Sie ist die grösste, rein schweizerische Airline der Schweiz: Helvetic Airways von Investor Martin Ebner (76) und seiner Frau Rosmarie. Nach Jahren des steilen Wachstums und Erfolgs, musste auch sie im Zuge der Covid-Krise den Grossteil ihrer Flotte grounden. Zudem wurde vermehrt Kritik des Swiss-Personals an der Konkurrentin laut. Doch mit den besseren Pandemie-Aussichten und dank einer modernen Flugzeugflotte ist bei Helvetic der Optimismus zurückgekehrt.
Am Dienstag lud die Regionalfluggesellschaft, die stark von so genannten Wet-Lease-Flügen der Swiss abhängt, die sie in ihrem Namen mit eigener Crew ausführt, zu einem Mediengespräch. Im Interview mit CH Media spricht Ebner über die Folgen des Ukrainekriegs an den Börsen, sagt, welche Entwicklung er für die Tourismusindustrie erwartet - und wirft seiner wichtigsten Partnerin Vertragsbruch vor.
Die Buchungen bei Reisebüros und Airlines haben zuletzt stark zugenommen. Doch nun herrscht Krieg in Europa. Wie beunruhigt sind Sie?
Martin Ebner: Ich bin enorm beunruhigt, vor allem weil nicht berechenbar ist, wie es weiter geht. Aktuell sind wir bei Helvetic nicht direkt tangiert. Wir hatten ein paar Flüge für die Swiss in die Ukraine geplant, die finden nun nicht statt. Aber ganz grundsätzlich ist die Situation natürlich traurig. Die menschlichen Tragödien auf beiden Seiten machen mich betroffen.
Begrüssen Sie als Wirtschaftsvertreter, dass die neutrale Schweiz die EU-Sanktionen gegenüber Russland übernommen hat?
Ich unterstütze es, dass man auf Sanktionen setzt, um zum Frieden zu kommen. In diesem Fall kann man den Neutralitätsbegriff etwas ausdehnen. Und es ist richtig, dass wir möglichst viele Flüchtlinge rasch in der Schweiz aufnehmen. Das können wir verkraften.
Sie sind in diversen Firmen investiert. Welche Entwicklung erwarten Sie an den Börsen?
Nordamerika hat ja bisher praktisch gar nicht reagiert. Die asiatischen Börsen reagierten sogar positiv. Aber in Europa wird es wirtschaftlich natürlich deutlich schwieriger. Diese Sanktionen kosten viel, das ist klar. Wie gross die effektiven Konsequenzen sein werden, hängt von der Dauer des Krieges ab.
Für Ihre Helvetic Airways bedeutet der Krieg auch die Gefahr, dass nun viele Leute aus Angst auf Flüge verzichten.
Das ist durchaus möglich und ich habe auch Verständnis dafür, wenn manche Leute Angst haben. Sie ist ja nicht völlig unbegründet. Aber bei Flügen in den Süden? Ans Meer? Ich glaube nicht an einen starken Einbruch. Bis jetzt spüren wir jedenfalls nichts davon.
Die Swiss setzte zuletzt nur vier statt wie vertraglich abgemacht acht von Ihren Helvetic-Flugzeugen ein. Nun werfen Sie ihr Vertragbruch vor.
Es war leider Vertragsbruch.
Das ist ein heftiger Vorwurf. Klagen Sie gegen die Swiss?
Ab Sommer fliegen wir wieder mit mindestens sechs Flugzeugen, das scheint sich also eingerenkt zu haben. Ich habe kein Interesse, dieses Thema weiter nach aussen zu tragen.
Sind Sie persönlich enttäuscht?
Sehr.
Hatte dies mit dem Chef-Wechsel bei der Swiss zu tun, von Thomas Klühr zu Dieter Vranckx?
Weiss ich nicht.
Haben Sie mit Swiss-CEO Dieter Vranckx darüber gesprochen?
Natürlich.
Sie haben vor Medienleuten gesagt, dass Sie der Swiss während der Corona-Krise finanziell ausgeholfen haben. Inwiefern?
Als die Swiss Kundengelder zurückbezahlen musste, hatte sie plötzlich nicht die nötige Liquidität, wir hingegen schon. Also pochten wir nicht auf ihre Verpflichtungen für bereits gebuchte Kapazitäten bei uns. Es war ein hoher Millionenbetrag, den wir ihr à fonds perdu erliessen.
Und dann dachten Sie, dass die Swiss das später entsprechend honorieren wird, wenn es um Sparmassnahmen geht und mehr als vier Ihrer Flugzeuge einsetzt?
Ich habe es nicht deswegen gemacht, aber das Vorgehen war mit dieser Vorgeschichte doppelt unverständlich. Ich hätte es auch nie für möglich gehalten, dass der Lufthansa und der Swiss die Liquidität ausgehen könnte. Uns ist das schliesslich nicht passiert und wir benötigten auch keine Staatshilfe, abgesehen von der Kurzarbeitsentschädigung.
Als es schnell gehen musste bei der Frage, ob der Bund der Swiss und Edelweiss aushelfen solle oder nicht, hörte man in der Branche, dass Sie sich persönlich auf politischer Ebene dafür einsetzten. Stimmt das?
Ja, das ist so, ich sage Ihnen aber nicht wie. Ich tat es, weil die grösste Schweizer Fluggesellschaft für unser Land systemrelevant ist. Und derzeit ist das die Swiss. Es hätte nicht immer die Swiss sein müssen, aber so ist das heute.
Von Brancheninsidern wird vermutet, dass die Swiss ihnen deshalb etwas schuldig ist. Immerhin lagert die Lufthansa-Gruppe nur noch an Helvetic als einzige externe Airline Flüge aus.
Das hat nichts damit zu tun. Das hat nur mit unserer Leistung zu tun. Wir bilden Leute aus, Piloten, Flight Attendants, wir haben die höchsten Sicherheitszertifizierungen, die nicht alle Airlines vorweisen können, und die drittjüngste Flotte in ganz Europa. Diese bringt grosse Kosteneffizienzen, vor allem bei Destinationen, die sich für die Swiss mit ihren grösseren Maschinen nicht lohnen.
Verstehen Sie denn den Frust der Swiss-Angestellten, wenn es dort Massenentlassungen gibt und die Swiss gleichzeitig Flüge an Helvetic auslagert?
Massenentlassungen sind doch einfach zwingende Massnahmen, um Kosten zu senken.
Das ist für die Betroffenen kein Trost.
Klar. Aber ich habe in verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Und wenn sich die Umstände ändern, muss man reagieren. Gewerkschaften sind jedoch häufig Verhinderer von Massnahmen, die nötig sind.
Gerade in der Luftfahrt hat die Vergangenheit gezeigt, dass Krisen vom Management genutzt werden, um an den Arbeitsbedingungen zu schrauben, um die Kosten langfristig zu senken.
Das ist Ideologie. Nur schon diese Wortwahl: Genutzt! Fakt ist: Die Swiss und die Lufthansa hätten ohne gewerkschaftlichen Druck in der Pandemie viel schneller die Kosten senken können. Und dann wäre es allen besser gegangen. Letztlich arbeiten Gewerkschaften für Funktionäre ...
... das Ziel von Gewerkschaften sind in der Regel faire Anstellungsbedingungen.
Sie machen bestimmt viel Gutes für die Angestellten. Aber das ist nicht das einzige Ziel. Auch der Vorwurf, dass wir schlechte Löhne bezahlen, stimmt einfach nicht. Wir haben so viele zufriedene Leute bei uns. Auch während der Pandemie waren unsere Angestellten froh, bei uns zu sein. Und noch etwas: Wenn jemand entlassen wird, ist das auch eine Chance, Bilanz zu ziehen und sich umzuorientieren.
Das ist oftmals einfacher gesagt als getan. Trotzdem die Pro-Forma-Frage: Wird es bei Helvetic demnächst eine Gewerkschaft geben?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn jemand ein Anliegen hat, soll er zu mir kommen. Ich reisse niemandem den Kopf ab, sondern spreche mit jedem.
Helvetic hat in der Pandemie so viele Spezial-Charter-Flüge wie noch nie durchgeführt. Weshalb?
Weil all die Private Jets zu teuer oder ausgebucht waren. Also haben manche Leute bei uns einen ganzen Flug gebucht, um mit ihren Familien sicher in die Ferien fliegen zu können. Diese Nachfrage dürfte nun wieder zurückgehen mit der Erholung des Gesamtmarktes.
Welche persönliche Bilanz ziehen Sie nach zwei Jahren Pandemie?
Mich persönlich hat es nur am Rand betroffen. Ich habe mich sofort impfen und boostern lassen, wurde zum Glück bisher nicht krank. Vor allem während der Delta-Verbreitung waren meine Frau und ich sehr vorsichtig, aber ich fuhr weiterhin mit dem öffentlichen Verkehr. Und ich fühle mich einigermassen fit.
Gehen Sie immer noch regelmässig spazieren?
Absolut. Ich gehe jeden Sonntag mit einem Freund, einem Arzt, 6 Kilometer spazieren. Er hat mich auch stets über die neusten Covid-Entwicklungen informiert. Als er mir sagte, dass es mit Omikron nicht so schlimm kommt, haben wir bei Helvetic sofort wieder mehr Gas gegeben.
-"Massenentlassungen sind doch einfach zwingende Massnahmen, um Kosten zu senken." Jo, klar. Wie wärs mit Prozessen anpassen?
-Ganz klar werden Krisen als Ausrede benützt um Unternehmen zu sanieren