massnahmen: Manuel Richard, Direktor der interkantonalen Geldspielaufsicht.Bild: zVg

«Es wird nun von einer Verdoppelung der Problematik geschrieben, doch das geht mir etwas zu schnell», sagt Richard. Sollten sich die Zahlen jedoch bestätigen, wäre es alarmierend und Handlungsbedarf würde bestehen.

Um dies herauszufinden, arbeitet die Gespa an einer eigenen umfassenden Studie, die voraussichtlich im Herbst 2024 erscheinen soll. Auf dieser Grundlage werde die Gespa entscheiden, ob die Massnahmen verschärft werden müssen. «Das wird eine Studie sein, bei der wir die wissenschaftliche Methodik verantworten können und die seriöse Zahlen liefert» sagt Richard.

Doch auch die Gespa habe bemerkt, dass im Online-Bereich immer mehr Geld ausgegeben werde. «Speziell bei Sportwetten gibt es viele, die um hohe Einsätze spielen. Da müssen wir weiter beobachten, ob die Sozialschutzmassnahmen ausreichen», sagt Richard.

Spieler können Sperre umgehen

Das Problem sei, dass man ein Balance-Akt ausüben müsse, wie der Gespa-Direktor erklärt: «Wenn man die Massnahmen verschärft, verlieren die Schweizer Angebote an Attraktivität und die Kunden wenden sich wieder stärker dem ausländischen Online-Geldspiel zu.» Obwohl diese durch das Geldspielgesetz seit 2019 verboten sind, zocken immer noch viele Leute auf ausländischen Plattformen.

Seit Mitte letzten Jahres d
Wird beliebter: Online um Geld zu spielen. Bild: sda

Die Gespa hat wenige Möglichkeiten, um ausländische Online-Sites komplett vom Schweizer Markt fernzuhalten. Die Internetseiten zu sperren, erweist sich teilweise als nutzlos. Alleine vom Anbieter «betworld.com», dessen Hauptsitz auf dem Inselstaat Curaçao liegt, hat die Gespa seit 2019 bereits 21 verschiedene URL-Adressen gesperrt.

«Einzelne Anbieter umgehen die Sperre, indem sie ihren Spielern einfach eine neue URL zusenden. Mit gewissen Seiten ist es ein endloses ‹Räuber und Polizei› spielen, da sie immer wieder ihre Domain anpassen», sagt Manuel Richard.

Dennoch hält die Gespa an ihrer Strategie fest und verteidigt auch die Wirkung des Geldspielgesetzes. «Das System hat sich bewährt und die Schweizer Lotteriegesellschaften konnten gerade im Teilmarkt der Sportwetten ihren Umsatz enorm steigern. Gleichzeitig wurde viel gemacht, um die Spieler zu schützen – unter anderem durch die Früherkennung von Spielsucht», so Richard. Die Anzahl der gesperrten Spieler pro Jahr habe – im Vergleich zu den Jahren vor dem Geldspielgesetz – massiv zugenommen.

Grössere Nachfrage an Suchtbehandlungen

Zugenommen hat auch das Interesse an ambulanten und stationären Behandlungen für Spielsüchtige an der universitären psychiatrischen Klinik in Basel (UPK). «Wir haben eine Zunahme der Nachfrage bei Menschen festgestellt, die sich bei uns behandeln möchten», sagt Renanto Poespodihardjo, leitender Psychologe des Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen in der UPK.

Renanto Poespodihardjo
Behandelt Geldspiel-Süchtige: Renanto Poespodihardjo.Bild: screenshot UPK

Wöchentlich würden sich zwei bis drei Menschen für eine Suchtbehandlung bemühen. «Wir gehen aber davon aus, dass sich lediglich rund 25 Prozent der Betroffenen eine Therapie suchen», sagt Poespodihardjo. Überwiegend seien in der UPK junge Männer in Behandlung. Bei Frauen stecke noch etwas mehr Scham dahinter, sich wegen der Spielsucht Hilfe zu holen, schätzt der Psychologe.

Die Gründe für die Sucht seien vielfältig: Einige hätten Sucht-Vorgeschichten in der Familie. Andere hätten innere, seelische Schmerzen und versuchen diese durch Glücksspiel zu verdrängen. Auch Corona habe das Online-Geldspielverhalten begünstigt.

«Die Menschen waren während der Pandemie isoliert, teils vereinsamt und deshalb verbrachten sie mehr Zeit im Internet», sagt Poespodihardjo. Der Psychologe findet, das neue Geldspielgesetz habe schon viel dazu beigetragen, dass die Menschen weniger in die Geldspiel-Sucht abrutschen. «Doch es hat auch noch viel Verbesserungspotenzial», sagt er. Speziell die Sperrung von ausländischer Online-Casinos sei seiner Meinung nach noch nicht ausgereift: «Aktuell stellt es für die Geldspiel-Süchtigen keine Schwelle dar, dadurch noch weiter in die Sucht abzurutschen.»

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98 Kommentare
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Händlmair
25.02.2023 22:12registriert Oktober 2017
Was genau macht man eigentlich als Direktor der Gespa so den ganzen Tag? Gemäss Bilanz 2021, hat die Gespa 16 Mitarbeiter und einen Personalaufwand von 2‘461‘049 Franken, also 153‘815 Franken pro Mitarbeiter!

Ich habe den falschen Job.
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Zappenduster
25.02.2023 21:19registriert Mai 2014
Ah ja klar. Natürlich sind immer noch die ausländischen Anbieter Schuld. Verdammt billige Arrgumentation. Wieso sehe ich heute viel mehr Werbung (für Schweizer Anbieter) als vor der Gesetzesänderung??? Wo ist die viel beschworene Prävention geblieben?
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Nüsslisalat
25.02.2023 21:07registriert Januar 2021
"wir beobachten die Lage" ist doch die klassische Schweizer Problembewältigungsstrategie. Wieso sollen wir das nicht auch beim Glücksspiel so handhaben
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