Glück oder Geld? Daniel Vasella entschied sich im Interview mit dem «Blick» für «Glück». Das war im Mai 2017, also rund eineinhalb Jahre nach seiner offiziellen Rückkehr in die Schweiz. Heute ist klar: Dem einstigen Lenker von Novartis ging es letztlich wohl immer nur ums «Geld», und dabei hatte er nicht immer nur «Glück» – insbesondere nicht mit den Zuger Steuerbehörden.
Denn diese wollten Vasella nicht recht glauben, dass er und seine Frau ihren Lebensmittelpunkt verlegt hatten - vom zugerischen Risch ins steuerbefreite Monaco; zwischen dem 1. April 2013 und dem 31. Dezember 2015. Und so forderte sie Beweise, die Steuerverwaltung des Kantons Zug.
Sie wollte Gewissheit haben zu den «tatsächlichen Aufenthaltstagen» des Ehepaars Vasella «für den gesamten Zeitraum der geltend gemachten Wohnsitzverlegung nach Monaco» - und zwar «widerspruchsfrei». So steht es im Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. September 2020, das die «Sonntags-Zeitung» öffentlich gemacht hat.
Vasella musste liefern, und zwar Daten zu Wasser, zu Strom, zu Fixnet, zu Kreditkarten und zu Flügen - und er musste immer wieder nachbessern, bei den Daten und auch bei den dazugehörigen Erklärungen. Das hat niemanden überzeugt, weder die Steuerbehörden noch das Gericht.
Denn für eine Wohnsitzverlegung reicht es nicht, sich beim bisherigen Wohnsitz abzumelden. «Entscheidend ist vielmehr, dass (...) ein neuer Wohnsitz begründet wird.» Oder anders gesagt: Es oblag den Vasellas, zu beweisen, dass sie sich tatsächlich in Monaco eingerichtet hatten.
Aber letztlich sprach nichts für eine Verlegung. Der Strom- und Wasserkonsum in Risch übertraf den in Monaco um ein Vielfaches. Die Kreditkarten wurden offensichtlich so ziemlich überall eingesetzt - ausser in Monaco. Während die Haushaltshilfe in Risch - trotz angeblichen Wegzugs der Hausherrn - in unverändertem Pensum weiterbeschäftigt wurde, war die monegassische Haushaltshilfe im Stundenlohn angestellt - und dies nur an drei Tagen pro Woche für jeweils drei Stunden.
Das Urteil ist rechtskräftig. Vasella musste nicht nur die 25'000 Franken für das Rekursverfahren tragen, das sich gemäss Gericht durch «einen ausserordentlich hohen Zeit- und Arbeitsaufwand» auszeichnete. Er musste auch den umstrittenen Steuerbetrag nachzahlen, der «als äussert hoch» gilt. Schliesslich hatte Vasella im besagten Jahr 2013 auch gut verdient: Er handelte sich damals zum Abgang von Novartis ein sechsjähriges Konkurrenzverbot aus, das ihm 72 Millionen Franken hätte einbringen sollen. Der öffentliche Aufschrei war gross - und nachhaltig: Rekordverdächtige 67.9 Prozent stimmten am 3. März, und damit kurz nach Publikwerden von Vasellas Abgangsentschädigung, der von Thomas Minder lancierten Abzockerinitiative zu.
Vasella und Novartis machten einen Rückzieher, der Manager verzichtete auf einen Grossteil der versprochenen Geldern und begnügte sich mit 8 Millionen Franken, die er wohl mit seinem Umzug nach Monaco wenigstens vor Steuerabzügen retten wollte.
Vasellas Beziehungen zu Novartis endeten nicht abrupt: Bis Ende 2019 erhielt er vom Pharmakonzern etwa noch einen Chauffeur mit Fahrzeug zur Verfügung gestellt oder ein Büro inklusive Sekretariatsdienstleistungen.
Und er darf auf Lebzeiten den Titel eines Ehrenpräsidenten tragen. Dieser sei ihm verliehen worden, «weil er sich in besonderem Masse für die frühe Entwicklung von Novartis verdient gemacht hat», hält Novartis auf Anfrage fest. «Mit diesem Titel sind weder Rechte noch Pflichten verbunden. Als Ehrenpräsident ist Herr Vasella weder für Novartis tätig, noch bezieht er Leistungen von Novartis.» Aber wegnehmen kann Novartis ihm den Titel offensichtlich nicht mehr.
Zudem durfte Vasella den Firmenjet nutzen, was er 2013 insgesamt siebenmal tat, wie aus dem Gerichtsurteil hervorgeht. Internationale Flüge trat er in den untersuchten Jahren von 2013, 2014 und 2015 jeweils über den Flughafen Zürich an - und nicht etwa von Nizza, was beim einem Wohnsitz in Monaco logisch gewesen wäre.
Er sei jeweils mit dem Auto von Monaco an den Zürcher Flughafen gefahren, weil es zeitlich keinen Unterschied mache, ob man die Strecke fahre oder fliege: Das eine dauere 7.5 Stunden, das andere 6. Für die Fahrten seien «bewusst verschiedene Fahrzeuge verwendet worden». Das Gericht hatte seine Zweifel und rechnete mithilfe von Google Maps und dem Flugplan nach: Die Flugzeit sei mit 6 Stunden von Vasella um den Faktor 2 zu hoch angegeben worden, fand es heraus.
Die Steuerbehörden erkannten in der Begründung zur Wahl des Flughafens Zürich einen Widerspruch in Vasellas Argumentationslinie: Denn schliesslich hätte dieser gemäss eigenen Aussagen angegeben, sich nach Monaco zurückgezogen zu haben, um dort unerkannt leben zu können. Beim Reisen hingegen habe er dann mit Zürich jenen Flughafen gewählt, an dem er «wohl am ehesten erkannt» würde.
Der Zuger Steuerverwaltung wollte noch etwas nicht einleuchten. Wieso hatte das Ehepaar Vasella eine stattliche Villa an den Gestaden des Zugersees mit viel Umschwung, Garten und grossem Pool eingetauscht gegen eine vergleichsweise bescheidene, womöglich gar möblierte 5-Zimmer-Duplexwohnung im 11. und 12. Stock eines Wohnblocks mit kleiner Terrasse inklusive Pool?
Es sei unbestritten, dass die Mietwohnung in Monaco deutlich kleiner sei als das Rischer Eigenheim, räumt Vasella gemäss Gerichtsurteil ein. Dabei sei auch zu beachten, dass «eine Wohnung mit 268 Quadratmetern in Monaco als sehr grosszügig» einzustufen sei.
Mühe gaben sich die Richter auch bei der Überprüfung der Telefonrechnungen des Festnetztelefons in Monaco. Im Jahr 2013 wurden etwa pro Monat nur gerade durchschnittlich 2.30 Euro pro Monat für Gespräche verrechnet. Vasella argumentierte, in seinem Zugang seien Freiminuten inklusive gewesen. Die Zuger Richter recherchierten – und fanden heraus: Das stimmt nicht.
Dass Vasella die Standortdaten seines Schweizer Handys nicht herausrücken wollte, hat seiner Glaubwürdigkeit nicht geholfen, ebenso wenig wie die Aussage, seine Frau habe kein Mobiltelefon.
Was die Steuerverwaltung weiter stutzig machte: Das Ehepaar Vasella verzichtete auf einen Nachsendeauftrag der Post. Ein solcher werde bei Umzügen aber «nach der allgemeinen Lebenserfahrung» eingerichtet. Auch das Gericht konnte den Verzicht auf diesen «nur schwer nachvollziehen».
Ebenfalls Mühe bekundeten die Richter mit der Tatsache, dass die Vasellas ihre neue Adresse in Monaco noch nicht einmal der Krankenkasse bekannt gaben, wozu sie gemäss Versicherungsbedingungen verpflichtet gewesen wären. Das bereitete ihm gewisse Scherereien mit seiner Krankenkasse, die Ende 2013 geleistete Zahlungen zurückforderte, weil Vasella nicht mehr in der Schweiz angemeldet sei.
Vor Gericht argumentierte er, er sei sich nicht bewusst gewesen, dass Behandlungskosten in der Schweiz wegen seines ausländischen Wohnsitzes nicht gedeckt gewesen seien. Das glaubte ihm das Gericht nicht: Es sei kaum davon auszugehen, dass er als Arzt, der jahrelang einer Pharmafirma vorgestanden sei, «mit diesem Grundprinzip des Krankenversicherungssystems nicht vertraut gewesen sein sollte».
Ebenfalls als verdächtig stuften die Steuerbehörden den Fakt ein, dass auf den Kreditkartenabrechnungen der Vasellas im September 2014 und 2015 ein GA auftauchte. Es sei jenes einer Verwandten, argumentierte Vasella gegenüber Gericht und Steuerbehörden. Eine Abobestätigung könne aber nicht beigebracht werden.
Mit seinen Steuertricksereien hat sich Vasella in ein unvorteilhaftes Rampenlicht gerückt, einmal mehr. Denn die Liste ist lang. So war sein Abschiedsbonus von 72 Millionen nicht das erste Mal, dass er mit seinem Salär für Schlagzeilen sorgt.
Scharfe Transparenzvorschriften bei den Vergütungen in börsenkotierten Firmen brachten 2003 auf einmal Licht in Vasellas Lohntüte: Sein Vergütungspaket für ein Jahr hatte einen Steuerwert von 20 Millionen Franken; der Marktwert wurde auf 30 Millionen geschätzt. Es war das höchste in Europa je ausgewiesene Lohnpaket. Alex Krauer, Vasellas Amtsvorgänger als Novartis-Verwaltungsratspräsident, schrieb der NZZ einen Leserbrief: «Es braucht den Sinn fürs Mass».
Im grossen Ganzen unbedeutend, aber symbolisch waren kleine Extravaganzen. So berichtete die «Sonntags-Zeitung» im Jahr 2006 über eine Geschichte am Rande seines gigantischen Baus des Novartis-Campus. Vasella habe bei einem Fischhändler im Thurgau selbst 40 Koi-Karpfen ausgewählt, zum Stückpreis von 1000 Franken - und sei mit dem Helikopter zu diesem Händler geflogen.
Kurz bevor Vasella im Mai 2017 mit dem «Blick »sprach, gab er auch der «Luzerner Zeitung» ein Interview. Auch hier äusserte er sich zu seiner Rückkehr in die alte Heimat: «Wir fühlen uns hier zu Hause», sagt er. «In der Zwischenzeit haben mich die Leute vergessen. Ich muss schmunzeln, wenn ich meinen Namen buchstabieren muss.»
So kann man sich täuschen. Vergessen haben ihn, der wohl als einer der unbeliebtesten Manager in die Schweizer Wirtschaftsgesichte eingehen wird, die wenigsten. Und schmunzeln kann er derzeit wohl auch nicht sehr. (bzbasel.ch)
Darkside
Nordkantonler
Madison Pierce
Wenn man derart viel Geld in die Hand nimmt für solche Tricks, sollte man es richtig machen. Ich weiss nicht, ob ich empört sein soll wegen der unethischen Vorgehensweise oder ob ich einfach lachen soll über das amateurhafte Vorgehen.